Fünf Jahre nach unseren Verteidigungsreden vor Gericht
Übersetzung aus: "Hoping in Solitude" [Hoffen in der Einsamkeit] Erschienen in: Editorial Capitán San Luis, Havana 2008
Im nächsten Dezember 2006 wird es fünf Jahre her sein, dass wir wenige Minuten bevor das Bundesgericht von Miami die Urteile verkündete unsere Erklärungen vor Gericht abgaben.
Es waren intensive Tage für die Fünf, sehr emotional und voller politischer und moralischer Bedeutung. Ein paar Monate vorher hatte eine Jury aus zwölf Einwohnern Miamis ein extrem unfaires Urteil gefällt und uns in allen Anklagepunkten, die von den US-Behörden durch ihre Staatsanwälte gegen uns erhoben worden waren, für schuldig befunden. Dabei hatten wir während der sechsmonatigen Verhandlung die Scheinheiligkeit der Behörden und deren Verteidigung von cubano-amerikanischen Terroristen bewiesen; dass sie die lange Liste von Terroranschlägen dieser Leute gegen unser Land verschleierten und Kubas Notwendigkeit, solche Leute wie uns in Südflorida zu haben, um Informationen zu erhalten über ihre Pläne, Gewalttaten gegen unser Land zu begehen. Diese friedliche Arbeit hatte nur den Zweck, das Leben von Kubanern und Amerikanern zu beschützen. Während des Verfahrens vor der Anhörung bei der Urteilsverkündung im Dezember 2001, wo wir mit Hilfe der von unseren Anwälten beigebrachten Beweise und der Zeugenaussagen unseren Stanpunkt vortrugen, kam es wegen des von der Staatsanwaltschaft gegen uns konstruierten Falls zu gewaltigen Anprangerungen und Aufruhr. Die Hysterie der cubano-amerikanischen Mafia, die sich in Presseberichten und Kommentaren in den von ihr kontrollierten lokalen Zeitungen in den letzten Tagen des Verfahrens widerspiegelte, ist ein klarer Beweis dafür. Sie [die Presseberichte] zeigten den Einfluss der Anprangerungen und deckten auf, wer die wirklichen Schuldigen sind, die statt unser auf der Anklagebank hätten sitzen sollen, das heißt, die Kriminellen kubanischer Abstammung, die in den Vereinigten Staaten leben und von deren Territorium aus operieren. Wenige Monate nach den empörenden und ungerechten Schuldsprüchen einer Jury, die, trotz der Länge des Verfahrens, der hohen Zahl an Zeugen und der juristischen Komplexität einiger Gesichtspunkte keine einzige Frage stellte oder um Aufklärung bat, war die Zeit für unsere Urteile gekommen. Unser Volk wurde von dem Fall informiert und wusste von dem absurden Schuldspruch einer Jury, die weder unvoreingenommen war, noch es sein konnte. Unser Volk, das viele Jahre Opfer von Terroranschlägen war, die ungestraft auf US-Territorium organisiert und finanziert wurden, und das von der direkten oder indirekten Komplizenschaft mit diesen Aktionen derselben Behörden wusste, die uns vor Gericht gebracht haben, reagierte in seiner ihm eigenen Sensibilität mit Empörung. Es formierte eine massive Bewegung, die die falschen Anschuldigungen anprangerte, die zu unserer Verurteilung führen würden, und eine öffentliche Solidaritätskampagne mit dem Ziel, Gerechtigkeit für uns zu erreichen. Die Antwort der US-Behörden offenbarte einmal mehr ihren Hass und ihren Rachedurst: sie schickten uns zurück in die Strafzellen [in Isolationshaft]. Als der Augenblick gekommen war, unsere Urteile entgegenzunehmen, war es für uns eine Sache der Ehre und Würde, dem Gericht die Wahrheit zu offenbaren. Wir antworteten auf die Verunglimpfungen der Staatsanwälte, die einen Fall gegen uns konstruiert hatten, indem sie den Geschworenen die Vorurteile gegen Kuba und die Revolution erzählte, die in so vielen Jahren der Desinformation und veralteten Propaganda gegenüber der Bevölkerung von Miami aufrecht erhalten wurden. Das war die Taktik der Staatsanwaltschaft und der Grund, aus dem sie aus tiefster Seele dagegen waren, das Verfahren in einer anderen Stadt abzuhalten. Und das sind sie immer noch. Es gab noch andere Faktoren in diesen Tagen, die das Verfahren beeinflussten. Fünf andere Menschen, die gemeinsam mit uns im September 1998 verhaftet worden waren, hatten dem Druck des FBI nachgegeben, was dazu führte, dass sie als Zeugen der US-Behörden