Ausschnitte aus einem Interview mit Irma Sehwerert, der Mutter von René González Sehwerert - der scheidenden Abgeordneten der Kubanischen Nationalversammlung - und Magalis Llort, der Mutter von Fernando González Llort und gerade gewählten AbgeordnetenVon Arnold August24. Januar 2008
Arnold August: Wie wurden Sie zur Abgeordneten nominiert?
Irma Sehwerert: In meinem Fall war es so, dass ich von Massenorganisationen als herausragende Persönlichkeit in der ‚Schlacht der Ideen' um die Rückkehr der fünf kubanischen Helden nominiert wurde. Das ist ein Sitz in der Kubanischen Nationalversammlung. (Anmerkung: In der Kubanischen Nationalversammlung gibt es Sitze für herausragende Persönlichkeiten aus jedem Wirkungskreis der Gesellschaft und bis zu 50 % der Sitze für gewählte Abgeordnete sind für vom kubanischen Volk in den Gemeindeversammlungen direkt nominierte und gewählte Bürger vorgesehen.) Arnold August: Wie haben Sie von dem Vorschlag erfahren? Irma Sehwerert: Die Kandidatenkommission spricht die Person an und sagt: "Sehen Sie, wir überdenken gerade Ihren Fall unter den verschiedenen Vorschlägen, die wir in Betracht ziehen müssen." Sie ziehen die persönlichen Fähigkeiten in Erwägung und wenn es keine Schwierigkeiten für die Teilnahme gibt, dann beginnt der Beratungsprozess, denn ein Vorschlag wird mit vielen Personen beraten. Die Moral und die Familienangelegenheiten des Kandidaten werden begutachtet, die Arbeit, die sie/er verrichtet, die Verdienste, die sie/er hat, denn es gibt wirklich Abertausende von Kubanern, die aufgrund ihres Verhaltens das Recht hätten, dort zu sein und einen Sitz in der Nationalversammlung zu halten. Aber es gibt nur 614 Sitze, und es ist keine leichte Aufgabe für die Kandidatenkommission. Arnold August: Haben die Delegierten und Abgeordneten täglich Kontakt mit den Leuten in ihrer Gemeinde? Irma Sehwerert: Ja, das bereichert die Nationalversammlung sehr, denn die Probleme werden dort besprochen. (Anmerkung: Seit den Wahlen von 2003 ist Irma Sehwerert ein Mitglied eines der Dauer-Ausschüsse oder ständigen Kommissionen der Kubanischen Nationalversammlung, dem Ausschuss für Jugend, Kindheit und die Gleichberechtigung der Frauen). Die Arbeit der Ständigen Kommission erstreckt sich auf das ganze Jahr. Arnold August: Sie waren, seit Sie vor fünf Jahren gewählt wurden, Mitglied der Nationalversammlung. Wie werden Ständige Kommissionen gebildet? Und in Ihrem Fall, wie wurden Sie als Teilnehmerin für die Ständigen Kommissionen vorgeschlagen? Irma Sehwerert: Die Kommissionen sind unterteilt, weil sie aus Spezialisten zusammengesetzt werden wüssen. Wenn es um die Kommission für rechtliche und gerichtliche Angelegenheiten geht, sollten Juristen darin sein, ich meine Personen, aus diesen Wissensgebieten, und es sollten Leute aus der Gemeinde darin sein. Ich wurde wegen meiner Gemeindearbeit gewählt. Ich habe lange Zeit in der Prävention gearbeitet, zuerst im Bund kubanischer Frauen (FMC) und später im Komitee zur Verteidigung der Revolution (CDR). Ich mag präventive Arbeit sehr. In dieser Arbeit geht es darum, Probleme von Kindern aufzufangen, die Verhaltensstörungen haben und in Verhaltensschulen sind. Sie besuchen besondere Schulen. (Anmerkung: Verhaltensschulen werden von den Kindern besucht, die ein soziales Verhalten aufweisen, das nicht mit unseren Verhaltensnormen übereinstimmt oder die Probleme im Erziehungsprozess aufweisen. Diesen Kindern wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, um ihnen zu helfen, aus ihrer Situation herauszukommen.) [Auch in Deutschland