"Wenn ich ohne Partei nicht in den Himmel käme, käme ich überhaupt nicht hinein," Thomas Jefferson, 1789
Im Mai 2004 veröffentlichte die Kommisssion der Bush-Administration ihren "Cuba: Transition to Democracy!" - Report [Kuba: Überführung in die Demokartie, Anm.d.Ü.], der die Destabilisierung und den Sturz der kubanischen Regierung durch die Einführung mehrerer Parteien zur Wahl behandelt. Sie meinen damit offensichtlich die Art von "Demokratie" der Vereinigten Staaten, die in unseren Massenmedien das Kodewort für relativ unbegrenzten, unreglementierten Kapitalismus ist. Diese Administration versucht zurzeit Demokratien nach US-Muster in Afghanistan, im Irak und auf Haiti einzuführen, und sie beginnt mit einer Kampagne, die darauf gerichtet ist, Mehrparteiensysteme in Dritteweltländern einzurichten, die den Weg in die abhängige neoliberale Entwicklung nicht hinreichend akzeptieren.
Der historische Gedanke der Demokratie
Da das Wort Demokratie von dem griechischen Wort "Demos", das Volk, kommt, erweckt es den Anschein, dass es seinem Verständnis in der Vergangenheit nach bedeute, dass das Volk in gewisser Weise an wichtigen sozialen Entscheidungen, die sein Leben betreffen, mitwirkt, etwa als "Regierung durch das Volk", nach einer Idee, dass die Völker ihre Gesellschaften kollektiv verwalten. Weil in Massengesellschaften nicht jedes Individuum in bedeutendem Maße an den Entscheidungen für das Ganze mitwirken kann, ist es zu Meinungsbildung über "Repräsentanten" (Karrierepolitiker in den Vereinigten Staaten) gekommen, die dazu bestimmt sind, im Namen des Volkes zu entscheiden und zu handeln. Der politische US- Philosoph Cliff DuRand behauptet, der Kern des historischen Gedankens von Demokratie sei "die Möglichkeit von kollektiver Entscheidungsfindung über kollektive Handlung zum Gemeinwohl." Er sagt, dies sei das Gegenteil des Konzeptes, das man heute im Bewusstsein der US-Bevölkerung vorfinde, welches Demokratie als Freiheit des Individuums definiert, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und Handlungen zu begehen, um seinen eigenen Vorteil zu verfolgen. (DuRand C. 1997: 1-3)
Was persönliche Freiheit betrifft, so ist sie in der Gesellschaft untrennbar und dialektisch mit persönlicher Verantwortung verbunden - als zwei Seiten derselben Münze. Das Dasein der einen bedingt das der anderen. Der Durst der Menschheit nach Demokratie seit ihrem Bestehen rührt von der Binsenwahrheit her, dass in dem Maße, wie Individuen durch tatsächliche Repräsentation bei den wichtigen Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, mitwirken, der Bedarf an Zwang abnimmt. Solche Beteiligung an der Macht weist Entscheidungen als wahrhaftig kollektiv aus, die Leute akzeptieren sie und setzen sie als ihre eigenen um, wobei sie sowohl Freiheit als auch Verantwortung schaffen. In den USA müssen wir zwei Millionen Menschen eingekerkert halten, mehr als das Doppelte des prozentualen Anteils in jedem anderen Land.
Parteien zur Wahl
Die neue US-Idee von der Notwendigkeit von "Mehrparteienwahlen" ist in anderen Nationen ein oligarchischer Mythos. Er macht die Menschen glauben, bei politischen Entscheidungen eine Wahl zu haben und festigt gleichzeitig den politischen Status quo. Wahlparteien werden in unserer Verfassung nicht erwähnt. In den Anfängen unserer Republik wurden sie missbilligt. Gerade George Washington riet von der Idee ab, weil er fürchtete, dass Parteien mit ihrer gewählten amtlichen Vollmacht, das Allgemeinwohl zu repräsentieren, störend eingreifen könnten. Parteien werden weder bei der universalen Erklärung der Menschenrechte hinzugezogen noch bei anderen internationalen Erfordernissen. Viele Länder dulden keine Parteien zur Wahl. An den Orten der USA, wo wirkliche Demokratie zu beobachten ist - auf lokaler Ebene - sind die meisten Wahlen per Gesetz von Parteien unabhängig.
