Die Sache der Cuban Five - entscheidend für eine mögliche Wende in den US-Kuba-BeziehungenKatrien Demuynck, 9. August 2014
Sechzehn Jahre dauert sie nun, die unrechtmäßige Gefangenschaft der Cuban Five. Zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren haben wir Gerardo Hernández, den Leiter des so genannten Wespennetzwerks, in einem amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis besucht. Inzwischen ist viel passiert.
Dank der weltweiten Kampagne ist die Sache sehr bekannt geworden und erhält sehr breite Unterstützung. Diesmal sieht man zum ersten Mal Licht am Ende des Tunnels. Antiterroristen Die fünf kubanischen Agenten, deren Mission darin bestand, geplante Terroranschläge rechtzeitig aufzudecken, wurden 1998 vom FBI in Miami verhaftet. Allerdings waren da ihre Undercover-Aktivitäten schon einige Jahre zuvor entdeckt worden. Sie waren damals schon einige Male zuvor in Gerardo Hernández’ Wohnung eingedrungen, um alles digitale und anderes Material zu kopieren. Mehr noch, die von den Cuban Five gesammelte Information hatte das FBI genutzt, um bestimmte, aus dem Ruder gelaufene Zustände in den Griff zu bekommen: so beispielsweise die Anwesenheit eines mit Sprengstoff beladenen Schiffes mitten im Zentrum von Miami. Aber 1998 trat beim FBI in Miami ein neuer Chef an, Hector Pesquera, der mit der kubanisch-amerikanischen Mafia unter einer Decke steckte, und der daher beschloss, die Fünf zu verhaften.
2001, im Jahr der schrecklichen Anschläge auf die Twin-Towers und dem Beginn von Bush’s "War on Terror", wurden die die fünf kubanischen Antiterroragenten zu extrem hohen Strafen verurteilt. Insgesamt zu vier Mal lebenslänglich und 77 Jahren. "Lockdown" [Einschluss]
Wir hatten beschlossen, genau 10 Jahre nach unserem ersten Besuch, Gerardo Hernández zum dritten Mal im Hochsicherheits-Bundesgefängnis in Victorville, Kalifornien, zu besuchen. Victorville ist eine unbedeutende Stadt, ungefähr zwei Stunden Autofahrt von Los Angeles entfernt. Sie liegt mitten in der trostlosen Mojave-Wüste. Das einzig Erwähnenswerte an dieser Stadt ist vielleicht die legendäre Route 66, die durch sie hindurch führt. Das Gefängnis selbst liegt im Ortsteil Adelanto. "Welcome to Adelanto, the city with unlimited possibilities" [Willkommen in Adelanto, der Stadt mit den unbeschränkten Möglichkeiten] sagt ein Schild am Straßenrand, während schon von Weitem die grimmigen Aussichtstürme des Gefängnisses zu sehen sind.
Als wir auf den Parkplatz des Hochsicherheitsgefängnisses fahren, taucht plötzlich wie aus dem Nichts ein Fahrzeug mit heulenden Sirenen vor uns auf. "Lockdown. No visits today until further notice." [Einschluss. Heute bis auf Weiteres keine Besuche.] Wir bekommen nicht einmal die Chance, zum Empfangstisch vorgelassen zu werden, um uns zu erkundigen. Zurück nach Hause oder besser gesagt, zum Motel in der Nachbarschaft, wo wir uns einquartiert haben. Wir haben keine einzige Möglichkeit mit Gerardo zu kommunizieren. Ich kann das Gefühl, das einen dabei überkommt, kaum beschreiben. Da sitzt auf der anderen Seite von all dem Stacheldraht und den Betonmauern ein Mann, der nach Besuch Ausschau hält, und man kann ihn nicht einmal wissen lassen, dass wir es morgen wieder versuchen werden. Das ganze Wochenende - es gibt nur Besuchstage am Samstag, Sonntag und Montag - bleibt die Situation, wie sie ist: "Lockdown, no visits until further notice." Auch in der folgenden Woche bleibt es beim Anwählen des Telefons im Gefängnis. Ab und zu sieht es so aus, als ob wir einen "operator" zu fassen kriegen. Das bringt uns aber nichts. Keine Kommunikation, das ist der tödliche Standard in diesem System. Innerhalb eines Hochsicherheitsgefängnisses.