gibt es bekanntlich Sonderschulen für verhaltensgestörte Kinder, Anm. d. Ü.] Ich habe diese Art von Arbeit immer sehr geliebt und sie auch immer ausgeübt. Ich war ehrenamtliche Sozialarbeiterin. Arnold August: Waren Sie nach Ihrer Pensionierung ehrenamtliche Sozialarbeiterin? Irma Sehwerert: Nein, es war, bevor ich pensioniert wurde. Seit 1963 begann ich als freiwillige Sozialarbeiterin zu arbeiten. Ich habe in einem Institut für Fischereiforschung als Bibliothekarin in der Fachabteilung gearbeitet und an den Sonntagabenden meine freiwillige Sozialarbeit geleistet. Ich habe meine Arbeit sehr gemocht. Als es bekannt wurde, dass ich jahrelang die selbe Arbeit getan hatte und dass ich die Begabung dafür hatte, wurde ich ausgewählt. Das geschieht so, weil es dann eine Biographie über die Dinge gibt, die du gemacht hast und auf welche Weise du zum Wohl deines Landes beigetragen hast, und dann wurde ich wegen meiner Gemeindearbeit in diese Kommission gewählt. Die Ständige Kommission für Jugend, Kindheit und Gleichberechtigung der Frauen stand unter dem Vorsitz von Vilma Espín, Elsita war Geschäftsführerin. Sie ist Mitglied des Bundes Kubanischer Frauen. Der Präsident der Organisation für Pioniere (UPC) nahm auch daran teil und ist gleichzeitig Vizepräsident der Ständigen Kommission. Diese Kommission bestand außerdem noch aus 30 weiteren Personen. Arnold August: Könnten Sie einige Beispiele für die Arbeit der Kommission in ihrer letzten Legislaturperiode nennen? Irma Sehwerert: Zunächst müssen wir einen Semester-Arbeitsplan erstellen. In der ersten Versammlung werden uns die Semester-Arbeitspläne aus den Provinzen übergeben, und wir besuchen viele Kindertagesstätten, um die für die Kinder zur Verfügung stehenden Gegebenheiten zu überprüfen, die Ernährung, den Gebäudezustand und die Leute, die für sie sorgen, deren kulturelles Niveau und ob sie den Erfordernissen entsprechen können. Die Arbeit wird gemeinsam mit Jugendlichen und den Jugendinitiativen ausgeübt. Ich war Abgeordnete während der schlimmsten Zeit in der Spezialperiode. Wir mussten feststellen, ob die Kinder Gemüse aßen, genug Vitamine bekamen. Tatsächlich ging es um solche Sachen. Arnold August: Wie wird das getan? Irma Sehwerert: Also, ich komme unangekündigt in die Kindertagesstätte. Arnold August: Innerhalb des ganzen Landes? Irma Sehwerert: Innerhalb des ganzen Landes. Alle Kommissionen arbeiten so. Wir konnten natürlich nicht alle Kindertagesstätten besuchen, aber viele von ihnen. Danach, innerhalb des selben Semesters, mussten wir Grund- und Sekundarschulen besuchen. Eine der Schwierigkeiten, die wir vorfanden, war, dass die Kinder der Sekundarschule ganze Nachmittage ohne Beschäftigung waren, sodass sie nach Hause kamen, während ihre Eltern noch studierten oder arbeiteten. Damit beginnt die Arbeit des Nationalparlamentes. Wir können einen Beschluss erwirken, dass diese Kinder 8 Stunden in ihren Schulen bleiben müssen. Solche Beschlüsse erreichen wir. Wir haben diese Arbeit für Grund- und Sekundarschulen geleistet. Wir besuchten Verhaltensschulen, viele, viele Verhaltensschulen in der Provinz Camagüey. Ich hatte die Gelegenheit, an einer so großartigen Arbeit mitzuwirken wie der in den Verhaltensschulen mit einer Gruppe von Kollegen aus den östlichen Provinzen. Wir arbeiteten alle mit ihnen zusammen hier in Havanna Stadt. Arnold August: Kamen Sie zur Beratung in die Kommission? Irma Sehwerert: Sie kamen zur Beobachtung, zum Meinungsaustausch, zum Vergleichen hier her, tatsächlich, um zu sehen, was hier passiert, um die