Bericht über die Prozeßbeobachtungfür die Berliner Rechtsanwaltskammer, den Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte Verein, die internationale Liga für Menschenrechte und Solidaritätskomitee "basta ya!"
im Verfahren gegen Gerardo Hernandez Nordelo u. a. vor dem 11. circuit court of appeals in Miami,
Das Verfahren sollte um 10.30 Uhr beginnen. Trotz der Bemühungen der Verteidigung war es für die internationalen ProzeßbeobachterInnen weder möglich, mit Vertretern des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft über den Fall zu sprechen, noch einen Platz zu reservieren, (etwa im sehr geräumigen vorderen Teil des Gerichtssaals). So mußten wir vor 8.30 Uhr erscheinen, um auf den eng gedrängten ZuschauerInnenplätzen (Bänke für ca. drei Dutzend Personen) Platz zu finden und hatten so das Vergnügen, auch an den vorangegangenen Verfahren teilzunehmen (u. a. einem Zivilverfahren wegen der Entschädigung von Verwandten einer jüdischen Familie, deren Besitz im 3. Reich im Rahmen der "Arisierung" enteignet worden war) für die die gleichen drei Berufsrichter zuständig waren.
Das Gebäude war weiträumig abgesperrt, Film- oder Fotoaufnahmen im Gebäude oder gar im Gerichtsaal waren verboten, es fanden strenge Kontrollen statt. Der Gerichtssaal ist riesig, teakholzgetäfelt, mit Vorhängen, die nur diffuses Tageslicht hereinlassen und großen Kronleuchtern. Das Gericht thront über der erhöhten Richterbank vor der US-Staatsflagge und der Gerichtsfahne. Zu Füßen des Gerichts der "register", daneben eine Bank mit mehreren JuristInnen, die den Berufsrichtern zuarbeiten, in gebührender Entfernung die Bank der VerteidigerInnen und der StaatsanwältInnen. Dieser "würdigen" Umgebung entsprach die Atmosphäre in der Verhandlung. Nachdem es zunächst geheißen hatte, die Verteidigung habe pro Angeklagten drei Minuten Redezeit, stellte sich dann in der Verhandlung heraus, daß dies nicht so eng gesehen wurde: Zunächst hatte die Verteidigung Gelegenheit, ihre wesentlichen Argumente vorzutragen, es folgten Nachfragen des Vorsitzenden und der beisitzenden RichterInnen, dann die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft mit ebenfalls entsprechenden Nachfragen. Insgesamt dauerte die Verhandlung dann eine knappe Stunde. Die Atmosphäre war ruhig und sachlich, eine konzentrierte juristische Debatte, zum Teil auf hohem Niveau, anhand der Verfassung und der Präzedenzfälle – im krassen Gegensatz zu der vorangegangenen Hauptverhandlung, die von BeobachterInnen als "Zirkus" bezeichnet worden war, mit dem Versuch insbesondere der kubanischen Exilgemeinde und interessierter Medien, auf das Verfahren massiv Einfluß zu nehmen, was zum Teil zu turbulenten Szenen geführt haben muß. Entgegen meinen Befürchtungen wurde die Verteidigung auch keineswegs wie in "Terroristenprozessen" bei uns, in der Türkei oder anderswo üblich als "Sympathisanten des Terrors" o. ä. diskriminiert, sondern mit angelsächsischer Höflichkeit behandelt, (wozu eventuell auch beitrug, daß die VerteidigerInnen den Eindruck vermieden haben, in der Öffentlichkeit das Gericht anzugreifen, sondern im Gegenteil im Vorfeld betont hatten, sie erwarteten von diesen qualifizierten Richtern eine entsprechende Änderung des Urteils der ersten Instanz.)
Die Verteidigung hat ihre Argumente konzentriert und schlüssig vorgetragen, zu den entscheidenden Punkten bei der Anfechtung des Urteils erster Instanz:
Auffällig war, daß die Berufsrichter besonders viele kritische Nachfragen an die Staatsanwaltschaft bei ihren Ausführungen zur Mordverurteilung hatten. Zwei Flugzeuge der "brothers to the rescue" waren abgeschossen worden, weil sie der Ankündigung und Warnung der kubanischen Behörden, nicht in kubanisches Territorium einzudringen, nicht Folge geleistet hatten - während eines mit dem Anführer der Organisation zurückgeflogen ist. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sollte die Mitteilung des Angeklagten an die kubanischen Behörden, über geplante Flüge der "brothers to the rescue" nach Kuba die kubanische Anweisung an den Angeklagten, nicht selber mitzufliegen, den Tatbestand der Mordverschwörung erfüllen. Dies schienen die Richter für schwer nachvollziehbar zu halten, sie fragten mehrfach bohrend nach, "what did he do?".
Die Entscheidung des Gerichts über die Berufung ist innerhalb der nächsten 90 Tage zu erwarten, unter Umständen kann es jedoch auch länger dauern. Das Urteil ist gegebenenfalls für jede der beiden Parteien anfechtbar, entscheiden würde dann das Plenum des 11. circuit court of appeals von insgesamt 12 BerufsrichterInnen. In dem Zusammenhang zwei Hinweise: das Committee hatte mit großer internationaler Unterstützung am 03.10.04 eine ganzseitige Annonce in der New York Times plaziert unter der Überschrift "Can you be imprisoned in the United States for opposing terrorism? Yes, if you oppose terrorism in Miami." (vgl. Attachment) Der Fernsehjournalist Marcel Kolvenbach (u.a. Beiträge für Monitor und Autor des Dokumentarfilms über Bacardi "Das Geheimnis der Fledermaus", der auch von arte ausgestrahlt wurde,) hatte uns begleitet, um einen Film über den Fall der Cuban Five zu drehen.
PS: Hinweis auf weitere Veranstaltungen - der Rechtsanwalt Len Weinglass wird nach Europa kommen unter anderem am 20.04.04 bei der Gesellschaft zum Schutz für Bürgerrechte und Menschenwürde in Berlin sprechen, sowie am 21.04 auf Einladung der Berliner Rechtsanwaltskammer zum Thema "US – Strafjustiz und Rechtsstaatlichkeit am Beispiel der "Miami5" und am 22.04 an der Humboldt-Universität Berlin unter dem Titel "Guter Terror, Schlechter Terror – Der Fall der Miami 5".
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