Was Genf wußte

AIN, 29. April 2003

Interview mit Olga Salanueva

(Quelle: Juventud Rebelde)

Adriana Pérez und Olga Salanueva, die Frauen von Gerardo und René, hatten kürzlich die Gelegenheit, vor der Menschenrechtskommission in Genf zu sprechen.

Hier sind einige Eindrücke, Ergebnisse und Genugtuungen während ihres Besuches bei dieser Kommission. Olga berichtet über die Ereignisse.

Von Deisy Francis Mexido

Photo: Franklin Reyes

"Vati, ich muß jetzt zur Schule" war die Nachricht, die die kleine Yvette am Morgen des 24. Aprils ihrem Vater übermittelte, als er anrief, um seiner kleinen Tochter zum Geburtstag zu gratulieren. Olga Salanueva, die Frau von René González, erzählt diese Geschichte vor dem nachfolgenden Gespräch mit Juventud Rebelde über die kürzlichen Ereignisse während ihres Besuchs in Genf gemeinsam mit Adriana Pérez, der Frau von Gerardo Hernández.

"Die Kommunikation ist sehr schwierig", sagt Olga. Dies ist eine der Konsequenzen der vergangenen Unterbringung der fünf in Strafzellen, aber wie gewohnt ist sie "guapa ahí", wie es ihr René vorschlägt, wenn sie einige Minuten miteinander telefonieren.

Olga und Yvette

- Was wußtest du über Genf?

Als wir ankamen berief Außenminister Felipe Pérez Roque, der dort war, um an der Session der Menschenrechtskommission teilzunehmen, eine Pressekonferenz ein. Er gab uns das Wort, als alle großen Mainstream-Medien anwesend waren. Das war das erste Mal, dass so viele Sender über unseren Fall berichten konnten, und wir brachten die wichtigsten Verstöße gegen die fünf zum Ausdruck.

Wir nahmen auch an einer Konferenz der Studentenvereinigung der Universität Genf teil, aber eine der größten Kundgebungen fand im Park der Vereinten Nationen statt.

- Warum?

Sieh ‘mal, dieser Platz wird der "zerbrochene Stuhl" genannt. Es gibt dort einen riesigen hölzernen Stuhl mit einem abgebrochenen Bein, der das Symbol für den internationalen Kampf gegen Landminen ist, die hunderte von Kindern verstümmelt haben. Man kann um Erlaubnis bitten, dort eine Kundgebung abzuhalten, und das hat man getan, für die Solidarität mit Kuba und speziell mit den fünf Helden.

Am aufregendsten war das Treffen mit den Solidaritätskomitees für die Fünf, die aus Spanien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Puerto Rico, Schweden und natürlich der Schweiz angereist waren. Es war eine gewaltige Kundgebung, und in Bezug auf unseren Fall sprachen alle die gleiche Sprache.

Wir wechselten dann in die Salle de Faubourg, wo über die Realität der Menschenrechte in Kuba gesprochen wurde, die Terrorakte gegen unser Land angeprangert wurden und Informationen über unseren Fall mitgeteilt wurden. Es wurden viele Fragen gestellt, hauptsächliche über die letzten Entwicklungen, die in unserem Land stattfanden.

- Was hat dich am meisten beeindruckt?

Am meisten beeindruckt hat mich, und nicht nur mich, sondern auch Adriana, die Erfahrung im Plenum. Wir konnten genau erkennen, wie sich die Vereinigten Staaten mit Lügen, Manipulation, Druck und Erpressung aufdrängen.

Ich wurde Zeuge der großen Spannung, die dort herrscht, und dem Zusammenwirken gegen verschiedene Nationen. Wie manche nur wegen ihres eigenen Vorteils sprachen, obwohl sie gar nicht genau wußten, worüber sie sprachen.

Ich glaube, es war ein großes Privileg, dass wir inmitten einer seltsamen Umgebung anprangern und unsere Stimme erheben konnten, direkt vor der Delegation der Vereinigten Staaten, ihnen klar zu machen, dass sie zweierlei Maß anlegen.

- Wie siehst du die Menschenrechte, aus deiner Sicht als Frau?

Ich stellte einige Fragen, einige davon nach Verstößen gegen uns und, zum Beispiel, fragte ich, warum man alte Mütter, deren Söhne lebenslange Strafen absitzen, daran hindert, diese zu besuchen. Warum man Frauen und Söhne daran hindert, regelmäßig einige Augenblicke bei ihren Vätern oder Ehemännern zu sein, egal wie schwierig die Bedingungen sein mögen. Und weshalb man Adriana und mir kein Visum ausstellt, wenn man bedenkt, dass Gerardo zu Unrecht zu zweimal lebenslänglich verurteilt wurde.

Ich habe auch angeprangert, wie meine Familie von Anfang an unter Druck gesetzt wurde, wie ich ins Gefängnis geworfen und dann aus den Vereinigten Staaten deportiert wurde, nur weil ich die Frau eines Kämpfers gegen den Terrorismus bin.