Erfahrungen von hier mitzunehmen und sie dort anzuwenden. Die letzte Arbeit, die wir verrichteten, war auch gut. Sie bestand darin zu sehen, wie die Präventivkommission der Gemeinde arbeitet. Wir besuchten die Gemeinden. Wir sprachen mit Leuten in den Gemeinden und befragten sie über das Kind, das Schwierigkeiten hatte, und ob sie oder er einem Psychologen zur Untersuchung vorgestellt worden sei etc. Wenn wir dann in der nächsten Arbeitskommission zur festgelegten Zeit zusammenkommen, sind alle Berichte fertig. Wir können auch vor der festgelegten Zeit zusammenkommen. Es gab beispielsweise eine Zeit, in der Vilma Espín wegen der Notwendigkeit einer Analyse des kubanischen Familienrechtes zu einem Sondertreffen einlud. Die Kommission kann so oft zusammenkommen, wie es erforderlich ist, doch offiziell sind die Treffen auf alle sechs Monate angelegt. Alle Kommissionen arbeiten so, und wir überprüfen uns während des halbjährigen Zeitraums. Es wird festgestellt, wie die Arbeit voranschreitet. Wenn wir unsere Arbeit beendet haben, macht jeder einen Bericht und sie werden an die entsprechenden administrativen Behörden geschickt. Wenn es zum Beispiel ein Problem mit der Erziehung/Ausbildung gibt, muss der Minister zu den Treffen kommen. Arnold August: Der Erziehungsminister muss an dem Treffen der ständigen Kommission teilnehmen. Ist das richtig? Irma Sehwerert: Ja, so ist es. Wir müssen den entsprechenden Regierungsminister über das Geschehen unterrichten und dann muss er/sie die Verantwortung für die Angelegenheit übernehmen oder ein Mitglied der Ständigen Arbeitskommission oder der für Erziehung muss kommen, wenn es ein Problem im Bereich Erziehung gibt. Arnold August: Könnten Sie ein Beispiel nennen? Irma Sehwerert: Ich werde Ihnen ein Beispiel bringen. Es wurde in der Nationalversammlung eine Idee im Zusammenhang mit der Kultur im Gefängnis vorgestellt, und ich stellte eine Idee von INDER (Nationale Einrichtung für Sport, Körperkultur und Erholung) vor, mit der ich darauf hinwies, dass es in den Verhaltensschulen an sportlichen Aktivitäten fehle und dass diese Aktivitäten dort eingerichtet werden sollten. Silvio Rodríguez, unser kubanischer Sänger und Liedermacher, stellte eine Idee für künstlerische Aktivitäten vor. Zurzeit gibt er verschiedene künstlerische Vorstellungen im ganzen Land. (Anmerkung: Sie bezieht sich auf verschiedene künstlerische Aktivitäten, die Silvio Rodríguez in Gefängnissen vorstellt.) Ich erhielt auch eine Antwort auf meine Idee. Bei der Sitzung der Nationalversammlung im vergangenen Dezember kam der Präsident von INDER, ging auf mein Anliegen ein und darauf, was davon verwirklicht worden sei. Am nächsten Tag stellten Silvio Rodríguez und ich unsere Ideen in der Nationalversammlung vor. Ricardo Alarcón, der Präsident der Nationalversammlung, schickte den entsprechenden Ständigen Kommissionen der Nationalversammlung zuerst an die Gesundheits- und Sportkommission und dann an die Kommission für Erziehungs-, Kultur-, Wissenschafts-, Technologie- und Umweltkommission, eine offizielle Stellungnahme mit dem Auftrag, einen vollständigen Arbeitsplan dafür zu erstellen. Ich bemerkte, dass die Arbeit Fortschritte machte, denn als ich in die Verhaltensschulen kam, sagten die Leute dort zu mir: "Sie kamen hier mit Baseball-Ausrüstung an, die Baseball-Lehrer sind hier." Ich meine, das ist das Ergebnis der Arbeit der verschiedenen Kommissionen. Sie war fruchtbar, weil jeder darum besorgt war. Arnold August: Wie wurde Ihr ursprünglicher Vorschlag dazu vorgestellt? Irma Sehwerert: Er wurde