In ferner Vergangenheit waren politische Parteien nicht nur nicht wählbar, sie waren Bewegungen von Menschen mit ähnlichen Wertvorstellungen, die ihren Zusammenschluss dazu nutzten, das politische System zu einer gesellschaftlichen Veränderung in Einklang mit ihren Wertvorstellungen zu bringen. Werte, die sich auf wählbare Parteien gründeten, tauchten in dem parlamentarischen politischen System mit proportionalen Vertretungen auf, in denen Wähler ihre Partizipation in der Repräsentation ihrer gewählten Werte durch Stimmabgabe finden konnten - wie z.B. Konservative, Liberale, Arbeiter, Christdemokraten, Sozialdemokraten, sozialistische und kommunistische Parteien in Westeuropa.
Die US-Idee einer Partei
Obwohl es keinen Grund dafür gibt zu glauben, dass wir in nur zwei Wertvorstellungsgruppen fallen, haben wir in den USA das, was wir das "Zweiparteien" -System nennen. Das geht aus unserer Verfassung, unseren Gesetzen und anderen historischen Gegebenheiten hervor. Einzelne Mitgliederbezirke, in denen nur eine Partei gewinnt, sind ein starker Anreiz zur Bildung von nur zwei großen Parteien zur Wahl. Die Medienbarriere, Wahlberechtigungsgesetze, das Wahlkollegium, Manipulationen, Ernennungen durch Vorwahlen und viele andere Faktoren, die für die USA typisch sind, führen eine Situation herbei, in der nur zwei Parteien eine realistische Chance haben, einen nationalen Kandidaten wählen zu können. Diese "Mehrheiten", die ein geringes Maß an innerer Einheit und einen Mangel an Übereinstimmung inbezug auf eine Ideologie oder Zielsetzung aufweisen, sind in erster Linie damit befasst, Wahlen zu gewinnen und den Anspruch auf die Unterstützung der Regierung zu behaupten. Die Kandidaten haben ihre eigenen Programme, schaffen ihr eigenes Geld herbei, nutzen ihre eigenen Kampagnenarbeiter und entwickeln ihre eigenen Themen und Politikrichtungen. Den Parteien wird wenig Zeit oder Aufmerksamkeit eingeräumt, und der abnehmende Anteil der Wähler, die gleichzeitig Parteimitglieder sind, bietet keinen Anlass, eine Partei zu wählen, sondern vielmehr den Kandidaten.
Heute bestehen unsere beiden gesetzlichen Mehrheiten im wesentlichen aus Wirtschaftsprüfungs-unternehmen und Zwischenhändlern für Mäzenatentum. Sie bieten keine reale Chance in Bezug auf Grundwerte, Sichtweisen, Theorie oder Politik, insbesondere im Hinblick auf strukturelle Veränderung in unserer politischen Wirtschaft. Weil unsere Medien deren Unterschiede betonen, muss man einen erweiterten Blickwinkel im internationalen Vergleich einnehmen; um dies deutlich zu sehen, ist es besser, auf die eigentlichen Stimmabgaben zu achten als auf die Rhetorik. Unsere nationalen und staatsvertretenden Kandidaten werden auf der Basis finanzieller Rückendeckung gewählt (die für ihren Zugang zu den Medien sorgt), der Amtszeit, der Berühmtheit, angenommener persönlicher Eigenschaften und Anliegen, ohne Zusammenhang mit den Werten der Partei. Sie und unsere Massenmedien werden vor allem von den selben zunehmend zentralisierten Geschäftsunternehmen gesponsert. Sie müssen in den immer enger werdenden Grenzen des "Mainstream" denken und reden, um Medienaufmerksamkeit zu gewinnen und ernstzunehmende Kandidaten zu werden.
US-politisches System:
Wir nennen unser gegenwärtiges politisches System eine "auf Interessen gegründete Politik". Wenn eine Person aktiv zu einer Veränderung beitragen möchte, muss sie durch eine Interessengruppe an einem Anliegen arbeiten, das vom System vorher festgelegt wurde, wie z.B. Waffenkontrolle, Abtreibungsrecht, Gesundheitsvorsorge, Umwelt, um nur einige zu nennen. Sie kann mit ihrer Stimmabgabe, ihrem Geld und ihrer Unterstützung auch eine große Gemeinschaft auf der Basis von Unternehmen, Arbeitern oder anderen Berufsgruppen, Alter, Geschlecht oder sexueller Orientierung, Religion, Rasse, ethnischer oder nationaler Herkunft versorgen. Unsere Gesetze kennzeichneten unsere bevorzugten Geschäftsformen vor langer Zeit als die der "Kapitalgesellschaft", die eine legale Einrichtung für Individuen und Gruppen ist, Kapital ohne persönliche Verantwortlichkeit anzuhäufen. Ursprünglich wurde sie als eine öffentliche Einrichtung begriffen, wurde aber privatisiert. Unsere Gerichte definierten diese Einrichtungen dann als "Personen". Diejenigen, die sie kontrollieren (Beamte, Direktoren, Manager) konkurrieren mit echten Personen, wenn sie versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.
