Kolloquium zum Fall der Cuban Five im Französischen Parlament

Veröffentlicht am 11. Juni 2011, bei Cubanismo, Belgien

Von Katrien Demuynck

Am Samstag, dem 4. Juni, am Geburtstag von Gerardo Hernández, wurde im Saal Lamartine des Pariser Parlaments ein Kolloquium zu dem zweischneidigen Thema, der Prozess der Cuban Five einerseits und der Terrorismus und das Völkerrecht andererseits, abgehalten. Unter den um die 120 Anwesenden waren auch einige internationale Gäste. Aus dem französischen Parlament selbst waren einige Abgeordnete dort, die zur Freundschaftsgruppe Frankreich-Kuba gehören.

Ein internationales Tribunal für die Cuban Five

Die Sitzung wurde von dem Initiator der Veranstaltung Alexandre Zourabichvili, Anwalt der Pariser Anwaltschaft, eröffnet. Er wies daraufhin, dass der Prozess der Cuban Five der längste in der Geschichte der USA sei. Das Verfahren dauere nun schon 13 Jahre an. Die Sache sei von symbolischem Wert, nicht nur für Menschenrechtsorganisationen, sondern auch für Rechtsfakultäten. Sie zeige deutlich, wer an den Hebeln der Macht der US-Gerichte sitze.

Der erste Redner war Herr Roland Weyl, auch ein Anwalt der Pariser Anwaltschaft und Vizevorsitzender der Internationalen Vereinigung der Demokratischen Juristen (IADL). Dieser rüstige Herr von 92 Jahren, der sein Alter wirklich nicht hervorhebt, rief dazu auf, der Kampagne für die Freiheit der Cuban Five neuen Schwung zu geben. Die Verweigerung des Besuchsrechts sei bestehen geblieben, aber auch der Grund für den Prozess müsse in Frage gestellt werden. Es gebe heute neue Argumente, wie die Tatsache, dass der Terrorist Luis Posada Carriles in den USA öffentlich gefeiert würde. Gebe es denn etwa eine geduldete Art von Terrorismus? Weyl wies auch darauf hin, dass der Umstand, dass die Cuban Five von den USA für Spione gehalten wurden, gleichzeitig bedeute, dass die von den Fünf unterwanderten Terrororganisationen ein integraler Bestandteil der US-Politik seien. Nach Ansicht des Anwalts gebe es in den USA in diesem Fall keine unabhängigen Vertreter der Anklage. Es gehe hier um das Rechtssystem selbst, das sich weigere, die Opfer von "Agent Orange" [US-Entlaubungsaktion im Vietnamkrieg] zu entschädigen oder das Recht von Mumia Abu Jamal anzuerkennen. Weyl schloss seine Einwendungen mit der Ankündigung eines internationalen Tribunals wegen der Sache der Fünf, das die IADL im Frühjahr 2012 in Paris organisieren werde. Es würde ein Gegenprozess für die Cuban Five werden.

Neue Elemente im Prozess der Cuban Five

Im zweiten Teil kamen einige internationale Juristen zu Wort. Es ging um die aktuelle Perspektive für die Verteidigung der Fünf. Tecla M. Faranda, Anwältin der Anwaltschaft von Mailand, sprach über einige neue Beweise im Prozess. Sie habe 2008 der Anhörung im Prozess in Atlanta beigewohnt. Sie stelle sich die Frage, was wohl mit Kubanern auf US-Territorium geschehen würde, die Posada Carriles ausschalten sollten, einen Mann, der international wegen Terrorismus gesucht werde, so, wie es die USA mit Bin Laden in Pakistan gemacht hätten. Würde die Welt dazu jubeln? Oder wäre das dann nicht vielmehr eine gute Ausrede für die USA, in Kuba einzufallen?

Steve Cottingham von der Anwaltschaft in London gab eine Erläuterung zu dem Bericht von Amnesty International vom 13. Oktober 2010, in dem es den Rechtsweg der Cuban Five in Frage stellt - ein Bericht, der Eric Holder, den US-Justizminister schon einige Tage zuvor, am 4. Oktober auf dem Tisch hatte. Cottingham wies darauf hin, dass es eine politische Sache sei und kein juristisches Problem. Folglich müsse die Kampagne auch auf politischer Ebene weiter entwickelt werden.

Augustin Kemadjou, Anwalt von der Anwaltschaft Paris und Vorsitzender der Anwälte Afrikas und der Antillen in Frankreich, konzentrierte seine Einlassungen darauf, dass der Prozess der Cuban Five das fünfte "Amendment" [Zusatzgesetz] der US-Verfassung mit Füßen trete. Das Amendment garantiere das Recht auf einen fairen Prozess. Er plädierte für eine Revision des Prozesses. Die USA, die den Terrorismus auf der ganzen Welt bekämpften, müssten dann beweisen, dass sie auch im eigenen Land dazu imstande seien.

