Antonio
Antonio

 

Die Fünfzehn

11.9.2013, 11:57 Uhr vormittags

Liebe Freunde,

ich erinnere mich, wie ich im Gefängnis von Florence ankam. Ich kam an mit einem auf Lebenslang lautenden Strafurteil auf den Schultern. Ich trat in das ein, was einige Gefangene "den Friedhof der lebenden Menschen" nannten. Viele von denen, die ich dort kennenlernte, waren dazu bestimmt, in diesem oder einem anderen Gefängnis des Bundessystems zu sterben. Ihre Möglichkeiten, vor den Gerichten einen Entlassungstermin zu erreichen, waren gleich Null. Einige hatten schon viel Zeit des Eingesperrtseins hinter sich. Die Gewalt war tägliches Brot innerhalb jener Mauern. Es war nicht leicht, jemanden zu finden, den man normal oder friedfertig hätte nennen können. Fast alle schleppten einen Akt der Gewalt, begangen außerhalb und innerhalb des Gefängnisses, in seinen Akten mit sich. Personen mit geistigen Defekten gab es an diesem Ort im Überfluß.

Ich erinnere mich, daß in einigen Gesprächen mit den Veteranen hinter Gittern verschiedentlich gesagt wurde, wenn man die 15 Jahre erreichte, begannen die psychologischen und physischen Verwirrungen aufzutreten, weiterhin, daß niemand eine so lange Zeit aushalten konnte, daß es geschah, wenn "das Gefängnis Gefängnis ist".

Nun gut, heute vollenden wir unsere 15 ohne das geringste Anzeichen von Verrücktheit und auch ohne die geringste Spur von Pessimismus, ganz im Gegenteil, jeden Tag klarer, jeden Tag optimistischer und heiterer.

Ich erdreiste mich zu sagen, daß niemals ein Gefangener diese Menge an Briefen erhalten hat, die wir während dieser langen, ungerechten Haft bekommen haben, Briefe voller Brüderlichkeit und Liebe, Briefe von Personen allen Alters und aus allen Teilen der Welt und besonders von vielen Kindern mit ihrer besonderen Art, ihre aufrichtige Zuneigung und ihre Vaterlandsliebe auszudrücken.

Die Solidaritätsbeweise hielt man nicht auf noch sind sie weniger geworden, seitdem man unsere Lage der Bevölkerung und der Welt bekannt gemacht hatte.

Das harte Leben im Gefängnis zeigte mir, daß ein unschuldiger Mensch mit reinen Überzeugungen, von seinem Volk und vielen Freunden geliebt, niemals seinen Verstand verliert und auch niemals zuläßt, daß man seine Integrität und seine Moral bricht, selbst nicht in der isoliertesten Zelle, in die man geworfen werden kann.

Sagte doch der Apostel unserer Unabhängigkeit José Martí: "Ein gerechtes Prinzip aus dem Grunde einer Höhle vermag mehr als ein Heer".

Unser immerwährender Dank für Eure riesige und beständige Hilfe, die uns widerstandsfähig macht und uns frei fühlen läßt.

Fünf feste Umarmungen

Wir werden siegen!

Antonio Guerrero Rodríguez
11. September 2013
Bundesgefängnis Marianna


Am Morgen des 12. September

12.9.2013, 10:11 morgens

Liebe Freunde,

es ist der Morgen des 12. September.
Es gibt weder Arbeit noch andere normale Gefängnisaktivitäten, ich weiß nicht warum.
Mir geht’s gut, weil ich mich zum Lesen der Nachrichten, die mir zugegangen waren, es sind nicht wenige, hinsetzen konnte.
Ich kann sie nicht alle individuell beantworten. Ich hoffe, Ihr versteht das.
Alle Eure Zeilen voll von Brüderlichkeit, Mut und Kraft erneuern meine/unsere Kräfte und verdoppeln meinen/unseren Optimismus.

Dank des Umstands, daß Radio Rebelde bis in diese Region reicht, konnte ich die Künstlerische Gala von gestern abend im (Theater) Carlos Marx hören. Mehr als daß ich sie hörte, müßte ich sagen, ich habe sie erlebt, "als wenn ich sie gesehen hätte".

Mit den wenigen Telefonminuten, die mir für diesen Monat bleiben, habe ich früh zu Hause angerufen. Mami war schon zu einer Aktivität ausgegangen, welche Energie von ihr, welche so unermeßliche Liebe, welch Beispiel. Ich habe mit meinem Schwesterlein geredet.
Dann habe ich mich entschlossen, einen lieben Freund in Santiago anzurufen. Victor, den ich wie einen Vater oder einen älteren Bruder liebe. Dort erwachten sie in Gelb gekleidet. Man versicherte mir, daß heute unser ganzes Volk so aufsteht.

Wenn ich hier so sitze und diese Zeilen abfasse, denke ich an die, die heute physisch nicht bei uns sind, aber die uns weiterhin jeden Tag in diesem Kampf begleiten. Mich erinnerte Ida daran, daß vor fünf Jahren unsere liebe Celia uns eine unermeßliche Leere hinterlassen hat, aber ihr unermüdlicher Kampfgeist bleibt in unseren Herzen. Wie ihr Vater, der Genosse Armando Hart sagte: "Wir werden ihre Flamme nicht löschen". Und heute wird sich ihre Flamme ebenso wie die von Weinglass, Roberto, Bernie, Saul Landau und die vieler, sehr vieler lieber Freunde anfachen und wird in der Solidarität, die unaufhaltsam wächst und unsere Rückkehr nach Hause fordert, riesig werden.

Fünf feste Umarmungen.

Wir werden siegen!

Antonio Guerrero Rodríguez
Bundesgefängnis Marianna
12. September 2013 Deutsch: ¡Basta Ya! (gb)

 

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