Die Reise nach Genf war eine große Genugtuung, zu einer Zeit als wir völlig verunsichert waren, zu der wir nicht wußten, was mit den Fünfen passiert. Sie waren ins "Loch" geworfen worden. Jedesmal wenn wir von den Lebensbedingungen im "Loch" erfuhren, konnten wir um so stärker vor dem Plenum in Genf auftreten.

- Erinnerst du dich an Gesichter der Nordamerikanischen Delegation?

Ich weiß nur, dass ich zu ihnen sprechen konnte, und sie hatten Gelegenheit, mir zuzuhören. Es war etwas, was ich lange in mir getragen hatte und was ich mit großer Erleichterung zu Ende bringen konnte. Ich erinnere mich, dass im Saal völlige Ruhe herrschte,

Normalerweise, wenn jemand zum Auditorium spricht, gibt es einige Repräsentanten, die nicht aufpassen und lieber schreiben oder sich unterhalten, aber in meinem Fall sahen alle auf mich während ich sprach. ich habe keinen Zweifel, dass sie sich sogar fragten, wer sich unterstehe, solche Sachen zu äußern.

Ich habe mit Entschlossenheit und bestimmt all meine Gedanken über René, über alle fünf, zum Ausdruck gebracht, und ich wußte, daß ich zu diesem Zeitpunkt nicht die Kontrolle verlieren durfte. Ich wiederhole, die Genugtuung beruhte auf der unglaublichen Gelegenheit, die Dinge zurecht zu rücken. Obwohl auch andere Mitglieder unserer Delegation von dem Fall sprachen, hatten wir einen warmen Empfang und erhielten die meiste Aufmerksamkeit, weil wir Verwandte waren.

- Wie kannst du den Besuch beschreiben?

Als sehr positiv. Als erstes die Ansprache im Plenum, Radiosendungen mehrerer Sender, Live-Interview für eine Radiostation in Uruguay und einen anderen Sender in Texas, wo Ramón festgehalten wird, wir veranstalteten einen Workshop wobei ein Statement verschiedener Nichtregierungsorganisationen verabschiedet wurde, unterschrieben von 30 Organisationen, bis zur letzten Minute, als wir die Schweiz verließen, konnte diese Zahl erhöht werden.

Darüber hinaus wurden Banner mit Informationen verteilt, und wir hielten einen Frauentreffen ab, dass von einem internationalen Frauensender ausgestrahlt wurde.

Wir übergaben verschiedenen Reportern Berichte: denen, die gegen Folter und grausame Behandlung arbeiten, denen, die für unabhängige Richter arbeiten und dem Chef der Gruppe gegen willkürliche Entscheidungen.

- Habt ihr irgendein Komitee gegründet?

Ja, in der Stadt Delemont, etwa 300 km von Genf entfernt. Wir waren davon tief beeindruckt. Das Treffen war für 20:00 Uhr angesetzt, und es war sehr kalt an dem Tag, man berichtete von 0°C, aber hunderte von jungen Leuten erwarteten uns.

- Wie war das Treffen mit Bertrand Rancharam, dem stellvertretenden hohen Kommissar für Menschenrechte?

Er war sehr entgegenkommend. Er hat uns geduldig zugehört. Wir gaben ihm gedrucktes Informationsmaterial, mit der Bitte es dem Hohen Kommissar für Menschenrechte zu übergeben, und nachdem wir alles erklärt hatten, meinte er, er könne am meisten in der Angelegenheit der Familienbesuche tun.

- Hast du in letzter Zeit mit René gesprochen?

Gestern Morgen hat er mich gebeten, ihn auf den neuesten Stand zu bringen, und das habe ich gemacht. Ich habe René von einem jungen Mann in Matanzas erzählt, einem Fallschirmspringer, der einmal Renés Schüler war. Dieser junge Mann war tief besorgt über René und er war überzeugt, dass René, wenn er wiederkommen würde, erneut Flugkapitän oder Fluglehrer sein würde. Als ich René von diesem Schüler erzählte, konnte er sich sofort an ihn erinnern und sagte mir: Ich kann mich an jeden einzelnen erinnern.

- Bist du noch zuversichtlich hinsichtlich seiner Rückkehr?

Natürlich, wie könnte ich nicht? Ich bin, und wenn ich Leuten wie Renés Schüler zuhöre, sogar noch mehr, aber, nebenbei gesagt, Optimismus ist eine unserer stärksten Waffen und Zuversicht auch, weil ich weiß, dass die Wahrheit auf unserer Seite ist. Wir haben niemals das Recht, müde zu werden. Die fünf geben uns genauso Kraft, wie die tägliche Haltung des Commandante en Jefe.

Dies ist ein Kampf, von dem wir nicht wissen, wie lange er dauert, aber ich glaube, wir werden ihn gewinnen, Tag für Tag, und es ist unsere Pflicht, jeden Tag etwas dafür zu tun.

- Was ist mit deiner Liebe?

Sie wächst täglich. Manchmal ist es mir peinlich, darüber zu sprechen, aber sie wächst täglich. René ist für mich gewachsen, und ich muß gestehen, ich weiß eigentlich nicht, wie groß meine Liebe zu ihm ist.

Deutsch: ¡Basta ya!

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