Der Zweck eines politischen Systems ist, einen angemessenen Grad gesellschaftlicher Veränderung innerhalb eines angemessenen Grades von Stabilität zu gewährleisten. Ein Ergebnis, speziellen Interessen gegenüber der auf Werten basierenden Politik den Vorzug zu geben, ist, dass fortschrittlicher Wandel in und innerhalb des Systems unmöglich wird. Die Wertvorstellungen der Menschen werden ignoriert, während ihr besonderes Interesse oder ihr Status in den Mittelpunkt rückt. Ein weiteres bedeutsames Ergebnis ist die Unverbindlichkeit (das Fehlen von Haftbarkeit) zwischen den Wählern und deren so genannten Respräsentanten. In dieser Situation erhält die Teilnahme an Wahlen einen fragwürdigen Wert. Strukturelle politische Entwicklung gerät ins Stocken und kommt schließlich zum Stillstand, während sich die wirtschaftliche Entwicklung beschleunigt, wobei sie die Wenigen auf Kosten der Vielen begünstigt.
Wir versuchen unser politisches System damit zu rechtfertigen, dass wir es "pluralistisch" nennen. In dieser Art von System, in dem das Inserieren und andere Nutzung der Massenmedien im Mittelpunkt stehen, produziert Kapitalanhäufung politische Macht, und politische Macht produziert Kapitalbildung, indem diejenigen begünstigt werden, die die wirtschaftliche Produktion und deren Einrichtungen beherrschen. Die Rolle des Volkes wird immer unbedeutender und verschwindet schließlich. Anliegen- und Interessengruppen und Gemeinschaften mit Status konkurrieren miteinander um begrenzte öffentliche Zuschüsse und bevorzugte Behandlung seitens der Regierung, wie Steuervergünstigungen oder sie bestätigende Aktionen oder andere "gleiche Rechte". Das Ergebnis hängt zum großen Teil von demjenigen ab, der die politischen Kampagnen finanziert und von den Massenmedien. Inzwischen betont der Wettbewerb zwischen den Gruppen mit Interessenstatus weiter unsere Unterschiede und schafft eher politische Zwietracht als Gemeinschaft.
Unsere Regierung wurde ursprünglich so strukturiert, dass sie nicht mit unseren privaten Bestrebungen in Konflikt käme. Dies brachte unsere Nation von kollektiven Handlungsformen ab und führte in eine Kultur des Individualismus, in der die Verfolgung von Eigeninteressen zur Vergrößerung des Gemeinwohls gedacht ist. Statt die Stimmberechtigung auf die Besitzlosen, Rassenminderheiten und Frauen zu erweitern, stellte sich der eigentliche Wandel in unseren zwei Jahrhunderten als republikanische Großmacht als Zentralisierung der öffentlichen Finanzen und der politischen Macht auf nationaler Ebene heraus, als ein Produkt der Wirtschaft der Großindustrie und des Bedarfs des Kapitals, unter besonderer Berücksichtigung der Expansion unserer kommerziellen Interessen in Übersee. Im Gegensatz zu dem ursprünglichen Konzept des Föderalismus werden die wichtigen gesellschaftlichen Entscheidungen, die unser Leben betreffen, nun in der Wallstreet und in Washington D.C. getroffen, nicht zufällig an den Orten, an denen die Terroristen am 11. September 2001 zuschlugen.
