U.S. Penitentiary-Victorville, Kalifornien, 26. April, 2005
Liebe Josie und lieber Dirk,
ihr werdet sie später (ich meine zu spät) erhalten, aber trotzdem Grüße zum 1. Mai.
Ratet, was passiert ist. Ich schreibe während eines erneuten "lock down" [Zellenarrest]! Das ist noch das angenehmste an den "lock downs", da wir "Zimmer-Service" haben. Ich muss nicht einmal in den Speisesaal gehen und verbringe den ganzen Tag mit Schreiben und Schreiben, und versuche so, die vielen ausstehenden Briefe abzuarbeiten. ("Mission Impossible").
[Im folgenden geht er auf zwei Briefe ein, die er in seinem Stapel "Dringend", der sogar größer als der "Nicht Dringend" ist, gefunden hat]...
Keine Entschuldigung, ich werde es jetzt erledigen! (Wenn ich darüber nachdenke, habe ich diesmal doch eine gute Entschuldigung zusätzlich zu den bekannten Gründen für die Verzögerung: Wegen meiner Empörung über die "Posada-Carriles-Angelegenheit", von der ich sicher bin, dass ihr davon erfahren habt, habe ich einige Zeit damit verbracht, drei Cartoons zu zeichnen, um mich selbst zu "beruhigen". Ich habe in diesen Jahren nicht viel Zeit für meine Cartoons gehabt, weil es mir wichtiger ist, die Briefe zu beantworten, weiß ich doch wie sehr die Leute, meist Kinder, eine Antwort von uns wünschen und erwarten. Daher sind alle meine Cartoons aus dem Gefängnis die Antwort auf eine bestimmte Situation, wenn ich so wütend bin, dass ich an nichts Anderes denken kann. Das war diesmal passiert, und ich hoffe, dass ihr, wenn ihr diesen Brief lest, per e-mail oder von antiterroristas.cu zumindest zwei der Cartoons erhalten habt. Der dritte ist in Spanisch, und da ich mit Worten gespielt habe, hätte er auf Englisch nicht den selben Sinn.)
Ich kann mich durch Cartoons besser ausdrücken. Ich kann mit einem sagen (hoffe ich), wozu ich sonst viele Worte brauchte.
Ich habe die Folien deiner Rede erhalten (die du bei der Veranstaltung gezeigt hast) [gemeint ist die von Josie auf der José Martí Konferenz in Havanna im Oktober 2004] und auch die Flyer mit dem Titelblatt meines Buches und von "El Dulce Abismo" [Der sanfte Abgrund].
(Wisst ihr warum "El Dulce Abismo"? Es ist der Titel von Silvios [Rodríguez] Lied, aber wisst ihr warum [ausgerechnet] dieses Lied? Wenn nicht, sagt mir ob ihr ein vier Seiten langes Interview mit Adriana auf Spanisch lesen könnt - ich meine, ob ihr es übersetzt bekommt - wenn ja, schicke ich es euch). [...]
Habe ich euch schon erzählt, wie froh es mich macht, dass ihr unser Logo auf euren Briefen verwendet. Es macht mich froh, wenn ich sehe, dass es auf der ganzen Welt als Symbol unseres Kampfes verwendet wird, ein Symbol der wunderbaren Solidarität so vieler Freund, wie ihr. Vielen Dank.
Bezüglich "Unsere Zeit", fühle ich mich geehrt, dass sie bereit sind, eine halbe Seite für Artikel von uns bereitzustellen. Ich versuche, euch irgendwann, irgendwie etwas zu schicken.
Wenn ihr die Cartoons erhalten habt, und sie darüber berichten wollen, was mit Posada Carriles passiert ist, oder irgend etwas anderes, wäre es mir eine Freude, wenn sie sie dafür benutzen würden.
Ich bin nicht sicher, ob ihr die e-mail Adresse von Alicia Jrapko habt, sie könnte euch alle meine Cartoons und viele Fotos vom "Free the Five Kampf" schicken, da ihr Partner der Fotograf Bill Hachwell ist.
[Alicia hat uns inzwischen die Cartoons geschickt s.u.]
Wenn ihr diesen Brief bekommt, sind Bernie und Roberto sicher gerade mit unserem Dokumentarfilm "Mission gegen den Terror" auf Deutschland-Tour. Ich habe gehört, dass viele Leute der Vorführung in England und Irland beigewohnt haben.
Übrigens schreibe ich mich auch mit Elisabeth Dietze. Ihre Solidarität ehrt uns.
Auch Günter Belchaus und Renate und Ulrich [Fausten] haben uns geschrieben. Es war ein wichtiger Erfolg, die Unterstützung von Oskar Negt für unseren Fall zu gewinnen. Wir führen das auf eure ernsthafte und kontinuierliche Arbeit zurück, die ihr da ablegt.
Adriana hätte euch sehr gern in Genf getroffen, aber vielleicht klappt es beim nächsten Mal. Wie ihr wisst, war sie auch in Griechenland. Und mit Olga und Ivette in Spanien. Sie war sehr beeindruckt von der Unterstützung und der Solidarität, die sie erhalten hat. [...]
Ich wusste nichts von der Einladung an Mr. Klugh. Ich kenne ihn nicht persönlich. (Möglicherweise hat er an einigen Sitzungen während unseres Verfahrens teilgenommen, war aber nicht direkt involviert). Ich weiß aber, dass er ein sehr intelligenter Anwalt ist, und gute Arbeit bei der Berufung geleistet hat.
Ich glaube, es ist Zeit, diesen Brief zu beenden [...]
Grüße an alle unsere Freunde in Deutschland und anderen Ländern, zu denen ihr Kontakt habt.
Vielen Dank noch einmal, aber nie genug, für den großartigen Job, den ihr für die Unterstützung Kubas und der Cuban Five macht.
Mit einer revolutionären Umarmung der Fünf
Gerardo
¡Hasta la Victoria Siempre!