Unzerstörbare Moral und unverwüstlicher Optimismus hinter den Mauern von "New RocK"Am Sonnabend den 31. Juli und Sonntag den 1. August 2004 konnten wir Gerardo Hernández, einen der fünf kubanischen politischen Gefangenen in Gefängnissen der USA, im Höchstsicherheitsgefängnis in Lompoc, Kalifornien, besuchen.Von Katrien Demuynck und Marc Vandepitte
Gerardo steht während seiner zweimal lebenslänglichen Haftstrafe nur das Recht zu, im ganzen 10 verschiedene Besucher empfangen zu dürfen. Die Leute kommen auf eine Liste und dürfen die Gefangenen dann unter eingeschränkten Bedingungen besuchen. In diesem Moment stehen schon 9 Menschen auf dieser Liste. Wir wollten aber ganz sicher nicht den letzten Platz auf der Liste in Beschlag nehmen, die Freunden und Familienangehörigen zusteht. Außerdem ist es wegen der sehr hohen Kosten nicht wahrscheinlich, dass wir diese Art von Besuch regelmäßig machen können. Also baten wir um eine Ausnahme-Besuchsgenehmigung. Schließlich war dies nicht anders möglich, um nicht auf die Besucherliste selbst eingetragen zu werden. Es brauchte um die zweiundeinhalb Monate und viel Glück. Wir schickten die dazu nötigen Dokumente zweimal nach Lompoc und riefen wohl zwanzigmal im Gefängnis an. Beim letzten Mal hatten wir vermutlich mit dem Vorsteher der Einheit C gesprochen, in der Gerardo einsitzt. Unsere Gesprächspartner gaben sich fast nicht zu erkennen. Sie sagten uns, dass sie von der Sache schon wüssten. Das ist logisch, denn die beiden Anträge waren an das Gericht gestellt worden. Er erwähnte auch, dass er die Antwort auf den Antrag kenne, aber dass Gerardo wohl selbst anrufen sollte. Das letzte klang ganz absurd. Unsere Telefonnummer steht nicht auf der - schon so begrenzten - Liste, mit der ihm erlaubt ist, Kontakt aufzunehmen. Aber gut, das hat er dann mit etwas Erfindungsgeist gelöst. Als ich Adriana mitteilte, dass wir die Zusage hatten, war ich ein bisschen unsicher. Sie wusste natürlich schon von unserer Anfrage. Aber es muss doch schwer oder brüskierend für sie sein, wenn ihr dabei wieder einmal deutlich gemacht wird, dass sie selbst nicht zu ihrem Mann darf. Doch sie war eigentlich ganz enthusiastisch und froh: Wir sollten ihn ganz fest von ihr drücken, und sie wollte ein Foto von ihm. Unglaublich, wie sie den Optimismus bewahrt hat. Wir waren richtig begierig darauf, von Gerardo zu hören, wie er das alles erlebt, wie er seine Motivation hoch hält, wie er die Zukunft einschätzt, wie das Leben in so einem Hochsicherheitsgefängnis verläuft, wo er zwischen Schwerverbrechern einsitzt. Begegnung mit einem "Neuen Menschen"
Lompoc ist eine kleine Stadt, nicht weit entfernt vom Highway gelegen, der San Francisco mit Los Angeles verbindet, inmitten einer trostlos verlassenen Landschaft. In Lompoc findest du drei Dinge: Bomben, Blumen und Gefangene. Bevor du in die Stadt hinein fährst, kommst du an dem imposanten Luftfahrtstützpunkt Vandenberg vorbei. Dieser Stützpunkt spielt eine Schlüsselrolle in den Star Wars. Hier werden u.a. antiballistische Raketen getestet und Übungen mit hochentwickelten Flugzeugen abgehalten. Nordamerika ist eine Welt der Kontraste. Kurz danach erreichen wir unser Reiseziel: das Bundesgefängnis von Lompoc, genauer gesagt, die "Hochsicherheitsabteilung". Hier sitzen ungefähr 1.700 Schwerverbrecher hinter Gittern. Der Komplex ist angsteinflößend. Auf der Jacke des Wächters, der uns hineinführt, steht "The New Rock". Das berüchtigte Alcatraz-Gefängnis von San Francisco wird im Volksmund "the Rock" genannt. Lompoc ist dessen Nachfolger. In der trostlosen grauen Festung, hinter drei hohen Absperrungen, die mit Stacheldrahtrollen verstärkt sind, sollten wir einen außergewöhnlichen Mann kennen lernen: Gerardo Hernández.
Gerardo hat einige Tickets gekauft, um Fotos machen lassen zu können. Ein kleines Mädchen, das Töchterchen eines anderen Gefangenen, kommt näher. Sein Papa ist so, wie die Mehrzahl der Gefangenen in diesem Raum, Mitglied einer Minderheitsgruppe der U.S.A.. Er ist Mexikaner. Das Kind will mit aufs Foto. Die Mama kommt zwar besorgt näher, lässt es aber gewähren. Für ein zweites Foto nimmt Gerardo das Mädchen auf den Arm. "Ich mag Kinder so gerne", sagt er, "Aber Adriana ist inzwischen 34. Ich werde vielleicht nie Vater werden können." Wir sprechen noch viele Stunden. Der Optimismus von Gerardo, seine unerschütterliche Moral und sein Vertrauen in die Zukunft machen einen starken Eindruck auf uns. Sie unterscheiden sich sehr von der Resignation, Frustration und Mutlosigkeit, die wir an den anderen Gefangenen beobachten. Auf den ersten Blick wirkt Gerardos Kraft übermenschlich. Wir fragen ihn, woher sie nimmt. Er sieht sich als Teil eines ganzen Volkes, das für ein alternatives Gesellschaftsprojekt kämpft. Ein Projekt, in dem Menschen nicht von Gewinnsucht und persönlichem Prestige getrieben werden, sondern von einem großen Gefühl von Solidarität und Gerechtigkeit. "Das muss Che gemeint haben, als er den `Neuen Menschen’ im Sinn hatte", denken wir. Als die Besuchszeit vorbei ist, legt uns Gerardo ans Herz, allen, die in Belgien und Europa mit der Sache beschäftigt sind, von Herzen zu danken. Diese Unterstützung und die des kubanischen Volkes sorgen dafür, dass wir den Mut hoch halten," versichert er. Er bittet uns, den vielen Menschen seinen Dank und seine freundschaftlichen Grüße zu überbringen, die die Kampagne für die Befreiung der Fünf unterstützen. Bevor er hinter der schweren Tür verschwindet, hebt er seine geballte Faust, fest entschlossen, zu kämpfen bis zum Sieg. Deutsch: ˇBasta Ya! |