Edith Flamand, Anwältin der Anwaltschaft von Antwerpen und Mitglied des "Progress Lawyers Network", die selber bei drei Anhörungen im Prozess der Cuban Five anwesend war, erläuterte das Gesuch um das Habeas-Corpus-Verfahren der Verteidigung von Gerardo Hernández. Es gehe hier um ein Verfahren aus dem angelsächsischen Rechtssystem. Es sei dazu da, dass man den Prozess aufgrund neuer Beweise anfechten kann, eine Art der Berufung also beim ursprünglichen Gerichtshof. Für die Fünf ist das der Bundesgerichtshof in Miami. Eines der neuen Beweismittel, von denen die Rede ist, sei die Tatsache, dass die US-Behörden zurzeit des Prozesses Journalisten dafür bezahlt hätten, die Cuban Five schlecht zu machen. Angesichts dessen, dass die selbe US-Behörde auch die Vertretung der Anklage war, stelle das eine rechtswidrige Interessensvermengung dar. Im Moment sei es noch nicht sicher, ob die Richterin in Miami das Habeas-Corpus-Verfahren annehmen werde.

Staatsterrorismus gegen Völkerrecht

Maurice Lemoine, ehemaliger Chefredakteur von "Le Monde Diplomatique", sprach im dritten Teil der Sitzung über den Fall Posada Carriles und die antikubanischen Terrororganisationen in Miami. Er wies u.a. auf die Tatsache hin, dass die selbe Staatsanwältin Caroline Heck-Miller, die die Cuban Five in Miami angeklagt hatte und die aus dem öffentlichen Ministerium das Habeas-Corpus-Verfahren für Gerardo ablehnte, es nicht für nötig gehalten habe, Luis Posada Carriles wegen seiner Terrorakte zu verfolgen. Posada Carriles ist u.a. Mittäter bei einem Bombenanschlag auf ein kubanisches Linienflugzeug, bei dem es 73 Tote gegeben hatte. Er hatte kürzlich vor Gericht in Texas gestanden - wegen illegaler Einwanderung in die USA. Obwohl seine Terrorakte während des Prozesses ausführlich zur Sprache gekommen seien, habe Heck-Miller beschlossen, keine Anklage seitens der US-Regierung zu erheben.... Posada Carriles sei freigesprochen und in Miami mit allen Ehren empfangen worden.

Salim Lamrani vertiefte das Thema Handelskrieg und Staatsterrorismus gegen Kuba. Der Widerstand gegen die Kubanische Revolution habe schon seit Beginn des Guerilla-Kampfes gegen den Diktator Batista angefangen. Salim zitierte Che, der darauf hingewiesen habe, dass alle revolutionären Maßnahmen Reaktionen auf die Maßnahmen der USA gewesen seien. Die USA kündigten die ersten ökonomischen Sanktionen an und begannen mit den ersten Sabotage- und Terroranschlägen im März 1960, einen Monat, bevor Kuba Verbindung mit der Sowjetunion aufnahm. 1962 sollte Kennedy ein totales Embargo ankündigen, einschließlich das des Verkaufs von Lebensmitteln und Medizin, was gegen die Gesetzgebung der Vereinten Nationen verstößt. Um die kubanische Bevölkerung vor Preisspekulationen zu schützen, führten die kubanischen Behörden die "Libreta" , die staatlichen Zuteilungsheftchen, ein. Das Handelsembargo sei nur der Beginn des Handelskrieges gewesen, der seit der Einführung des Torricelli-Gesetzes (1992) und des Helms-Burton-Gesetzes (1996) den Charakter einer internationalen Finanz- und Wirtschaftsblockade annahm.

Alexandre Zourabichvili verglich zur Erläuterung die Resolution 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen mit der Haltung der USA. Die Resolution sei nach dem 11. September 2001 verabschiedet worden. Sie werde in diesem Jahr 10 Jahre alt. Der Anwalt las einige Passagen daraus vor. Danach verurteilt die Resolution jeden Terrorismus. Sie erkennt das Recht jeden Staates an, sich gegen Terrorismus zu verteidigen. Sie bittet alle Staaten um die Mitwirkung bei der Ausmerzung des Terrorismus. Warum ließen die USA einen Top-Terroristen wie Posada Carriles unbehelligt? Warum gewährten sie Terrororganisationen gegenüber Kuba auf eigenem Gebiet Unterstützung? Warum verwehrten sie Kuba das Recht, sich vor Terror zu schützen? Worauf beriefen sie sich schließlich, wenn sie die Fünf zu lebenslangen Strafen verurteilen, die sich in den USA aufhielten, um den Terror zu bekämpfen? Es werde deutlich, dass hier wieder mit zweierlei Maß gemessen werde.