Der US-Kongress
Das US-Repräsentantenhaus ist angeblich unsere demokratische Legislative, die alle zwei Jahre gewählt wird - ursprünglich in der Absicht geschaffen, damit unsere 435 Repräsentanten dem allgemeinen Interesse ihrer Wähler verantwortlich seien. Ihre öffentlichen, von den Medien betriebenen Werbung in eigener Sache ist unglaublich teuer und langwierig, wenn nicht zum Dauerzustand geworden. Weil die vorausgehenden Faktoren, die zu ihrer Entscheidungsfindung beigetragen haben, persönlicher Art sind (das Erhalten und Behalten ihres Büros, was ihnen Macht und Reichtum verschafft), haben die Amerikaner herausgefunden, dass sie in Wirklichkeit und vor allem die mächtigen privaten Interessen vertreten, die sie finanzieren, und dass es ihre Situation nicht verbessert, für den Kandidaten einer Mehrheitspartei zu stimmen. In den letzten Repräsentantenhauswahlen (2004), blieben über 90 Prozent der Sitze unangefochten oder wurden nicht ernsthaft angefochten und insgesamt über 45 Prozent jener legal Gewählten produzierten einen weiteren Durchmarsch für Amtsinhaber. Die Mehrheitsparteien hatten in den früheren Amtsjahren die US Kongressbezirke so manipuliert, dass die meisten Sitze quasi zu Lebensanstellungen wurden, wobei die Verantwortlichkeit mehr dem privaten als dem öffentlichen Interesse galt.
Unsere nationalen Repräsentanten sind durch die Vermeidung von Diskussionen von grundsätzlichem Interesse und durch Stimmen für die wenigen kontroversen Themen, von Lobbyisten und Interessengruppen, zu Experten im Festhalten an ihren Amtssitzen geworden. Daraus folgt, dass das erstere nie ins öffentliche Bewusstsein dringt, weil es durch die Massenmedien informiert wird, und das letztere nie endgültig entschieden wird und dass wir uns nicht weiterentwickeln. Welche Anliegen und wann sie zur Diskussion kommen, wie sie formuliert und debattiert werden, sind Angelegenheiten, die sehr wenige mächtige Männer, "Parteiführer" genannt, bestimmen, die als Agenten des Präsidenten, falls von der selben Partei, handeln. Wir finden oft heraus, dass die Mitglieder auf zwei Arten über verschiedenartige Aspekte dieser komplexen Angelegenheiten gestimmt haben, sodass wir nicht bestimmen könnten, wo sie stehen. Bei inländischen Interessen ist unser Kongress im Wesentlichen teilnahmslos und daher unbrauchbar geworden. Das dient den Bedürfnissen und Interessen derer, die es finanzieren.
Bei internationalen Angelegenheiten glauben die meisten Abgeordneten anscheinend, dass der Appell an unsere niederen Instinkte, wie Furcht, Hass und eine irrationale Einstellung "wir gegen die anderen" ihnen hilft, im Amt zu bleiben. In den 42 Jahren, seit Präsident Eisenhower davor warnte, dass die größte Gefahr, der wir gegenüberstehen, von unserem eigenen Militärindustriekomplex ausgeht, haben sie mit unseren Steuergeldern die größte Militärindustrie-Geheimdienstbewaffnung und Kriegszwangsmaschinerie finanziert, die Menschen je gekannt haben, die dazu benutzt wird, unseren Geschäftemachern Profite im Ausland zu sichern, sogar, wenn damit die Ausbeutung der Menschen und ihrer Ressourcen betrieben wird, Unterdrücker an die Macht kommen, Regimewechsel herbeigeführt und die internationalen Bemühungen um die Erhaltung des Friedens und der Entwicklung zerstört werden. Ihre enge "Nur-unser-Land"-Sicht begünstigt ihre Sponsoren und ignoriert offensichtliche Tatsachen, dass es z.B. nicht in unserem Interesse ist, wenn unsere Familienmitglieder weit weg stationiert, verletzt und getötet werden oder wenn wir zu Hause von Selbstmordattentätern angegriffen werden oder wenn wir unsere Privatsphäre und unsere Freiheit wegen Sicherheitsmaßnahmen aufgeben müssen, und dass es für uns ein allgemeines Interesse als Mitglieder der Weltgemeinschaft gibt, welches sie gerade zerstören.
Auf das liberale Mehrparteiensystem, das als Demokratie posiert, aber tatsächlich ein oligarschisches System und ein Imperium ist, bezieht man sich manchmal, als auf das "Ende der Geschichte" hinsichtlich der politischen Entwicklung. Das gilt wahrhaftig für die nationale US-Version, in der struktureller politischer Fortschritt unmöglich geworden ist. Die Kultur des Individualismus hat uns voneinander getrennt, uns nicht durch Werte miteinander verbunden, sondern hat uns in einem Netz aus kommerziellen Beziehungen miteinander verstrickt. Unsere Massenkonsumgesellschaft ist zu einer überwältigenden Entpolitisierungsmacht geworden.