gegen uns aussagten. Von dem Moment an gerieten sie bei dem Versuch, ihre Handlungsweise gegen unser Volk zu rechtfertigen, in eine Spirale von moralischer und politischer Perversion. Wir konnten nicht vergessen, dass wir uns auf dem Territorium unseres politischen Gegners befanden, von seinen Behörden eingesperrt und beschuldigt von Staatsanwälten, die die Regierung repräsentierten, deren Elite erpicht auf die Zerstörung der Kubanischen Revolution ist und unser Land zu einem wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Anhängsel der Vereinigten Staaten machen will. Da war es die Pflicht der Fünf, damit weiter zu machen, womit unsere Anwälte während des Verfahrens begonnen hatten, nämlich den politischen Gegnern unseres Landes zu beweisen, dass das, was Kuba und sein Volk definieren, seine Würde, seine Ehre und sein Kampfgeist sind. Dies waren einige Umstände, die während dieser Tage und der Wochen davor überwogen: sie könnten helfen, unsere geistig-seelische Verfassung zu verstehen, in der wir uns während der Urteilsverkündung befanden als wir unsere Erklärungen vor Gericht abgaben. Unsere Mütter und einige Verwandte saßen während der Anhörung im Gerichtssaal und auch ein kubanischer Konsul, was der Situation eine besondere Bedeutung verlieh. Als Angriff auf unsere menschliche Würde und Ehre wurden wir mit Fesseln, die unsere Beine an den Knöcheln zusammen hielten, in den Gerichtssaal gebracht, und sie wurden während der Verhandlung angelassen. Das hielt uns aber nicht davon ab, trotz Schwierigkeiten zum Podium zu gehen und von dort die Wahrheit darzulegen. Zum ersten Mal seit unserer Verhaftung im September 1998 haben wir persönlich und öffentlich das politische Wesen des Verfahrens aufgezeigt und die schmutzigen Manöver der Staatsanwaltschaft und deren wahllosen und opportunistischen Gebrauch der Vorurteile der Gemeinde [von Miami] gegen Kuba, um den Geschworenen einen Schuldspruch zu entlocken, offengelegt. Dort in Miami, in Anwesenheit einer Vertretung der cubano-amerikanischen Mafia, wurde nicht nur die Geschichte des Terrors gegen Kuba offengelegt, sondern auch die fügsame Komplizenschaft der Behörden, die scheinheilig uns beschuldigte und exorbitante, für das, für das man uns ungerechterweise für schuldig befand, völlig unverhältnismäßige Strafen forderte. Es ist nicht schwer, sich unsere tiefe Erregung und unser Verantwortungsbewusstsein in diesen Stunden vorzustellen. Die Scheinheiligkeit des gesamten Prozesses und das politische Wesen unseres Falles wurde immer offensichtlicher in diesen Tagen Ende Dezember 2001. Gleichzeitig, an den selben Tagen, antworte die Regierung der Vereinigten Staaten auf die Verbrechen vom 21.September, in einer angeblichen Konfrontation mit dem Terrorismus, mit der rücksichtslosen Bombardierung Afghanistans. Diese Kampagne mit der ausgeklügelsten militärischen Technologie gegen eines der rückständigsten Länder der Erde kostete Tausenden von unschuldigen Zivilisten das Leben. Es ist paradox und eine Show der Scheinheiligkeit, dass wir, während Bomben auf die wehrlose Bevölkerung Afghanistans geworfen werden, von einem Bundesgericht in Miami zu langen Strafen verurteilt werden, weil wir versucht haben, Terrorakte zu verhindern, auf völlig friedliche Weise, nie haben wir Waffen benutzt oder das Leben von Menschen gefährdet. Die US-Regierung kann die Zerstörungskraft ihrer Waffen nutzen und im Namen eines angeblichen Krieges gegen den Terrorismus, der wohl eher ein Rachefeldzug zu sein scheint, Tausenden von Unschuldigen das Leben nehmen. Doch für diese Regierung hat Kuba, das mehr als vier Jahrzehnte Ziel von Angriffen war, nicht das Recht, friedlich Informationen über Terrorpläne gegen die Insel zu beschaffen, die auf US-Territorium unter den Augen der Behörden, die nichts dagegen unternehmen würden, geschmiedet werden. Das ist die Wahrheit, und so ist die Scheinheiligkeit und Doppelzüngigkeit der US-Regierung. Dies ist das politische Wesen unseres Falles. Und unter solchen Umständen wurden unsere Urteile verkündet, und durften wir unsere Erklärungen vor Gericht