Stephen Wilkinson, Direktor des "Centre for Caribbean and Latin American Research and Consultancy" an der Londoner Metropolitan University, schloss diesen Teil der Sitzung mit der Darstellung des heutigen Stands der Beziehungen zwischen den USA und Kuba und der Politik der Obama-Administration gegenüber Kuba ab: Als der Demokrat Obama 2008 seinen Wahlkampf führte, habe er einige denkwürdige Versprechen in dem traditionell von der anti-kubanischen Lobby dominierten und republikanisch abstimmenden Florida abgegeben. Er habe gelobt, insbesondere die Beziehungen zu Kuba zu verbessern. Konkret habe er zweierlei in Aussicht gestellt: Er wolle die Reisebeschränkungen aufheben und das Gefangenenlager in Guantánamo schließen. Sein republikanischer Gegenkandidat McCain habe das Gegenteil versprochen: Er wolle unter anderem die Blockade verschärfen und die Kontakte zu Kuba erschweren. Aber Obama gewann in Florida. Das weise auf einen deutlichen Umschwung hin. Die Rolle der Anti-Castro-Lobby scheine ausgespielt zu haben.

Laut Wilkinson sei aber der Dinosaurier noch nicht tot, und Obama habe sein Versprechen nicht gehalten. Es habe sich im wesentlichen nichts verändert. Die wenigen getroffenen Reisemaßnahmen seien durch den nächsten Präsidenten leicht umkehrbar. Andererseits habe Obama auch in diesem Zusammenhang wenig Macht. Er könne beispielsweise an den Blockadegesetzen nichts ohne die Bestätigung durch den Kongress verändern. Dennoch verfolge Obama die Sache weniger hart als der vorherige US-Präsident. Der Einwanderungsdialog mit Kuba sei eröffnet worden und es gebe Beziehungen zwischen den beiden Ländern hinsichtlich der Vorbeugung von Orkanschäden in der Umwelt. Auch sei die Gefahr einer Militärinvasion gewichen, die unter Bush real gewesen sei. Die Reiseerleichterungen hätten zur Folge gehabt, dass im vorigen Jahr 200.000 Cubano-Amerikaner Kuba besucht hätten. In diesem Jahr erwarte man eine halbe Million. Es sei möglich, dass ein zweites Mandat Obama mehr Raum ließe. Vor den Präsidentschaftswahlen 2012 könne man laut Wilkinson wenig von Hoffnung auf Verbesserung sprechen. Am 12. Mai habe Obama noch erklärt, dass die angekündigten Wirtschaftsreformen auf Kuba unzureichend seien.

Die politische Kampagne muss verstärkt werden.

Im letzten Teil kamen die Solidaritätsbewegungen mit den Cuban Five zu Wort.
Charly Bouhana, Vorsitzender von "Cuba Sí France" und Annie Arroyo von "France-Cuba" sprachen für Frankreich. Stephen Cho, Direktor vom "Institut du 21ieme Siécle de Recherches d'Etudes Coreenes" sprach seine Unterstützung der Kampagne für die Freiheit der Fünf aus. Katrien Demuynck rief als Koordinatorin der Kampagne für die Freiheit der Fünf in Europa dazu auf, die Kampagne politisch zu führen und wies auf die kleinen Erfolge, die wir in Belgien hatten, hin. Auch Gloria González vom Internationalen Komitee rief die Anwesenden dazu auf, im Einsatz nicht nachzulassen und das Unrecht nicht zu akzeptieren. Zum Schluss erklärte Colette Finet, kommunistische Bürgermeisterin der Gemeinde Longeau, nahe bei Amiens, dass die Cuban Five zu Ehrenbürgern ihrer Gemeinde ernannt worden seien und dass ihre Fotos im Rathaus so lange hängen bleiben sollten, bis sie tatsächlich frei seien.
Schließlich verlas Herr Augustin Kemadjou eine kurze Schlusserklärung, die an alle französischen Abgeordneten weitergeleitet werden solle. Orlando Requeijo Gual, kubanischer Botschafter in Frankreich, hielt eine Dankesrede an alle Teilnehmer und Anwesenden. Seine Worte bildeten den Abschluss eines erfolgreichen Tages. Wir haben nicht nur neue Informationen erhalten, sondern konnten auch im Hinblick auf die Verstärkung der Kampagne internationale Kontakte knüpfen.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb)

(Quelle: Cubanismo, Belgien vom 11. Juni 2011)

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