Idee einer avangardistischen Partei
Für Kubaner war das letzte Jahrhundert ein langer Kampf um Unabhängigkeit und nationale Würde. Sie lernten während des ersten Teils des Jahrhunderts das Mehrparteiensystem unter Anleitung der USA kennen, als Kuba quasi eine US-Plantage war - während der 1950er Jahre gehörten über 75% der Wirtschaftsproduktion den USA oder wurden von ihr und anderen ausländischen Unternehmen auf andere Weise kontrolliert, während die Mehrheit der Kubaner sehr arm war. Sie waren Analphabeten und hatten keinen Zugang zu Bildung, Gesundheitsvorsorge oder anderen Vergünstigungen der Zivilisation. Sie haben aus bitterer Erfahrung gelernt, dass ihre Autonomie und ihr Gemeinwohl vollkommen von ihrer nationalen Einigkeit abhängen, wogegen politische Spaltung sie verletzlich für Manipulation und ökonomische Beherrschung durch US-Unternehmen und durch ihre früheren Regenten macht, die jetzt in den USA als Mitglieder ihrer kubanisch-amerikanischen Gemeinde leben. Daher haben sie sich ein politisches System geschmiedet, das ihre Souveränität und Autonomie bewahrt und zwar mit Einrichtungen, die nach wirklicher Demokratie durch partizipatorischen Konsens streben, statt durch Beherrschung.
José Martí, der Vater der Unabhängigkeitsbewegung Kubas, lebte Ende des 19. Jahrhunderts für etliche Jahre in New York City, wo er die US-Version der Demokratie kennenlernte. Während er die dem System innewohnenden Tendenzen in Richtung Imperium und Oligarchie sah und verstand, argumentierte er, dass Kubas Hoffnung auf Selbstbestimmung eine Einheitspartei erforderlich mache, um der wirtschaftlichen Vorherrschaft des "Riesen in Siebenmeilenstiefeln" zu widerstehen. Die politischen Institutionen Kubas haben sich über die letzten 45 Jahre aus dem Gedanken Martís entwickelt und aus dem, was ihnen bei der Verfolgung ihres lange verzögerten Projekts der Nationbildung genützt hat.
Soziale Bewegungen entstehen ursprünglich durch Menschen mit ähnlichen Wertvorstellungen, die sich wegen des Machtgewinns in einer Gruppe zusammenschließen. Sie wachsen und erlangen politische Macht, wenn sie Bündnisse mit anderen Gruppen durch die Verbindung der Interessen ihrer Mitglieder mit den weiter gefassten, universelleren Wertvorstellungen schließen. Auf die Revolte 1956, die Bewegung des 26. Juli, die sich zuerst mit dem Landvolk der Sierra Maestra verband, folgte das Bündnis mit kleinen Bauern und anderen Gruppen im Osten und Zentral-Kuba, dann mit den Gewerkschaften, dann mit der arbeitenden Klasse, dann mit städtischen Verbänden, mit Studenten und Lehrerverbänden, Berufsgruppen und anderen Gruppen. In den 1960ern bis in die 1980er Jahre gab es ein Abnehmen der vorherigen Klassenstruktur der kubanischen Gesellschaft und eine wachsende Gleichberechtigung innerhalb des Volkes. Während die meisten Angehörigen der Klasse der Eigentümer blieben, um sich als Gleiche an der Revolution zu beteiligen, gingen viele von ihnen, um in kapitalistischen Ländern zu leben. Als die Revolution institutionalisiert wurde, geschah das unter den universellen Werten von Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit, sozialistischer Demokratie und nationaler Autonomie, die zu den Zielen der neuen Nation wurden. Kubaner nennen diesen Prozess "Cubania" [typisch kubanisch oder Kuba-Eigenheit, Anm.d. Ü.], der im späten 19. Jahrhundert begann.
