Liebe Josie, lieber Dirk,
18. Juni 2005
Es ist Juni geworden. Am 14. Juni vor 160 Jahren wurde Antonio Maceo geboren, und vor 77 Jahren wurde Ernesto Che Guevara geboren.
Gestern Nacht las ich ein Buch, in dem verschiedene Reden eines Mannes wiedergegeben werden, der ein großer Kämpfer in der Schlacht für die Befreiung der Ureinwohner auf dem afrikanischen Kontinent und gegen die sich rund um die Welt ausbreitende imperialistische Unterdrückung und kapitalistische Ausbeutung war. Ich spreche von Thomas Sankara. Er war 1983 der Anführer einer Volkserhebung in Obervolta in Westafrika, einem der ärmsten Länder der Welt, die eine der grundlegendsten Revolutionen in Afrikas Geschichte hervorrief. Er wurde Präsident der neuen Regierung seines Landes, das sich 1984 wieder in Burkina Faso umbenannte. Über den Zeitraum von vier Jahren führte die Revolution in Burkina Faso ein ehrgeiziges Programm der Landreform durch, kämpfte gegen die Korruption und für die Priorität der Bildung und Gesundheitsvorsorge und für die Emanzipation der Frauen. Doch wieder einmal rafften die Hände des Egoismus und der Habsucht mit Unterstützung des Imperialismus das Leben einer großen revolutionären Führungspersönlichkeit dahin. Am 15. Oktober 1987 wurde Thomas Sankara während eines Militärputsches, der Burkina Faso zerstörte, ermordet. Eine Woche vor seinem Tod, am 20. Todestag seines Kampfgefährten, sprach er über Che. Es ist die letzte in diesem Buch verzeichnete Rede, und ich möchte euch einige Worte daraus mitteilen. Thomas Sankara sagte: "Für uns steht Che vor allem für die Überzeugung, die revolutionäre Überzeugung, den revolutionären Glauben ... die Überzeugung, dass der Sieg uns gehört, und dass der Kampf unsere einzige Zuflucht ist.
Che steht auch für Mitleid, menschliches Mitleid - einen Ausdruck der Großzügigkeit, der Selbstaufopferung, der Che nicht nur zum Argentinier, Kubaner und internationalistischen Mitstreiter machte, sondern auch zu einem Mann mit menschlicher Wärme.
Che steht auch und vor allem für den Anspruch mit der Anspruchshaltung von jemandem, der das Glück hatte, in eine gutsituierte Familie hineingeboren worden zu sein, eine argentinische Familie, dennoch wusste er, wie man dem leichten Weg den Rücken kehrt; er weiß, wie man den Versuchungen widersteht; im Gegenteil zeigte er sich als Mann, der gemeinsame Sache mit den Menschen und mit dem Leid der anderen machte. Ches fordernder Charakter ist etwas, das uns weiterhin inspirieren sollte.
Überzeugung, menschliches Mitleid, ein fordernder Charakter - all dies macht ihn zum Che. Und all' diejenigen, die diese Qualitäten in sich vereinen können - diese Überzeugung, dieses Mitleid und diese Art von Anspruch - sie können für sich beanspruchen, wie Che zu sein, Menschen unter Menschen, aber auch Revolutionäre unter Revolutionären."
In Kuba trägt unser Volk die Schlacht der Ideen aus, zusammen mit unserem Kommandanten und Chef, Fidel, an vorderster Front. Wahrheiten werden ohne Furcht vor dem 90 Meilen entfernten Imperium ausgesprochen, die der Welt dessen Heuchelei enthüllen. Sie zeigen, dass die US-Regierung statt eines unerbittlichen Kämpfers gegen Terrorismus, ein Erzeuger und Beschützer dieser Geißel ist. Ihre Macht kann Städte zerstören, kann Tausende unschuldiger Menschen töten, kann Menschen gefangen nehmen und foltern, die gerechte Prinzipien verteidigen und kann revolutionäre Anführer, Kämpfer für eine bessere Welt ermorden, doch sie kann nicht die Ideen töten. Darum sind Antonio Maceo und Che Guevara nicht tot. Darum ist Thomas Sankara und viele andere revolutionäre Frauen und Männer wie er nicht tot. Sie sind unter uns, weil ihre Ideen niemals sterben.
In diesem Monat, vor vier Jahren, befand uns eine Jury in Miami aller Anklagen, derer wir beschuldigt wurden, für schuldig. Ihr wisst schon wie ungerecht und vorurteilsbelastet unser Verfahren war. Jetzt hat das Berufungsgericht von Atlanta immer noch keine Antwort auf unsere Berufung gegeben. Ich möchte euch nur freimütig sagen: In keinem von uns ist Defätismus. Wir halten unsere Geisteshaltung an jedem Tag aufrecht, diese Überzeugung, dieses Mitleid und diese Anspruchshaltung, die Maceo und Che uns gelehrt haben.
Handschriftlich: Ich habe euren Brief vom 8. Juni erhalten. Danke. Es ermutigt uns sehr, immer über euren Kampf in Deutschland Bescheid zu wissen. Grüße an die Freunde. Eine große brüderliche Umarmung.
¡Hasta la Victoria siempre!
Gez.: Antonio Guerrero Rodriguez