Genf, 21.03.2003:
Solidaritätskundgebung mit Cuba vor den Vereinten Nationen

Anlässlich der alljährlichen Konferenz der Menschenrechtskommission bei den Vereinten Nationen in Genf trafen sich am Freitag, dem 21.03.03, die Delegierten der europäischen und lateinameri-kanischen Cuba-Solidaritätsgruppen um 12:30 auf dem Platz der Vereinten Nationen zu einer Kundgebung.

Wir versammelten uns auf der grasbewachsenen Verkehrsinsel des Platzes, zwischen zwei Bushaltestellen, über der als Blickfang ein von massiven Holzpfeilern getragener ebenso hölzerner Stuhl schwebt. Eines seiner vier Beine ist abgebrochen oder besser, "abgesplittert". Dieses Detail sollte aber nicht die mögliche Hinfälligkeit der Arbeit in den umliegenden Glashochhäusern der Vereinten Nationen andeuten, sondern, wie ich später las, soll der "hölzerne Stuhl" ein Symbol für die Landminen sein, die immer noch so viele Kinder töten oder verstümmeln.

Hintergrund unserer Veranstaltung war der regelmäßig wiederkehrende Versuch der USA, Cuba wegen angeblicher Verletzung der Menschenrechte vor der Menschenrechtskommission anzuklagen und verurteilen zu lassen. Der Vorwurf der Menschenrechtsverletzungen dient den USA zur Begründung ihrer Wirtschaftsblockade nach dem Helms-Burton-Gesetz und erschwert auch die Handelsbeziehungen Cubas mit Europa, d.h., Cubas Beitritt zur der dem europäischen Markt assoziierten internationalen Handelsgemeinschaft nach dem Cotonou-Abkommen, das als nachträgliche Entschädigung für die "AKP-Staaten", die ehemaligen Kolonialländer Afrikas, der Karibik und des Pazifiks geschaffen wurde.

Ursprünglich wurde diese Kundgebung schon im Vorjahr von Martin Österlin, Mitglied der schwedischen Cuba-Solidaritätsgruppe, Svensk – Kubanska Föreningen, angeregt. Unter seinem Banner, "Cuba - Champion of Human Rights", versammelten sich aber wegen der zu kurzfristigen Planung nur knapp hundert Teilnehmer.

Auf dem Pan-Europäischen Cuba-Solidaritätskongress in Wien vom 20.-22. September 2002 wurde daher noch einmal zur Teilnahme an dieser Kundgebung im nächsten Jahr aufgerufen und ein Planungsgremium unter Leitung der Schweizer gebildet.

Mit allgemeiner Zustimmung wurde dort beschlossen, dass wir Cuba-Solidaritätsgruppen aus der Defensive heraus treten und unsere nächste Kundgebung im Zeichen kubanischer Lebensfreude und seiner sozialen und kulturellen Errungenschaften gestalten wollten.

Wir konnten damals allerdings noch nicht ahnen, wie sehr unser aller Lebensfreude bis zu dem geplanten Termin durch die kommenden Ereignisse getrübt sein würde.

So fand unsere diesjährige Kundgebung im Schatten des am 20.03. begonnenen Angriffskriegs auf den Irak statt. Und - unsere "Cuban Five", Gerardo, Ramón, René, Fernando und Antonio befanden sich seit dem 28.02 bzw. 3.3.03 in menschenrechtswidriger Isolationshaft. Andererseits war der Antragsabgabetermin der Revisionsanträge ihrer Anwälte für die Berufungsverhandlung am 11th Circuit Court of Appeal in Atlanta auf den 7. April festgesetzt worden und stand also kurz bevor.

Die meisten von uns waren im Vorfeld damit beschäftigt gewesen, an den Demonstrationen gegen den sich ankündigenden Krieg teilzunehmen und wegen der Isolationshaft der Fünf Protestbriefe an die Petitionsstelle der Vereinten Nationen, an den Justizminister der USA, John Ashcroft, und an andere zuständigen Behörden in den USA zu schreiben.

Trotzdem konnten die Schweizer Organisatoren jetzt zahlreiche Delegierten aus der europäischen und lateinamerikanischen Solidaritätsbewegung begrüßen. Die Angaben über die Teilnehmerzahl auf dem Platz schwankten zwischen 200 und 300. Ein ganzer Bus mit der Aufschrift "Pace" kam aus Italien. Bald beherrschten unsere mitgebrachten Cuba-Fahnen, Transparente und Plakate das Bild. So eigneten sich z.B. die Holzpfeiler des denkwürdigen Stuhls hervorragend zur Befestigung einiger unserer Transparente mit den Abbildern der Fünf. - Die Deutschen waren zusammen mit Vertretern der cubanischen Botschaft aus Berlin, München, und dem westdeutschen Raum zu insgesamt mindestens 15 Personen angereist. Die Österreicher waren durch vier Abgeordnete vertreten. Es kamen Delegierte aus Schweden (wieder mit ihrem Banner aus dem Vorjahr), Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Lateinamerika und aus verschiedenen Schweizer Städten.