Die kubanische Idee von Partei hat seine oberflächliche US-Bedeutung als Wahlkonkurrenzmittel für Klassen und besondere Interessen verloren, sie beansprucht stattdessen eine tiefere Bedeutung, bei der sowohl moralische wie materielle Werte, sowohl kollektiv als auch individuell verwirklicht werden und in der fortschrittlichen Entwicklung (menschlichen wie ökonomischen) von dem Ausmaß der individuellen Verpflichtung zu gesellschaftlichen Zielen abhängen, die demokratisch eingeführt wurden. (Guevara, E. 1968, S. 1-20)
Wahlparteien sind an der kubanischen Politik nicht beteiligt. Die Kubanische Kommunistische Partei, PCC, deren Entscheidungen debattiert und demokratisch von den demokratisch gewählten Abgeordneten offengelegt werden, nimmt nicht direkt an den Wahlen der Volksvertreter teil. Dies ist unserer Idee von Partei, die gewählt wird, weder ähnlich noch analog. Vielmehr ist sie eine innere auf Werten basierende institutionalisierte soziale Bewegung, die regelmäßig nationale Diskussionen und Debatten über Ziele, Richtungen und Änderungen in politischen und wirtschaftlichen Einrichtungen führt. Die von der PCC angeführte Kubanische Revolution leitet ihre Autorität von der kubanischen Verfassung ab, die vom kubanischen Volk demokratisch begründet wurde und wird. PCC ist eine Organisation von Aktivisten (etwa 14% der kubanischen Erwachsenen sind Mitglieder), die das verfassungsmäßige Mandat hat, die Revolution zu organisieren und zu orientieren, das soziale Bewusstsein zu fördern und die langfristigen sozialistischen und demokratischen Ziele in die Praxis umzusetzen. (Verfassung: Art.: 5-7) Die Verfassung wurde regional in den frühen 1970er Jahren entwickelt, 1976 von mehr als 97 Prozent der wahlberechtigten Wähler angenommen, 1992 von über Zweidrittel der gewählten Nationalversammlung, wie von ihr verlangt, bedeutend novelliert und wurde im Juni 2002 von über acht Millionen Wahlstimmen (über 93 Prozent der Erwachsenen in der Bevölkerung) unwiderruflich gemacht.
Die kubanische Verfassung wird von der Avantgard-Partei konzipiert, die sich aus den politischen Aktivisten zusammensetzt, die sich den Zielen ihrer Revolution ausreichend verpflichten - Kubaner nennen sie das Bewusstsein - beachtliche Zeit und Mühe der Errichtung des wahren Sozialismus und der Demokratie zu widmen. Diese beiden Konzepte werden im Wesentlichen für dasselbe gehalten, in dem Sinne, dass das eine ohne das andere nicht existieren kann. Sozialismus als kollektive Eigentumskontrolle eines beträchtlichen Umfangs der Produktion, kann man als eine Bedingung für echte Demokratie betrachten und Demokratie als den Prozess, an dem Menschen wirklich teilnehmen, kann man als eine Bedingung für echten Sozialismus betrachten.
Macht des Volkes
Seit der "Korrektur"-Periode der 1980er Jahre, hat sich das kubanische politische System zu einer Dezentralisierung der Macht entwickelt, indem es mehr Beteiligung anregte - genannt "die Macht des Volkes". Der Einflussbereich der regionalen OPPs (Organe der Macht des Volkes) ist viel weitreichender als der unserer regionalen Gemeinderäte. Sie verhandeln Themen wie Planung, Budgets, Straßenbau, Wohnen, Gesundheit, Bildung, Umwelt, Wahlen, soziale Dienste, wirtschaftliche Unternehmungen und fast alle Angelegenheiten des öffentlichen Interesses, außer das der nationalen Verteidigung. Wegen ihrer breitangelegten Autorität, tragen sie beachtliche Mitverantwortung, nicht nur durch regionale PCCs und andere Organisationen, sondern auch als individuelle Fürsprecher. Auf allen Ebenen sind die "Nichtregierungs"-Organisationen, von denen viele von der Regierung angeregt werden, deutlich an Entscheidungsfindungen beteiligt. (Roman P., 1999: S. 155-258) Alle regionalen und provinziellen Wahlen müssen ausgeschrieben werden, gewöhnlich gibt es etliche Kandidaten.