direkt Alarcón, dem INDER-Präsidenten und dem Ministerium für Kultur vorgetragen. Weil Alarcón Präsident der Nationalversammlung ist, muss er dafür sorgen, dass alles korrekt ausgeführt wird. Arnold August: Wo wurde der Vorschlag vorgestellt? Irma Sehwerert: Ich habe den Antrag öffentlich gemacht und in der Nationalversammlung vorgestellt. Ich hob die Hand und sagte, worum es geht. Ich hatte es zuerst in meiner Ständigen Arbeitskommission diskutiert, aber ich war damit noch nicht restlos zufrieden. Ich wollte auch den Präsidenten der Nationalversammlung davon in Kenntnis setzen, dass es um eine sehr wichtige Angelegenheit gehe, die wir als einen Bestandteil der Prävention und kulturellen Arbeit in die Tat umsetzen müssten. Silvio Rodríguez tat in der Nationalversammlung im Juli 2007 das selbe wie ich. Sofort danach, am nächsten Tag, dann, wenn die Bestätigungen/Einverständniserklärungen verschickt werden, schrieb Alarcón eine Note an Abel Prieto, den Kulturminister, den Antrag bitte aufmerksam zu verfolgen. Sie wurde auch an INDER geschickt. Sie fingen sofort an zu arbeiten. Dann war es so auf dieser Versammlung, als alle verantwortlichen Leute versammelt waren, die Regierungsvertreter, die von INDER, MININT (Innenministerium) einschließlich der Verantwortlichen für Gefängnisse, also, alle waren da, und sie boten ihre Verantwortungsübernahme für unseren Antrag an. Arnold Augst: Auf wen bezogen sie sich? Irma Sehwerert: Auf mich persönlich. Es war unglaublich. Ich frage mich, wie in aller Welt ... Denn ich war es, die es vorgestellt hatte, aber es hätte auch ein Abgeordneter der Gemeinde, jeder andere sein können und der entsprechende Minister muss dem Delegierten sagen: "Du warst im Recht oder Du warst es nicht." Ich glaube, dass es nirgendwo auf der Welt so gehandhabt wird. Ich war überaus zufrieden damit. Ich war selbst überrascht, weil ich nie gedacht hätte und nicht einmal wusste, dass Alarcón es so schnell und mit der Bedeutsamkeit in Auftrag gab. Ich ging zu den Gefängnissen, und sie sagten mir: "He, ein Baseball-Lehrer wird hier her kommen, wir organisieren gerade Baseball-Teams und ein wichtiges Baseball-Spiel", daher fragte ich mich: Was geht hier vor? Alles funktionierte, in Gang gesetzt von höchster Ebene, der Nationalversammlung. Arnold August: Dann ist das also unter anderem ein Beispiel dafür, wie das Kubanische Parlament arbeitet? Irma Sehwerert: Unglaublich, unglaublich. Das sag' ich Ihnen. Ich war wirklich selbst erstaunt, ich sage Ihnen, dies ist ein System, dass es sich nicht leisten kann zu versagen. Was könnte uns noch zum Scheitern bringen? Ob Mann oder Frau. Was uns zum Scheitern bringen könnte, wäre die fehlende Courage eines Mannes, wenn er es nicht wagte, seine Hand zu heben und zu sprechen. Aber ich spreche oft auf Versammlungen, ich tue es oft und manchmal werde ich auch verlegen, denn einmal stellte ich eine Idee vor, und es war Carlos Lage, der darauf antwortete. Ich sprach über das Energieprogramm. Arnold August: Auf welcher Sitzung war es? Irma Sehwerert: Es war im Dezember 2006. Ich war besorgt wegen des Energieprogramms und Carlos Lage ... Arnold August: Worüber waren Sie besorgt? Irma Sehwerert: Es war wegen der Elektrogeräte, es ging um die Energierevolution und Carlos Lage gab mir eine Antwort von unglaublicher Bescheidenheit. Ich war wirklich sehr verlegen, dass ein Mann wie Carlos Lage, der so viele Probleme zu bedenken hat, wegen einer einfachen Sache, nach der ich ihn gefragt hatte, so besorgt war. Ich kann Ihnen wirklich sagen, es gibt in der