"Die Tränen müssen zu Hause bleiben" - Artikel für den "Morning Star" von Geoff Bottoms - Besuch von Olga und Ivette im Vereinten Königreich vom 29. November - 7. Dezember 2005

Antiterroristas, 24. November 2005

Olga Salanueva Arango hat ihren Ehemann René González seit dem 16. August 2000 nicht mehr gesehen, als sie nach seiner Weigerung, sich im Sinne der Anklagen wegen Verschwörung als ausländischer Agent schuldig zu bekennen, von der Einwanderungsbehörde verhaftet wurde.
[Anm.d.Ü.: Außerdem gehörte zu der von ihm verlangen "Kooperation", seine vier Mitangeklagten ebenfalls für schuldig zu erklären und sie entsprechend zu belasten. (Quelle: Olga Salanueva, s.: News, 23. November 2005, sowie unter früheren Informationen über die Familien ebd.;)]
Nach drei Monaten Haft wurde sie aus Gründen der nationalen Sicherheit ausgewiesen und wurden ihr wiederholt Einreisevisa in die US verweigert, um dort ihren Ehemann zu besuchen, der fünfzehn Jahre Gefängnisstrafe in FCI Marianna in Florida verbüßt. Obwohl ihre siebenjährige Tochter Ivette eine US-Bürgerin ist, wird ihr damit effektiv der Zugang zu ihrem Vater ebenfalls verweigert, weil ihre Mutter sie nicht begleiten kann. Noch im Jahr 2003 entschied der Oberste US-Gerichtshof: "Es ist begründet sicherzustellen, dass ein Kind bei seinem Besuch von denjenigen Erwachsenen begleitet und angeleitet wird, die seinem Schutz und der Wahrung seiner Interessen zu seinem Besten dienen."
Ivette war vier Monate alt, als René González am 12. September 1998 zusammen mit seinen vier kubanischen Landsleuten verhaftet wurde, die die terroristischen Organisationen, die während der letzten siebenundvierzig Jahre ungestraft von Miami aus operieren. Sie leiteten ihre Informationen nach Kuba, von wo aus sie dem FBI unter Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Havanna und Washington zugeleitet wurden. Aber statt die wirklichen Kriminellen zu verhaften, wurden die Fünf aufgespürt und angeklagt, nämlich der Vergehen, sich nicht als ausländische Agenten gemeldet zu haben, der Verschwörung, Spionage begehen zu wollen und in einem Fall sogar der Mordverschwörung. Eine fehlerhafte Gerichtsverhandlung und Phasen unverhältnismäßiger Isolationshaft trugen zur Verschärfung der Ungerechtigkeit bei.
Olga und René sind seit 22 Jahren verheiratet und haben eine 21-jährige Tochter Irma, die Universitätsstudentin ist. "Mein Leben änderte sich von dem Moment an vollständig, als ich mit mir selbst rang, meinen Töchtern nicht zu zeigen, dass ich aufgebracht [bzw. erschüttert od. bestürzt, Anm.d. Ü.] war," erklärt Olga. "Ich bin eine Ehefrau und auch Mutter, die möchte, dass ihre Töchter so normal wie möglich aufwachsen, aber alles das hat einen Preis. Die Jahre vergehen, und wir werden nicht jünger. Unsere Töchter haben keine Erinnerungen von einer vereinten Familie, auch wenn sie wissen, dass ihre Eltern sich lieben. Mit keinem körperlichen Kontakt, unser einziger Austausch, den wir haben geht über Briefe und Telefongespräche."
Nach dem erfolgreich verlaufenen Berufungsantrag auf Bundesebene am 9. August gegen ihre Verurteilungen und Strafen, die von 15 Jahren bis zu zweimal lebenslänglich gehen, könnten die ‚Miami Five' endlich aus den Gründen, dass sie in der voreingenommenen und feindseligen Atmosphäre von Miami keine faire Anhörung bekamen, ein neues Verfahren erhalten. Unglücklicherweise gab der 11th Court of Appeals am 31. Oktober dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, eine neue Anhörung des Falles vor dem ganzen Gericht abzuhalten, während die Fünf weiter in ihren Hochsicherheitsgefängnissen in den USA festgehalten werden. Mit einer mündlichen Anhörung, deren Beginn auf den 14. Februar 2006 festgelegt wurde, nachdem die Eingaben der Anwälte vor Ende Januar verhandelt wurden, macht die Staatsanwaltschaft den Eindruck, als wolle sie den Prozess so weit wie möglich hinausschieben.