abgeben. Es war völlig klar, dass wir verurteilt und bestraft werden würden, nicht weil wir ein Verbrechen begangen hatten, sondern weil wir kubanische Revolutionäre sind. Der gesamte Prozess war darauf ausgelegt, die kubanische Mafia zu befriedigen, deren Repräsentanten im US-Kongress die ersten waren, die vom FBI von unserer Verhaftung informiert wurden; womit das politische Wesen des Falles bewiesen war. Es ist eine bekannte Tatsache, wie wir danach behandelt wurden: siebzehn Monate lang Isolation in einer Strafzelle aus der wir erst herauskamen, nachdem unsere Anwälte entsprechende Anträge gestellt hatten. Wenn ich heute, fünf Jahre später, noch einmal unsere Erklärungen vor Gericht nachlese, kann ich nur bestätigen, was jeder von uns gesagt hat, bevor er sein Urteil erhielt. Unsere Argumente gelten heute genauso, wie sie damals galten. Die Zeit verging seit Dezember 2001, die Entwicklungen, die folgten, und die Informationen, die in dieser Zeit ans Licht kamen, bestätigen, was wir in diesen, für uns so entscheidenden Tagen, sagten. Später sollten wir aus einer öffentlichen Erklärung von Hector Pesquera, dem Chef des FBI-Büros in Miami, erfahren, dass unsere Verhaftung erst durch seinen persönlichen Einsatz beim Justizministerium, gegen die Ansicht vieler FBI-Offiziere, möglich gemacht wurde. Diese Anstrengungen nahm er auf sich, um der kubanischen Mafia von Miami zu gefallen. Es gibt keine andere Erklärung. Das Magazin "Atlantic" veröffentlichte in der Ausgabe vom November diesen Jahres einen ausführlichen Bericht über die Fälle von Orlando Bosch und Luis Posada Carriles. Der Artikel, ein Ergebnis einer über sechs Monate dauernden Untersuchung, war von Ann Louise Bardach, die Posada Carriles 1998 interviewt hatte und eine Serie von drei Artikeln in der "The New York Times" über das Interview veröffentlichte, in dem Posada zugegeben hatte, die Bombenanschläge auf Hotels in Havanna ein Jahr zuvor organisiert zu haben, wofür er finanzielle Unterstützung von der kubanischen Mafia von Miami bekommen habe. In diesem neuen investigativen Bericht erklärt die Journalistin, dass FBI-Offiziere, die konkrete Informationen über Posada Carriles' Verantwortung für die Bombenanschläge hatten, von ihren Vorgesetzen die Anordnung erhielten, den Fall zu schließen, weil Posada Carriles für gewisse Gruppen in Miami ein "Freiheitskämpfer" sei. Bei den Anschlägen wurden Hotels in Havanna beschädigt und der italienischen Bürger Fabio di Celmo getötet. Genauso hat die höhere Befehlsebene dem FBI die Erlaubnis, Orlando Boschs Telefon abzuhören, verweigert und damit eine Untersuchung der kriminellen Pläne des Terroristen verhindert. Es ist eine bekannte Tatsache, dass Bosch immer noch im Lokalfernsehen von Miami auftaucht, wo er in Interviews öffentlich für die Anwendung von Gewalt gegen Kuba eintritt und ohne Gewissensbisse einen Terroranschlag gegen ein Flugzeug der Cubana de Aviación vor dreißig Jahren rechtfertigt, wofür er nie bestraft wurde. An dieser Stelle sollte ich einen unabdingbaren Exkurs machen. Es ist wahr, dass ich neben anderen Aufgaben zeitweilig die Beobachtung dieses Terroristen übernahm, aber um der wahren Geschichte die Ehre zu geben, sollte erwähnt werden, dass Gerardo für diese Aufgabe verantwortlich war, und er war derjenige, der die meiste Energie und Zeit für die Planung, Organisation und Durchführung aufbrachte. Es war Gerardo, der diese Mission lange Zeit durchführte, und es ist nur fair, das bekannt zu machen. Zurück zu den Informationen, die ans Licht gekommen sind und die Argumente bestätigen, die wir in unseren Erklärungen vor Gericht vorgebracht haben: die oben erwähnten Artikel, auf der Grundlage der Quellen der Journalistin im FBI-Büro von Miami, berichten, dass die Beamten dort angewiesen wurden, alle Fälle, die sich auf die Pläne cubano-amerikanischer Terroristen beziehen, zu schließen und sich auf die Suche nach kubanischen "Spionen" zu konzentrieren. Der gleiche Bericht liefert die Information, dass das FBI-Büro von Miami das Beweismaterial im Fall von Posada Carriles vernichtet