Antonio
Antonio

 

WIR WAREN DIE FÜNF, WIR SIND ES UND WIR WERDEN ES SEIN

Für meinen Bruder René in Freiheit

An jenem 12. September, ohne Adjektiv, das den Tag in seiner Gewalttätigkeit charakterisieren könnte, war ich der letzte, der in Miami ankam, und folglich der letzte, der sich in einer äußerst kalten Zelle befand, mit einer nackten Matratze, einer Wolldecke und einer Rolle Toilettenpapier, alle isoliert.

Die Stille war unheimlich in jenem 13. Stock des Haftzentrums in Miami. Mit einem rein tierischen Instinkt wandert man hin und her in einem derart reduzierten Raum. Hin und wieder hielt ich vor der schmalen Glasscheibe inne, die sich an der Metalltüre befand, von wo aus uns ständig ein Wärter beobachtete, der seine Runde machte. In einer Zelle gegenüber, sehr weit entfernt von mir, sah ich einen Mann, der sich ebenfalls hin und wieder an seinem Fensterchen aufhielt. Ernstes bärtiges Gesicht, nackte Brust, und ich fragte mich, wer mag dieser Typ sein? Ist ihm nicht kalt?

Es war René, noch kannte ich ihn nicht.

In jenen ersten Tagen, über die man viel berichten könnte, brachten sie ihn und mich in den Gerichtssaal hinunter. Wir mußten uns dort für unschuldig oder schuldig erklären, was in unserem Fall bedeutete, sich als würdig oder unwürdig, als ehrbar oder ehrlos, als loyal oder als Verräter zu erklären. Wir beide waren sehr von unserer Unschuld überzeugt. Aber es gab jemanden, den ich kannte, der sich für schuldig bekennen wollte. Jeder stand einzeln vor dem Richter, aber René las den Verrat im Gesicht jenes Typs, der versuchte, mich in ein Gespräch zu verwickeln.

Daraufhin sagte mir René, ich muß mit diesem Typ reden. Ich habe ihn lediglich um Ruhe gebeten.

So lernte ich ihn kennen.

So wurden wir, die Fünf, Brüder.

Deshalb ist seine Freiheit unsere Freiheit, sein Schmerz und sein Glück sind auch unser.

Deshalb ist unsere ungerechte Gefangenschaft auch weiterhin seine Gefangenschaft.

Deshalb waren wir, sind wir und werden wir die Fünf sein, verschmolzen zu einem einzigen Menschen, einem Kubaner wie Millionen von Landsleuten, treu gegenüber seinem Volk und seinem Vaterland.

Tony Guerrero Rodríguez
10.Mai 2013
Bundesgefängnis Marianna

Deutsch: ¡Basta Ya! (gb)

 

Zurück