Welt keinen demokratischeren Prozess als diesen. Arnold August: Könnten Sie mir einige Ihrer Aufgaben als Abgeordnete erklären? Irma Sehwerert: Ich wurde Abgeordnete der Arroyo Naranjo Gemeinde. (Anmerkung: Arroyo Naranjo ist eine der 15 Gemeinden in der Provinz der Stadt Havanna.) Ich nahm an den Versammlungen der Arroyo Naranjo Gemeinde teil und stand das ganze Jahr über mit der Gemeindeversammlung als eine ihrer Sprecherinnen in Kontakt. Ich nahm auch an der Havanna-Stadt-Provinz-Versammlung als Sprecherin teil. Da habe ich das Recht zu sagen, was ich möchte, ich meine, ich verliere nie den Kontakt zur Gemeinde. Ich arbeite das ganze Jahr über. Ich muss arbeiten, lernen und Dinge herausfinden und habe das Recht zu sagen: Ich bin eine Abgeordnete, hier gibt's ein Problem, und sie müssen mir zuhören. Ein Direktor, ein Minister, ein Vizeminister - sie müssen einem zuhören und müssen Rede und Antwort stehen, und außerdem besteht sogar die Verpflichtung, das so zu tun. Ich denke wirklich, dass es nichts Besseres geben kann. Arnold August: Ihre Beschreibung von Verantwortlichkeiten und Aufgaben, der Art, wie Ihre Ständige Kommission arbeitet und Ihre Einstellung als Abgeordnete entspricht dem, was mir von den Präsidenten der anderen Arbeitskommissionen in der Nationalversammlung, die ich interviewt habe, gesagt worden ist. Ich bin wirklich beeindruckt von alledem. Gibt es noch andere Beispiele dafür oder sind das die wichtigsten? Irma Sehwerert: Ja, es gibt sie. Meine Kommission, die Ständige Arbeitskommission der Nationalversammlung für Jugend, Kindheit und Gleichberechtigung der Frauen, kümmert sich um die gesamte Sozialarbeit. Ich mache sie auch in der Nachbarschaft. Es ist eine Arbeit, die ich systematisch weiterentwickle. Es ist sehr leicht für mich, alle Probleme kennenzulernen. Ich bin in Schulen gegangen, habe mit Direktoren gesprochen und beobachte alle Probleme. Wir behandeln dauernd Fälle von verschiedenen Einrichtungen und reisen die ganze Zeit durch's Land bis zum 24. Februar 2008, wenn meine Arbeit beendet ist. Allerdings werde ich danach in meiner Gemeinde weiter arbeiten. Ich habe ein Projekt, womit ich gerade anfange zu arbeiten. Es geht um Kultur, und ich bin in diesem Projekt, das ich gerade entwickle, sehr engagiert. Arnold August: Und Ihre Erfahrung, Magalis Llort, wie ging Ihre Nominierung für die Wahlen am 20. Januar 2008 vonstatten? Magalis Llort: Massengemeindeorganisationen, genauer gesagt, die aus Arroyo Naranja, schlugen mich vor. Von da schlug mich eine Person vor, weil ich in der Diez de Octubre - Gemeinde wohne. (Anmerkung: Es ist einer der 15 Bezirke von der Havanna-Stadt-Provinz.), eine Gemeinde, die an Arroyo Naranjo angrenzt, und ich wurde von Arroyo Naranjo nominiert. Ich bin sehr stolz darauf, weil ich denke, es gibt kein demokratischeres System als unseres, besonders dann, wenn wir unsere Art der Wahlgänge beobachten, das Stimmrecht unserer Leute, die Art, wie unsere Leute die Auszählung der Stimmen beobachten können. Ich denke, wir sind stolz zu wissen, dass unsere eigenen Leute ihre Vertreter wählen, doch gleichzeitig können sie auch an der Auszählung der Stimmen teilnehmen und beobachten, wie das ganze Stimmabgabesystem aussieht. Arnold August: Am vergangenen 20. Januar war ich als Ausländer bei den Wahlen anwesend. Ich war dort von Anfang bis Ende, bis ich die Auszählung der Stimmen beobachten konnte. Es gibt kein Land, das bei diesem Vorgang so transparent ist. Magalis Llort: Das ist es genau, was ich betonen wollte: die Transparenz unseres Stimmabgabesystems