Unser aller Wiedersehensfreude steigerte sich, als wir dann noch Olga Salanueva, die Frau von René González, Adriana Pérez, die Frau von Gerardo Hernández und Aleida Guevara sowie Elio Gamez und Gabriél Benítez vom ICAP unter uns willkommen heißen konnten.

In den nun folgenden Ansprachen begannen die meisten Delegierten zunächst mit einer Solidaritäts-bekundung für die irakische Bevölkerung, so, wie auch die cubanische Delegation uns einen Brief der Angehörigen ihrer Botschaft im Irak vorlas, indem sie uns mitteilten, in Bagdad an der Seite ihrer irakischen Freunde bleiben zu wollen. Natürlich brachten die Redner ihre Empörung über die menschenrechtswidrige Behandlung der fünf cubanischen Gefangen innerhalb ihrer derzeitigen Isolationshaft zum Ausdruck, und in diesem Zusammenhang konnten dann endlich auch die Errungenschaften des tapferen cubanischen Volkes hervorgehoben werden, für deren Bewahrung und Verteidigung die Fünf sich solchen Gefahren ausgesetzt hatten und die der eigentliche Grund für unsere Kundgebung auf diesem Platz war.

Olga und Adriana sprachen zu uns vor allem jeweils über die ihnen bekannt gewordenen schrecklichen Haftbedingungen der Fünf und vertraten deren Anspruch auf Rehabilitation und Freilassung mit Mut und Würde.

Insgesamt wurden über 20 Grußbotschaften verlesen, auch von Solidaritätsgruppen, die keine Delegierten schicken konnten, wie z.B. aus Osteuropa und aus Guatemala.

Das cubanische Fernsehen filmte die Veranstaltung und interviewte verschiedene Teilnehmer, unter anderem auch die Vertreter des deutschen Komitees ˇBasta ya!

Ein Vertreter der deutschen Presse, Rainer Schultz von "junge welt", sagte, er sei zur Berichterstattung über die Verhandlungen der Menschenrechtskommission delegiert worden und stellte sich gleichzeitig als Mitglied der Westberliner Freundschaftsgesellschaft mit Cuba vor. Er teilte uns mit, dass die Mitglieder der Vereinten Nationen vorrangig mit dem Problem befasst seien, wie man die benötigten Gelder für die zu erwartenden Flüchtlingsströme aus dem Irak aufbringen könne.

Die Schweizer Presse schien auf dem Platz nicht anwesend zu sein.

Unser im Demonstrationsprogramm vorgesehener Marsch durch die Genfer Innenstadt zur Kongresshalle, der "Salle de Faubourg", in der die Veranstaltung um 18:00 Uhr fortgesetzt werden sollte, war laut Aussage von Samuel Wanitsch, dem Sprecher der Schweizer Koordinationsgruppe, wegen der Überlastung der Genfer Polizei durch die Friedensdemonstration am Vortag, bei der Zehntausende gezählt worden waren, nicht genehmigt worden.

So nahmen wir unseren Weg zur Kongresshalle, wie empfohlen, "privat" und ziemlich still im Gänsemarsch hintereinander auf dem Bürgersteig. Als wir allerdings durch den Bahnhofstunnel im Zentrum zogen, stimmten die Italiener die Internationale an, und der Tunnel hallte wider von unserem Chorgesang.

In der "Salle de Faubourg" eröffnete Franco Cavalli, Mitglied des Schweizer Nationalrates und Vizepräsident von Medi-Cuba, pünktlich um 18:00 vom Podium der mittlerweile vollbesetzten Halle die nun folgenden Redebeiträge. Die Teilnehmerzahl war nach Angaben der Veranstalter auf fast Tausend angewachsen. Der Parlamentarier hob Cubas beispielhafte Leistung für den sozialen Frieden hervor.

Dann ergriff der kubanische Außenminister, Felipe Perez Roque, das Wort. Er berichtete von dem wachsenden internationalen Widerstand gegen die über Cuba verhängte Wirtschaftsblockade, denn mittlerweile unterstützten 173 Länder den Antiblockadeantrag Cubas vor der Versammlung der Vereinten Nationen.

