Antonio
Antonio

 

Übersetzung des Briefes von Antonio vom 1. Juli 2004

1. Juli 2004

Liebe Josie und lieber Dirk,

Es ist drei Jahre her, da hat uns eine Jury von 12 Männern und Frauen in einem Gerichtssaal in Miami, Florida, in jedem der 26 Punkte für schuldig befunden, deretwegen meine Brüder und ich als Angeklagte da standen. Drei Jahre sind vergangen, seit unsere "Gerichtsverhandlung" – ein falsches Tribunal, das niemals hätte gestattet werden dürfen, in einer Stadt, der es nie hätte gestattet werden dürfen, uns mit Strafe zu verfolgen. Drei Jahre, seit wir gezwungen wurden, Anklagen gegenüber Rede und Antwort zu stehen, die niemals hätten gegen uns erhoben werden dürfen – Anklagen, die vor allem ohne moralische, gesetzliche oder logische Begründung waren.
Abgesehen von den sieben Monate, die wir in Erwartung unserer Verhandlung eingesperrt in dem grausamen "Loch" schmachteten – während der Zeit, in der die Regierung uns daran hinderte, uns ausreichend auf unsere Verteidigung vorzubereiten... teilweise dadurch, dass sie ihre Zuflucht zu der Taktik nahm, die Beweise gegen uns mit "GEHEIM" zu etikettieren... - ist es drei Jahre her, dass wir eine siebenmonatige Tortur ertragen mussten, während der den Geschworenen über 70 Zeugenaussagen und über 800 Dokumente von über 15.000 Seiten Material vorgelegt wurden... drei Jahre, seit der Zeit, als die selbe Jury ihre Beratung über unser gemeinsames Schicksal abbrach und es für angebracht hielt, nicht einmal eine Frage zu all dem Beweismaterial und all den Zeugenaussagen zu stellen, die ihnen während des Verlaufs des besseren Teils vom gesamten Jahr vorgelegt worden waren... eine Jury, die offensichtlich nie einen einzigen begründbaren Zweifel über den Urteilsspruch hegten, den sie über uns auszusprechen beabsichtigten, wobei sie nicht einmal den Anklagepunkt gegen Gerardo wegen Verschwörung zum Mord berücksichtigten ... nicht einmal, nachdem die Regierungsvertreter in einem unterschriebenen Dokument dem Berufungsgericht angezeigt hatten, dass sie vor allem selber nicht glaubten, dass sie ausreichende Beweise hätten, um Gerardo zu verurteilen!
Es sind drei lange Jahre gewesen, während dessen eine Mauer absoluten Schweigens um unseren Fall und inbezug auf unser Schicksal aufgebaut wurde – Stein auf Stein durch die Apathie und Gleichgültigkeit und die geisttötende Verschwörung der Medien der Vereinigten Staaten.

Meine Freunde, ich beabsichtige nicht, Euch jetzt die ganze Geschichte unserer Gerichtsverhandlung zu erzählen und was seit dem Schicksalstag, dem 8. Juni, 2001, passierte, als das ungerechte Urteil über uns erging. Ich beabsichtige nicht, euch diese Dinge zu erzählen, weil ich schon weiß, dass Ihr die selben starken Argumente gegen diese Gemeinheiten in Euren Herzen tragt, die wir hörten, als wir an jenem Tage in unseren Zellentrakt zurück kehrten und all die anderen Männer im Gefängnistrakt in einen laut widerhallenden Applaus ausbrachen, um uns ihre Unterstützung und ihre Solidarität mit uns in unserer dunklen Stunde der Verzweiflung zu zeigen.
Es sind drei lange Jahre, minus einen Tag, gewesen, seit dem 9. Juni, 2001, als ich sehr früh am Morgen des Geburtstages meines Bruders Ramón aufwachte und ich ihm nur mit einem winzigen Lichtstrahl, der sich durch das schmale Fenster meiner Zelle bohrte die Verse schrieb, die ich jetzt dem Brief beifüge.
In den drei Jahren, seit all’ diese Ereignisse in die Öffentlichkeit drangen, haben das kubanische Volk und viele andere Freunde aus aller Welt die Wahrheit über unsere Situation herausgefunden: über das Unrecht, das man uns angetan hat; über die Freiheit, die uns gestohlen wurde – und über unseren Kampf, sie wiederzugewinnen.. ein Kampf, der täglich größer und stärker wird.
Es sind drei lange Jahre gewesen, und nun warten wir auf die endgültige Entscheidung der Richter, die auf den Bänken des Berufungsgerichts sitzen. Wir wissen nicht, wie diese Richter über unseren Fall entscheiden werden, doch wir wissen, dass eher früher als später die Wahrheit und Solidarität siegen muss.

Handschriftlich:
Danke für Euren Brief! Alles, was Ihr in unserem Kampf tut, stärkt unsere Festigkeit und unseren Optimismus. Gemeinsam werden wir siegen! Grüße an alle Genossen von ¡Basta ya! Eine große brüderliche Umarmung

Unterschrift

Gedicht zu Ramóns Geburtstag am 9.06. 2001

In meiner Wahrheit

Vernunft ist wie ein riesiger Arm,
der die Gerechtigkeit dahin emporhebt, wo
die Habsucht der Menschen sie nicht erreichen kann.
(José Martí)

Wo ist die Vernunft? So fragten sie sich selbst.
Doch inmitten der Ängste und anderer Demütigungen
ging der Schlüssel verloren.
Und die Vernunft blieb draußen vor der Tür.
Und ich stand eingesperrt auf der anderen Seite,
in dieser Welt, die meinen Wünschen nicht entspricht.

Und obwohl sich der Himmel plötzlich mit Schatten füllte,
lasst es jene wissen, die über ihr jüngstes Unrecht so glücklich sind,
dass Terror meinem Mut nichts anhaben kann,
dass Schande meiner Ehre nicht schaden kann,
dass Habsucht mir meinen Verdienst nicht nehmen kann,
dass meine Wahrheit mit Würde einher geht,
dass mir, in meiner Liebe, das Glück immer wieder begegnet.

 

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