und der Wahlen. Trotzdem wird dieser Vorgang international nicht verstanden. Ich glaube, dass nirgendwo auf der Welt ein demokratischeres System für die Wahl der Nationalversammlung, der Delegierten und Abgeordneten existiert. Nirgendwo auf der Welt nehmen die Bürger an der Auszählung der Stimmen teil, an dem Vorgang der Öffnung der Wahlurnen vor ihren Augen und sehen in der Praxis, wie es geschieht. Aus diesem Grunde sind wir so stolz zu wissen, dass wir ausgewählt wurden. Wir denken, es ist das Ergebnis der Meinungsbildung der Leute, speziell über jeden von uns, die Stimme des Vertrauens, die uns gegeben wurde und dass wir fähig sein werden, die Aufgaben, die die Gesellschaft uns abverlangt, anzugehen. Unsere Position stellt eine Verantwortlichkeit in der Nationalversammlung dar. Arnold August: Die neue Legislaturperiode soll am kommenden 24. Februar beginnen. Ist das richtig? Magalis Llort: Es wird am 24. Februar eine Sitzung der Nationalversammlung geben. Es gibt amtierende Abgeordnete und einige andere, neue wie ich, die zum ersten Mal einen Sitz im Parlament einnehmen. Es ist ein Parlament, in dem beide Geschlechter vertreten und in dem vor allem Frauen gut repräsentiert sind. Arnold August: Zurzeit gibt es 42 weibliche Abgeordnete, das entspricht 16%. Das macht das kubanische Parlament zum dritten in der Welt mit diesem Anteil. Könnten Sie mir bitte Ihre Meinung zu diesem bedeutsamen Fortschritt sagen? Magalis Llort: Ich glaube, es hängt mit der Philosophie unseres Landes zusammen. In anderen politischen Systemen ist die Frau dagegen diskriminiert, und es wird dort nicht in Betracht gezogen, dass Frauen den gleichen Wert, gleiche Intelligenz und Voraussetzungen einbringen können, wie sie die Männer besitzen. Wir geben unseren Mädchen von klein auf die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie unseren Jungen. Frauen haben Zugang zum Studium, ein Universitätsdiplom zu erwerben, zu studieren, was sie wollen und sich intellektuell zu entwickeln. Es ist unlogisch, die menschliche Stärke in so vielen notwendigen Dingen nicht zu nutzen und sie stattdessen zu diskriminieren. Dann ist es logischerweise wichtig, wenn Frauen die treibende Kraft in der Sozialarbeit sind, dass sie die Gesellschaft auf der Ebene der Nationalversammlung vertreten können. Irma Sehwerert: Ich denke, dieser Fortschritt hängt wesentlich mit der gesellschaftlichen Entwicklung zusammen. Wir haben jedes Mal ein paar Frauen mehr, die Minister werden. Die Präsidenten der Nationalen Wahlkommission und der Nationalen Kandidatenkommission sind Frauen. Allerdings sind wir noch nicht zufrieden damit, und wir wollen immer noch ein Bisschen mehr, haben aber auf diesem Gebiet wirklich schon eine Menge erreicht. Arnold August: Ist Ihrer Meinung nach die Anhebung der Zahl der Frauen in diesem Jahr innerhalb der Nationalversammlung ein Tribut an Vilma Espín? Magalis Llort: Natürlich, ich glaube, wir werden keine größere Symbolfigur haben als Vilma, die jahrelang, angefangen in den Bergen der Sierra Maestra, bis zu den letzten Tagen ihres Lebens kämpfte. Wenn die kubanischen Frauen genau den Platz erhalten haben, den sie in unserer Gesellschaft einnimmt, ist das ein Ergebnis, das bis zu einem hohen Grade auf Vilmas Versuche, die Schranken zu durchbrechen, die gegen Frauen bestanden, zurückzuführen ist. Ich halte es für inakzeptabel, dass sich das Land auf allen Gebieten entwickelt, während die Frauen von diesem Prozess ferngehalten werden. Wir Frauen sind genau die, die mehr Urteilsvermögen über die Belange der