Es meldeten sich währenddessen verschiedene Pressevertreter und Aktivisten aus dem Auditorium. Felipe Perez Roque ging sofort bereitwillig und ausführlich auf ihre Fragen ein. Er erklärte den Anwesenden z.B. welche Rechtfertigungsfunktion die seit Jahren immer wieder vorgebrachte Anklage Cubas vor der Menschenrechtskommission für die Aufrechterhaltung der Handelsblockade seitens der USA habe. Er nahm u.a. Bezug auf eine jüngst erschienene dpa-Meldung, nach der unser Innenminister, Otto Schily, seine Kritik an der Behandlung der Kriegsgefangenen auf dem US-amerikanischen Stützpunkt in Guantanamo geäußert hatte und bat uns, Otto Schily auch auf die menschrechtswidrige Behandlung der Fünf innerhalb der USA aufmerksam zu machen.

Auf Nachfragen stellte er die frühere Ermittlungsarbeit der Fünf dar und betonte deren Notwendigkeit mit der Aufzählung der Opfer der Terroranschläge, die im Laufe der Jahre von den Exilcubanern mit Hilfe der CIA verübt wurden, u.a. nannte er auch die Namen der dabei umgekommenen kubanischen Diplomaten. Sinngemäß antwortete der Außenminister auf die Frage eines Italieners, wie man denn die Freilassung der Fünf erreichen könne: Wenn die Informationen über den Fall verbreitet und das Schweigen einmal durchbrochen sei, könne die Forderung nach einem fairen Prozess für die Fünf nur von Erfolg gekrönt sein. Die Fünf seien schließlich ein Beispiel für die Notwendigkeit antiimperialistischen Widerstands. Im Schatten des jetzigen Bombenangriffs auf den Irak, nähmen auch die Aggressionen gegen sein Land wieder zu. Er erwähnte in diesem Zusammenhang die gegen internationales Recht verstoßenden Aktivitäten des Chefdiplomaten der US-Interessenvertretung in Havanna, James Cason, der subversive Treffen innerhalb Cubas fördere und arrangiere. Er bestätigte, dass James Cason daher unter Hausarrest gestellt wurde und die so genannten Dissidenten am 18.3. wegen ihrer staatsfeindlichen Aktivitäten im Sold der USA festgenommen wurden. "Cuba wartet auf eine, wie auch immer geartete Invasion nicht mit verschränkten Armen" beendete der Außenminister sein Plädoyer für Cubas Anspruch auf Souveränität.

Olga Salanueva kam noch einmal zu Wort, und stellte ebenfalls einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der ungerechten Verurteilung und den schrecklichen Haftbedingungen ihres Mannes und dessen vier "Brüdern" zu den jetzigen Leiden des irakischen Volkes her. Beides verwiese auf die Unglaubwürdigkeit des angeblichen "Krieges gegen den Terror".

Aleida Guevara nannte die Fünf in einer bewegenden Rede ihre Brüder, die wahren Söhne ihres Vaters, die sein Werk fortsetzten und die größtmögliche Unterstützung verdienten. Und sie zitierte Che, der ihr, als sie 5 Jahre alt war, erklärt habe, dass ein Revolutionär jedes Unrecht auf der Welt so wahrnehmen müsse, "als geschehe es ihm selbst". Und sie ergänzte noch, dass sie erst jetzt durch das Beispiel dieser tapferen Männer wirklich begreifen könne, warum sie als Kind überwiegend vaterlos aufwachsen musste.

Während der Reden kletterte übrigens die gerade erst Fünf gewordene Tochter von Olga und René, Ivette, zu ihrer Mama auf’s Podium.

Zuletzt sprach André Hediger, Stadtrat aus Genf.

Alle Redner und Rednerinnen erhielten stehenden Applaus.

Und danach begann das Fest mit Musik und Tanz.

Nachtrag: Am 3. April 2003 berichtete Radio Havana Cuba, dass Olga Salanueva, Ehefrau von René González, am Mittwoch, dem 2.4., vor der 59. UN-Menschenrechtskommission eine Rede gehalten habe. Darin habe sie die während des Prozesses von der US-Regierung begangenen Verstöße gegen die Rechte der Fünf angeprangert. Und natürlich habe sie betont, dass die fünf Kubaner völlig zu unrecht verurteilt worden seien, da ihr einziges Verbrechen darin bestanden habe, dass sie sich in anti-kubanische Terrorgruppen, die völlig unbehelligt in Miami operieren, einschlichen, um Informationen über zukünftige Anschläge gegen Kuba zu bekommen.
(Quelle: Radio Havana Cuba vom 3. April 2003)

Verf.:Josie Michel-Brüning

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