hatte, nicht nur auf Anordnung des Chefs des Büros, sondern auch der des Justizministeriums. Berücksichtigt man Posada Carriles' terroristische Geschichte und die politische Atmosphäre nach den Ereignissen vom 11. September, kann die Vernichtung der Beweismittel in seinem Fall nur eine politische Entscheidung sein, die auf allerhöchster Regierungsebene gefällt wurde. Der Fall des Terroristen Luis Posada Carriles, die nachsichtige Behandlung, die er und seine Komplizen genießen, das Komplott der Behörden der Vereinigten Staaten, den Terroristen letztendlich freizulassen, ist bezeichnend für den Inbegriff an Scheinheiligkeit und Doppelzüngigkeit der US-Regierung in Bezug auf den Terrorismus, wenn es um Kuba geht. Es ist ebenfalls ein unwiderlegbarer Beweis für die politische Natur unseres Falles und die von der Regel abweichenden Strafen, die wir bekommen haben. Es wird auch bestätigt, was wir vor fünf Jahren in unseren Erklärungen vor Gericht gesagt haben, nämlich dass Posada Carriles während seiner Inhaftierung in Panama die Unterstützung der prominentesten Mitglieder der kubanischen Mafia von Miami erhielt. Heute wissen wir auch, wie Ann Louise Bardach aufdeckte, dass die drei cubano-amerikanischen Repräsentanten der Mafia im US-Kongress, unter Verwendung von Büromitteln mit dem Zeichen des Kongresses der Vereinigten Staaten, einen Brief an die damalige Präsidentin Panamas Mireya Moscoso geschrieben haben, sich für die Entlassung von Posada Carriles und der Terroristen, die gemeinsam mit ihm im Gefängnis saßen, einzusetzen. Diese Gesetzgeber, gewählt mit dem Geld und Einfluss der kubanischen Mafia von Miami schützen Terroristen: mit ihren offiziellen Positionen in der gesetzgebenden Abteilung der US-Administration gewähren Ileana Ros-Lethinen, Mario Diaz-Balart und Lincoln Diaz-Balart den antikubanischen Terroristen Schutz. Der Letztere nahm an einer lokalen Fernsehsendung in Miami teil, wo er die Idee verteidigte, den Chefkommandanten Fidel Castro zu ermorden. Nur in Miami und nur, wenn es um Kuba geht, kann ein Mitglied des Bundeskongresses derartige Statements abgeben, in denen die Ermordung eines Staatsoberhauptes eines anderen Landes verteidigt wird, ohne dass es irgendwelche Nachfragen hervorruft oder dass derjenige aufgefordert wird, sein Amt aufzugeben, oder verhaftet wird. Dies sind nur wenige der Entwicklungen und Informationen, die ans Licht gekommen sind und die die Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit unserer Erklärungen vor Gericht bestätigen sowie ihre Gültigkeit. Sie machen auch die Notwendigkeit unseres Aufenthaltes in Südflorida verständlicher. Wie ich im Dezember 2001 sagte, die Würde, die wir von unserem Volk und aus seiner Geschichte gelernt haben, hält uns zusammen, und die Wahrheit über unseren Fall gewinnt immer mehr an Boden, langsam aber beständig, dank der Mühen nicht nur des kubanischen Volkes sondern auch der von Hunderttausenden Freunden; ehrliche Männer und Frauen überall auf der Welt. Vor fünf Jahren, im Dezember 2001, wurden unsere Erklärungen vor Gericht von einer Richterin ignoriert, die beschlossen hatte, uns mit langen Strafen zu belegen. Obwohl sie alle Beweise über die Terror-Angriffe gegen Kuba hörte, konnte oder wollte die Richterin die historischen Gründe für den Kampf unseres Volkes noch unsere Position, die auf Würde und Ehre beruhte, verstehen. Die irrationalen Strafen, die sie uns auferlegte, machten sie bewusst oder unbewusst zu einem Instrument der kubanischen Mafia von Miami und deren Komplizen, den US-Behörden. Nichtsdestotrotz, unsere Argumente wurden von denjenigen gehört, auf die es wirklich ankommt, die Männer und Frauen in aller Welt, die heute unsere Kameraden in diesem Kampf sind. Gemeinsam mit dem kubanischen Volk, werden sie dafür sorgen, dass unsere Argumente, die wir in unseren Erklärungen vor Gericht vorbrachten, von anderen Menschen gehört werden, und alle zusammen werden den Weg für die Gerechtigkeit und für uns den Weg in unser Heimatland frei machen. Fernando González Llort
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