Zusätzlich zur Wahl ihrer Repräsentanten partizipieren die meisten erwachsenen Kubaner selber an der Regierung durch ihre nichtregierenden Organisationen - die durch die Partei und die Beamten dazu ermutigt werden, daher sollte man sie semi-regierend nennnen. Das schließt die Partei, Nachbarschaftsverbände (über 120.00), die Gewerkschaften (über 90% der Arbeiter gehören ihnen an), den Frauenverband, die Gewerkschaften der Kleinbauern, die Lehrer- und Studentenverbände, die Wissenschafts- und Umweltgruppen, die Gesundheitsvorsorge-, Berufsgruppen und durch andere Arbeit verbundenen Gruppen ein. Dies sind lauter Bündnisse, die durch demokratischen Konsens Entscheidungen treffen, und sie sind an Befürwortung und Entscheidungsfindung (oft als Hauptmitmirkende) auf der lokalen, provinziellen und nationalen Ebene beteiligt. Für Gewöhnlich treffen sie sich wöchentlich und arbeiten so zuverlässig wie erforderlich.
Die Kubanische Nationalversammlung beschäftigt sich mit legislativen und Verfassungsangelegenheiten, hat 609 Mitglieder, die fünf Jahre lang im Amt sind. Bis zu 50 % werden durch vorher gewählte Provinz- und Städteabgeordnete (alle zweieinhalb Jahre in Regionalwahlen gewählt) ausgewählt und der Rest wird von einer nationalen Kandidatenkommission (von der die PCC ausgeschlossen ist) in einem Prozess gewählt, der viele Monate dauert und der Konsultationen mit und Entscheidungen durch die Haupt-Nichtregierungsorganisationen einschließt. Die Idee ist, eine nationale Kandidatenliste zu erstellen, die ein "Spiegel der Nation" ist. Um gewählt zu werden, muss ein Kandidat mindestens 50 Prozent der Stimmen erhalten. (August, A., 200: S. 102-114)
Es gibt keine Kampagnen in Kuba, die amtlichen Kandidaten und die der Organisationen werben nicht für sich selbst und Geld spielt bei ihrer Wahl oder für ihre Entscheidung keine Rolle. Die amtlichen Biographien, einschließlich Fotos, Bildung, Berufserfahrung und andere Angelegenheiten werden vor den Wahlen über Monate deutlich sichtbar in ihrem Wohnbezirk ausgehängt und auf Nachfrage durch die Wahlkommission durch Einzelheiten ergänzt. Sie arbeiten für gewöhnlich nur über eine Amtszeit, und die meisten von ihnen waren vorher schon von Wählern gewählt worden, die sie persönlich oder durch Empfehlung, als ehrliche Vertreter des öffentlichen Interesses kannten. Sie müssen sich regelmäßig mit Wählern treffen ("Verantwortlichkeitssitzungen" genannt) und sie müssen jederzeit abrufbar sein. (Roman P., 1999, S. 105-154) Wo Expertenmeinung nötig ist, wird sie eher von einer Spezialkommission oder von einem Arbeiterparlament geliefert als von Lobbyisten, und vorgeschlagenen Gesetze (wie die kürzliche Einführung der Einkommenssteuer für manche) werden um der öffentlichen Präsentation willen abgestimmt, für oder gegen die Vorlage. In den Wahlen, die im Januar 2003 abgehalten wurden, gaben über 93 % der wahlberechtigten Kubaner gültige Stimmzettel ab, bei denen sie eine Nationalversammlung wählten, die wirklich ihre allgemeinen Interessen repräsentiert, ohne die Einmischung von Wahlparteien.
Aus kubanischer Sicht ist Freiheit vielmehr die Partizipation des Volkes an der Macht als zu versuchen Reviere abzustecken nach dem Beispiel der Machtübernahme durch Oligarchen. Das mag manchen von uns seltsam erscheinen, die in einem großen nach Klassen unterteilten, kommerziellen Imperium leben, das über Wettbewerb und Konflikte agiert. Aber in einer kleinen Nation macht es Sinn, die wegen der relativen Integration der Menschen und der relativen Gleichheit innerhalb der Bevölkerung durch Kooperation und Konsens funktionieren kann und einen starken Sinn für Gemeinschaft auf der Basis einer guten Ausbildung aller hat und eine öffentliche Kontrolle über die Massenmedien. Statt auf das Ende der Geschichte könnte diese Auffassung von politischem Denken in eine neue Richtung weisen, auf die Idee der teilweisen Dezentralisierung der Wirtschaft und der politischen Einheiten zugunsten von kleineren, mehr zusammenhaltenden Gemeinden, in denen die wirklich repräsentative Demokratie funktionieren könnte. Dies ist es, was schließlich von denen beabsichtigt gewesen war, die ursprünglich unsere Regierung als ein föderales System konzipierten.