Bevölkerung haben, weil wir diejenigen sind, die mehr damit befasst sind, obwohl Männer ..., einige Männer haben eine etwas andere Meinung. Dennoch, der Gipfel des männlichen Chauvinismus ist schon weit überschritten. Viele Barrieren sind durchbrochen und natürlich gibt es noch andere, die durchbrochen werden müssen. Aber Frauen sind zu Hause immer von größerer Wichtigkeit, in der Hausarbeit, und wir beobachten täglich die Situation der Leute auf der Straße, das Leben und die Bedingungen, denen sich Frauen stellen müssen. Ich denke, das hilft, bessere Ideen einzubringen, für Kinder, für die Allgemeinheit, für die anderen Frauen, was die Dienstleistungen betrifft, die das Potential der Frauen freisetzen könnten, was Frauen bei der Aufzucht von Kindern leisten können. Ich denke, dass die Rolle, die die Frau spielen muss, in jedem Moment sehr wichtig ist. Arnold August: Haben Sie ähnliche Erfahrungen wie Irma gesammelt? Sind Sie an der Arbeit in einer der Ständigen Arbeitskommissionen interessiert? Magalis Llort: Ich möchte daran arbeiten, wovon die Leute denken, dass ich dafür nützlich sein könnte. Ich werde keine Prioritäten setzen, weil ich glaube, dass Leute an ihrem jeweils entsprechenden Platz sein sollten. Dann werde ich mit Disziplin die Rolle, welche es auch sein wird, annehmen, von der ich denke, dass ich genügend dafür geeignet bin, um sie gut auszufüllen. Arnold August: Bis jetzt hat die Regierung der Vereinigten Staaten fünf kubanische Männer in ihrem Land gefangen gehalten. Es ist ein Racheakt. Das ist das Wort, das Alarcón wählte. Ich stimme ihm zu. Seit dem Sieg der Revolution, hat Washingtons Politik versagt. Die Revolution konnte nicht ausgelöscht werden, noch der Geist der Loyalität der fünf Helden. Jetzt hält Washington die fünf Helden als Geisel. Das ist der negative Part. Ich erwarte, dass es sich zum Positiven ändern wird und sie zurückkommen werden. In diesem Jahr wird das für den Fall verantwortliche Richtergremium ein Urteil fällen, das zugunsten eines neuen Prozesses und der Befreiung der fünf Helden ausfallen könnte. Kann man dennoch sagen, dass es wegen dieser Situation auch etwas sehr Positives gibt, das aus Washingtons Arroganz hervorging? Sozusagen, dass Sie unter anderem mehr als je zuvor als Abgeordnete in der Revolution engagiert sind, so weit, dass sie mehr denn je zur Revolution und deren Erfolg beitragen? Was meinen Sie dazu?
Irma Sehwerert: Ich denke, es gibt den Heroismus unseres Volkes. Sie sprechen über die fünf Helden, aber wohin sie auch in Kuba gehen, sie werden den gleichen Heroismus finden. Das Beispiel der 91% bei der vereinten Stimmabgabe (Anmerkung: Wahlen am 30. Januar 2008) mit all den Schwierigkeiten und wirtschaftlichen Problemen, die wir haben, aber wenn wir dann in der Praxis anstehen (Anmerkung: in der geschlossenen privaten Abstimmung: mit den Füßen und den Stimmen), allein mit unserem Gewissen und dem leeren Stimmzettel in der Hand, tun wir es nicht für die Revolution, denn es gibt nichts besseres als die Revolution. Ich respektiere, was sie sagen (Anmerkung: über die fünf Helden). Es stimmt. Sie opfern sich. Ich sprach gestern mit René und er ist erfreut, glücklich. Ich sagte ihm: "Mein Sohn, es gab 91% Stimmabgaben für die Vorschlagsliste und 96% der Wahlberechtigten in unserer Gemeinde gaben ihre Stimme ab." Arnold August: Ich stimme Ihnen zu, dies ist eine wichtige Arbeit, doch es ist das kubanische Volk und sein System, das mich dabei sehr ermutigt. Deutsch: ˇBasta Ya! (jmb)
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