Aufgeschobene Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit

Von Father Geoffrey Bottoms

The Morning Star, 28. Februar 2005

Father Geoffrey Bottoms ist ein katholischer Priester in England, der das "Free the Five Committee" der "Cuba Solidarity Campaign" leitet. Kürzlich besuchte er Gerardo Hernández in dessen neuem Gefängnis in Victorville, Kalifornien, wo der eine doppelt lebenslängliche Strafe absitzt, weil er Kuba gegen von den USA unterstützte und finanzierte Terroristen verteidigt hatte. Dieser Artikel über seinen Besuch erschien in der englischen Zeitung "The Morning Star".

In seiner Zelle im US-Zuchthaus Victorville, Kalifornien, erhält Gerardo Hernández jeden Tag Berge von Post aus aller Welt, aber kein Wort aus Atlanta, Georgia, über das Ergebnis der mündlichen Anhörung vom März letzten Jahres. [...]
Nachdem er Ende letzten Jahres [es war im August, Anm. d. Ü.] aus dem Hochsicherheits-Gefängnis Lompoc nach Victorville verlegt wurde, verbringt Hernández die meiste Zeit jeden Tages seiner doppelt lebenslänglichen plus 15 Jahre dauernden Gefängnisstrafe damit, Briefe von Menschen aus aller Welt, die von der Ungerechtigkeit im Fall der Fünf erfahren hatten, zu beantworten. Er schreibt auf einem schmalen Sims mit Drehstuhl in seiner kleinen grauen Zelle mit Fotos von Adriana, Fidel und Che und versucht jeden Brief je nach Priorität zu beantworten. Das geht so weit, dass er die Briefe sogar mitnimmt, um die Werbepausen zu nutzen, wenn er die Nachrichten sieht.
In der restlichen Zeit arbeitet Hernández für 10 bis 18 $ im Monat, indem er in seinem Flügel die Mülleimer leert und die Geländer putzt; beides empfindet er als angenehmer, als den Job, den man ihm in der noch nicht fertiggestellten Gefängniswerkstatt angeboten hatte, nämlich die Getriebe von Humvees [Militärfahrzeuge ähnlich dem früheren Jeep, Anm. d. Ü.], die aus dem Irak zurück gekommen sind, zu reparieren. Eine weitere Ironie, die ihm nicht entgangen ist, ist die Tatsache, dass das neu eröffnete Gefängnis in der kalifornischen Hochwüste gegenüber einer ungenutzten US-Air-Force-Basis liegt, deren Wohnbaracken jetzt von Marines zum Training von städtischer Kriegführung genutzt werden, bevor sie in den mittleren Osten abreisen.
Offensichtlich reicht seine Bezahlung nicht aus, um die Kosten für seine unmittelbaren Bedürfnisse und die hohen Telefonkosten, die fast 300 $ im Monat betragen, zu decken, aber die kubanische Regierung übernimmt seine Ausgaben, sodass Geldüberweisungen, die gelegentlich eintreffen, zwar willkommen aber nicht lebensnotwendig sind. Zweimal in der Woche ruft Hernández in Havanna bei seiner Frau Adriana an, die ihm sowohl Inspiration als auch Kraft verleiht, besonders da sie sich seit seiner Verhaftung vor [fast] sieben Jahren nicht mehr gesehen haben. Gemeinsam mit Olga Salanueva, der Frau von René González, wird Adriana Pérez immer wieder ein Einreisevisum in die USA verweigert, mit der Begründung, beide Frauen seien eine Bedrohung nationaler Interessen.
Mit einer Kapazität von 2000 Gefangenen beherbergt Victorville zur Zeit 900 Insassen in zwei Flügeln, die sich nur zu den Mahlzeiten treffen. Die Nahrung ist hauptsächlich schwer verdaulich, besonders die, die man in den Besuchszeiten aus Automaten ziehen kann, die nur am Wochenende nachgefüllt werden, wie teure mikrowellengeeignete Burger und Pizzas mit Snacks. Letzten November wurden die Gefangenen in ihren Zellen eingeschlossen (lock-down) als Folge eines Streiks wegen eines Rauchverbotes, was schließlich zur Auswechslung der leitenden Beamten und damit einem Ende der Krise führte, obwohl es immer noch Spannungen in diesem von Stacheldraht umgebenen und von Wachtürmen dominierten Irrgarten aus Beton gibt.
Nichtsdestotrotz wird Hernández von den Wärtern und Insassen gleichermaßen respektiert. Außer ihm gibt es noch drei Kubaner, die der kubanischen Revolution zwiespältig gegenüber stehen. Viele Kubaner in US-Gefängnissen sind Opfer der Einwanderungsbehörde, die sie weiter festhält, wenn sie ihre Strafen abgesessen haben, weil es kein Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Kuba gibt. Diejenigen, die entlassen werden, haben normalerweise keine Familien und sprechen nur wenig Englisch, was sie letztlich wieder hinter Gittern enden lässt.
Der Erholungsbereich des Gefängnisses ist verhältnismäßig klein im Vergleich zur Zahl der Insassen und Hernández übt in seiner Zelle mit Hanteln. In der Zwischenzeit träumt er von seinem Baseball-Team "Industriales" in Havanna, stolz darauf, dass es auf dem besten Weg ist, zum dritten Mal die Meisterschaft zu gewinnen. Er schätzt die gelegentlichen Telefongespräche mit dem früheren Champion Pedro Medina, dem Idol seiner Kindheit, der jetzt eine Mannschaft in Italien betreut, die ebenfalls sehr erfolgreich spielt.
Trotz alledem bleibt Hernández konzentriert und freut sich auf den Tag, an dem die Freiheit der Fünf gemeinsam mit allen, die sich an der Kampagne für ihre Freilassung beteiligt haben, in Havanna gefeiert wird. Während er auf das Ergebnis der mündlichen Anhörung wartet bleibt er optimistisch und realistisch zugleich, glaubt er doch, dass die Vernunft, die Wahrheit und die Gerechtigkeit auf seiner und der Seite seiner Landsleute ist. Stolz auf sein Volk und dessen Solidarität ist er fest davon überzeugt, dass, als Fidel das Wort "Volveran!" [sie kommen zurück] prägte, es wahr werden würde wie so viele andere Dinge, die er gesagt hat, und dass die fünf in ihre Heimat zu ihren Familien zurück kehren werden. In der Zwischenzeit gilt: aufgeschobene Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit.

(Deutsch: ¡Basta Ya!)

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