Abhängige Entwicklung
Demokratie, als die Möglichkeit der Menschen, für ihr Allgemeinwohl kollektive Entscheidungen zu treffen, kann nicht gelehrt oder von außen eingeführt werden. Die enorme Popularität der kubanischen Revolution angesichts der Einmischung von außen und der wirtschaftlichen Isolierung erweckt den Anschein, dass die avantgardistische Bewegung, bei der die politische Macht unmittelbar auf breite Menschenorganisationen und auf amtlich Gewählte in einem nicht-parteiischen Wahlsystem der Macht des Volkes übertragen wird, der beste Weg sei abzusichern, dass die wirtschaftliche Entwicklung in der Drittenwelt mehr oder weniger allen Menschen zugute kommt, viel besser als die Klassenbildung und als die Macht- und andere soziale Differenzen noch zu verstärken. Es fördert soziale Gerechtigkeit, den nationalen Zusammenhalt und die lokale Kooperation mehr als die Einteilung in Schichten und in Meinungsverschiedenheiten.
Kleine Inselnationen leben nicht in einem Vakuum, vielmehr sind sie ökonomisch abhängig von dem, was andernorts geschieht. Wo Armut, Gesundheit, Wohnungswesen, Analphabetentum, Klassenunterschiede und Einmischung von außen die Hauptprobleme sind, da vekleinert die alleinige Verfolgung des Eigeninteresses das Allgemeinwohl eher, als dass es dadurch vergrößert würde, insbesondere dort, wo ausländische Unternehmen nicht nur den Hauptgewinn der Wirtschaftsproduktion für sich beanspruchen, sondern auch die heimische Politik bestimmen. In solch einer Situation kann manchmal der Kollektivismus gegenüber dem Individualismus die intelligentere Wahl für die Menschen sein, solange er echte Partizipation oder Repräsentation beinhaltet. In einer Gesellschaft wie Kuba, in der ein großer Teil des Wirtschaftsproduktionsaufkommens Teil des allgemeinen Reichtums ist (nicht nur Eigentum des Staates, sondern immer mehr das der mittleren und kleinen Kooperativen) werden sich die Menschen natürlich mehr engagieren und besorgter um das Allgemeinwohl sein, weil es statt der individuellen Anhäufung von Reichtum, ihrem eigenen Interesse dient.
Insgesamt hat der abhängige neoliberale und kapitalistische Weg der Entwicklung keinen erkennbaren Erfolg für die meisten Menschen der Drittenwelt gebracht (auch nicht für viele in den so genannten entwickelten Ländern). In den 43 Jahren der Allianz für Fortschritt fragen sich viele Lateinamerikaner, wann der Fortschritt denn kommt. In Kuba machen die Menschen ihre eigenen Fortschritte, und sie werden damit fortfahren, wenn sie es ohne Einmischung von außen tun dürfen.
Das politische Mehrparteiensystem kann reale Demokratie im Namen des Pluralismus zerstören. Da, wo Wahlparteien nicht auf unterschiedlichen Grundwerten basieren, mischen sie sich unnötig in die Beziehung zwischen dem Wähler und seinen angeblichen Vertretern ein. Sie fördern Klassen- und Interessenmanipulation (insbesondere mit Geld) und daher verursacht und mündet beides in kommerzielle Oligarchie. Kubaner erfuhren das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie werden sich nicht wieder freiwillig in die kommerzielle Ausbeutung von außerhalb fügen. Unsere verarmten politischen Institutionen sind nicht das, was sie sein sollten oder was sie sein möchten.
Tom Crumpacker ist ein Jurist, der mit der Miami-Koalition zusammenarbeitet, um das US-Embargo gegen Kuba zu beenden.
Er kann wie folgt erreicht werden: Crump8@aol.com
Quellenangaben:
August, A. 2000. Democracy in Cuba and the 1997-98 Elections. Habana: Editorial Jose Marti.
Constitucion de la Republica de Cuba. 2001. Editorial de las Sciencias Sociales, Habana.
DuRand, C. 1997. "The Idea of Democracy." University of Havana, October 21, Conference, Socialism Toward the 21st Century.
Guevara, E. 1968. Socialism and Man in Cuba. Stage One Publications.
Roman, P. 1999. People's Power: Cuba's Experience with Representative
Government. Boulder Representative Press.
(Deutsch: ¡Basta Ya!)