Zum Glück waren wir darauf vorbereitet, noch ausreichend lange für ein zweites Besuchswochenende bleiben zu können. Am Freitag kam ich mit dem Gefängnis in Kontakt: "Normalerweise wäre der Lockdown morgen beendet. Rufen sie nur noch einmal zurück, damit wir nachsehen können, ob sie auf der Besucherliste stehen." Ich habe da noch wohl 40 Mal angerufen (nach meinem GSM), aber bin danach nicht mehr durchgekommen.... Das einzige, was uns blieb, war, um genau 8 Uhr an den Eingang des Gefängnisses zu gehen, um zu sehen, wie es steht. Um in den Besucherraum zu kommen, muss man durch zwei Schleusen gehen. An der ersten Schleuse muss man durch einen Metalldetektor. Normalerweise folgt danach auch eine Untersuchung auf Drogen, aber das machen sie schon einige Zeit lang nicht mehr, weil der Alarm sonst wahllos losginge. Dann kriegt man einen unsichtbaren Stempel und wird an einer schweren Metalltür weitergeleitet. Auf der anderen Seite sieht ein Beamter nach, ob du den Stempel hast und ob dein Gesicht dem im Pass entspricht, den er inzwischen durchgereicht bekommen hat. Du darfst wirklich nichts bei dir haben außer einer durchsichtigen Plastiktüte mit 25-Cent-Stücken. Autoschlüssel und Uhren müssen abgegeben werden. Aus der ersten Schleuse gelangt man in einen Innenhof. Nun ist man schon innerhalb der Mauern und der Stacheldrahtabsperrung. Auf der anderen Seite des Innenhofs öffnen sie wiederum eine schwere Tür, und so kommt man in eine zweite Schleuse. Da hängt ein Plakat, das weist einen auf das korrekte und respektvolle Verhalten des Gefängnispersonals hin, womit sie das der Gefangenen korrigieren, um aus ihnen wieder gute Menschen zu machen. Aber sag ’mal? Davon merkt aber nicht so viel, finde ich. Der Saal, in dem der Besuch empfangen wird, ist ein großer völlig abgeschlossener Raum. Er ist leer, abgesehen von ein paar Getränke- und Keksautomaten an der hinteren Wand und zwei erhöhten Tischen, von wo aus die Gefängniswärter ihn beaufsichtigen. Es ist ein Raum für 22 Besucher. Graue Plastikgartenstühle und kleine niedrige ebensolche Tischchen stehen über den Raum verteilt. Einige bieten für einen, zwei oder mehr Besucher pro Gefangenem Platz. Wenn man hereinkommt, wird einem ein Platz zugewiesen, und da muss man dann sitzen und auf den Gefangenen warten. Mann kann sich wohl schon etwas aus dem Automaten holen, denn bis zum Ende der Besuchszeit um 15.OO Uhr ist es das einzige, was man trinken oder essen kann. Toll? Der Automat mit den Sandwiches und ein anderer daneben waren defekt. Blieb nur noch der mit Keksen und Chips,.am zweiten Tag funktionierte der auch nicht mehr. Gerardo
Um 9:30, ungefähr anderthalb Stunden nach unserer Ankunft, sitzen wir auf unserem Platz, und zwanzig Minuten später wird Gerardo hereingebracht. Er muss sich erst an dem Aufsehertisch melden und kommt dann auf uns zu. Zei für eine rasche Umarmung. Das darf einmal bei der Anklunft und einmal am Ende des Besuchs sein, und das ist es dann auch gewesen. In der übrigen Zeit wird streng darauf geachtet, dass Gefangene und Besucher jeweils auf ihrer Seite des Tischchens bleiben und sich vor allem einander nichts zuschieben, auch nicht einander nähern, um sich wegen des Geräuschpegels und der schlechten Akustik im Saal besser zu verständigen zu können.
Wir sind zehn Jahre weiter seit unserem ersten Besuch. Zehn weitere Jahre in der deprimierenden und gefährlichen Umgebung eines Hochsicherheitsgefängnisses haben keinen Deut an der moralischen Kraft und dem Optimusmus von Gerardo geändert. Beim allerersten Mal, als wir schwer unter dem Eindruck dieser Umstände in so einem Gefängnis standen, brach er das Eis mit: "Tut, als ob ihr zu Hause wärt´." Auch dieses Mal fällt er mit der Tür ins Haus: "Wie geht es euch? Den Kindern und den Freunden? Und wie geht’s es Pancho?" Pancho heißt eigentlich Chucho. Das ist unser einzigartiger Zwergpapagei, der gelernt hat: "Free the Five!" zu sagen. Ein Scherz folgt dem nächsten. Als die Automaten nicht mehr funktionieren wollen, die einzige Möglichkeit, in der ganzen Zeit bis 15:00 etwas zwischen die Zähne zu kriegen, witzelt er: "Es ist nun ’mal Ramadan, und es ist Wochenende, logisch, dass sie nicht funktionieren." Warum sind dort für 1.400 Menschen nur 22 Besucherplätze vorgesehen? Oder warum stellen sie nicht ein paar mehr Tischchen dazu? Der Raum hat mehr als reichlich Platz, doch der Wille, sich menschlich zu geben, ist nicht vorhanden. Wir kommen natürlich aus Belgien, aber die meisten Leute hier kommen aus anderen Staaten, oft mit dem Flugzeug und vor allem mit enormem finanziellen Aufwand. Die Hautfarbe der Gefangenen ist überwiegend dunkel, von Latino- bis zu afrikanischer Abstammung, das sind bekanntermaßen nicht die kapitalkräftigsten Gesellschaftsgruppen in den USA. Von den Leuten, die uns ansprachen, kam eine Familie aus Houston, Texas. Man kann es damit vergleichen, ob man von Belgien aus seinen Sohn in einem Gefängnis in Moskau besuchen müsste - die Leute waren wie viele andere, die wir hier trafen, einfach ratlos. Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb) (Quelle: cubanismo.net vom 9. August 2014) |