Inzwischen geht die Qual der nach Kuba zurückgekehrten Familien weiter, trotz der Tatsache, dass die Fünf in allen Absichten und Zielsetzungen für unschuldig erklärt wurden. Die Nachrichten über die neue Anhörung erreichte sie, während sie auf dem Sozialgipfel in Mar del Plata in Argentinien waren. Das war ein Rückschlag für sie, weil sie gehofft hatten, dass der Prozess in Kürze auf die Entscheidung des Drei-Richter-Panels in Atlanta vom 9. August folgen würde. "Ich war an diesem Tag in einer schlechten Verfassung," gestand Olga, "dann erkannte ich, dass dies nicht die rechte Haltung war, denn dann würde die US gesiegt haben, daher mussten die Familien auf dem Gipfel ein einheitliches Bild abgeben." Als 50.000 Menschen eine Erklärung der Familien mit der Forderung nach der Freiheit der Fünf und der Auslieferung des Erzterroristen Luis Posada Carriles unterstützten, wusste sie, dass "Tränen zu Hause bleiben müssen."
Die sich hinziehenden Mechanismen der Rechtsprechung sind für die Familien der ‚Miami Five' schwer zu ertragen, da sie für sie eine längere Wartezeit auf ihre Söhne und Ehemänner bedeutet, während ihnen gleichzeitig deren lebensfeindliche Bedingungen bewusst sind. Die Mütter haben keine Zeit mehr zu verschwenden, während sie immer älter werden und sich fragen, ob sie den Tag, an dem ihre Söhne nach Hause kommen noch erleben werden, und die Töchter wachsen ohne die Anwesenheit ihres Vaters auf. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kommt noch die Zurückhaltung von Visa für die Einreise in die USA dazu, die oft verzögert ausgestellt und sogar verweigert werden.
Man hat Olga sechsmal ein Visum verweigert, und man lässt sie auf die Antwort ihres siebten Antrags warten, während die strittige Angelegenheit ihrer Ausweisung 2002 wiederum diskutiert wird, was den hinausgezögerten Prozess in dem Fall ihres Mannes René widerspiegelt. Bevor sie zu ihrer Befragung in der US-Interessenvertretung in Havanna ging, sagte Ivette zu ihr, "Mammi, vielleicht werden sie diesmal ja sagen und wir können fahren und meinen Papa sehen." Die Aussichten bieten wenig Hoffnung.
Adriana Pérez, der Ehefrau von Gerardo Hernández, der in USP Victorville in Kalifornien zweimal lebenslänglich verbüßt, wurden mit der Begründung, dass sie eine potentielle Einwanderin wäre, gerade zum sechsten Mal ein Visum verweigert. Zuvor wäre sie eine Gefahr für das US-Territorium, eine terroristische Agentin und eine Bedrohung für die nationale Sicherheit gewesen. Da Adriana und Gerardo keine Kinder haben, ist der Zeit bis zur Erlangung der Gerechtigkeit für beide ein wichtiger Faktor.
Sogar die Familienmitglieder von Ramón Labañino, Antonio Guerrero und Fernando González müssen zwölf Monate lang auf Visa warten, und gelegentlich werden ihre Besuche gekürzt. In Fernandos Fall müssen seine Ehefrau und seine Mutter einen Besucherantrag so stellen, als sei es ein besonderes Privileg, wenn sie daraufhin ein Visum erhalten und nicht ein belegter Anspruch gemäß einer Besucherliste. Es ist so, als ob die Familien wegen ihrer Verbindung schuldig wären und zusammen mit ihren Söhnen, Ehemännern und Vätern bestraft werden müssten, die ihrerseits diese Strafverschärfung miterdulden.
Mit den Worten von Olga: "Wenn wir uns auch über die US-Absichten gegenüber Kuba im Klaren waren, konnten wir uns nicht vorstellen, wozu sie in der Lage wären - wie der Hass der Politiker personalisiert und besonders auf unsere Kinder gerichtet würde. Kinder wissen noch nichts von Hass oder Politik, Ivette ist das Objekt ihres ganzen Hasses." Es hat natürlich bei der Siebenjährigen Spuren hinterlassen, da sie auf den Verlust der Liebe ihres Vaters reagiert und regelmäßig von ihm spricht, obwohl sie ihn nicht kennt. Sie hat Angst vor den öffentlichen Reden ihrer Mutter und gesteht ihre Angst, dass ihre Mutter genau so enden wird wie ihr Vater. Doch zu anderen Zeiten ist Ivette aktiv und möchte mit einer Reife sprechen und diskutieren, die weit über ihr Alter hinausgeht.
Trotz allem beziehen die Familien ihre Stärke von den Fünfen im Gefängnis, die ihnen Zuversicht und Optimismus vermitteln. In einem Brief an Olga schrieb ihr Ehemann René: "Es ist fast unmöglich, dass das Urteil der drei Richter aus Atlanta widerrufen wird; sie werden ein neues Verfahren haben, und wenn die Gerechtigkeit siegt, werden wir freigesprochen." Und Gerardo schrieb kürzlich in einem Brief an seine Frau Adriana: "Du musst darauf vorbereitet sein, dass es für uns ein politisches Verfahren ist, und wir müssen hinreichend stark und gereift sein, um ihm zu begegnen, am Ende werden wir gewinnen."
Sie erhalten ihre Inspiration von den kubanischen Menschen, besonders von denen unter ihnen, die selbst jemanden aufgrund der Terroranschläge verloren haben und die das Opfer der Fünf wertschätzen, mit dem sie noch mehr Tränen innerhalb der Bevölkerung vermieden haben. Schließlich bewundern sie diejenigen innerhalb der internationalen Solidaritätsbewegung, die, obwohl keine Kubaner den Fall und dessen Angehörigen in ihr Herz geschlossen haben und die die besten menschlichen Werte vertreten.
Olga Salanueva und ihre Tochter Ivette werden das Vereinigte Königreich aufgrund der Einladung der ‚Cuban Solidarity Campaign' vom 29. November bis zum 7. Dezember besuchen, um Aufmerksamkeit für den Fall zu wecken in der Hoffnung auf die letztliche Erlangung der Freiheit für die Fünf und auf die Gewährleistung des Besuchsrechts für die Familien. Sie werden London, Manchester, Edinburgh und Glasgow besuchen. Ihre Hoffnungen richten sich auf die erfolgreiche Durchbrechung des Schweigens über diese krasse Ungerechtigkeit, wenn sie die Nachricht über die ‚Miami Five' verbreiten und darüber, wie die USA auf Zeit spielen, indem sie den Berufungsprozess bis an seine Grenzen ausschöpfen, trotz der Tatsache, dass sie in ihrer rechtlichen Argumentation verloren haben. Die Prioritäten der Kampagne liegen darin, alle rechtlichen Verfahren vor den Vereinten Nationen anzuklagen, Amnesty International davon zu überzeugen, den Fall als einen Missbrauch der Menschenrechte zu übernehmen und die größtmögliche Unterstützung von den Parlamentsmitgliedern, Juristen und Gewerkschaftlern dafür zu erhalten, die Öffentlichkeit zu informieren.
Wie Olga es kurz und bündig ausdrückt: "Menschen haben geographische Teilungen vorgenommen, um mehr Macht und Vorherrschaft zu erlangen, aber die Leute sind nur ein Volk. Ehrliche, friedliebende Leute werden sich zusammenschließen, auch wenn sie getrennt von einander sind. René und sein Bruder sind beide Kubaner, doch sie verteidigen uns alle. Nun verteidigen uns die britischen Menschen, und daher danken wir Euch für Eure Solidarität. Mit der Freiheit der Fünf, werden wir alle frei sein."

Deutsch: ˇBasta Ya!

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