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MIT LABAÑINO, EINEM DER 5 KUBANER, HINTER
MAUERN:
„ICH TRAGE DIE GEFÄNGNISUNIFORM MIT EHRE UND STOLZ“
Von Gloria La Riva
Beaumont, Texas
Ramon Labañino wäre nichts lieber als bei seiner Frau, Elisabet
Palmeiro und seinen drei heranwachsenden Töchtern zuhause zu sein.
Er verpasste die kostbare Zeit bei seiner Mutter zu sein, als sie 1998
starb.
Aber Ramon gab sein persönliches Leben in Kuba auf, um sich in einer
wichtigen aber gefährlichen Mission innerhalb der Vereinigten Staaten
zu engagieren, nämlich Kubaner vor aus Südflorida kommenden
Terrorangriffen zu schützen. Er zog 1993 nach Tampa, Fla., nicht
nur um seine eigene Familie, sondern 11 Millionen Menschen in Kuba vor
der aus den Vereinigten Staaten seit der kubanischen Revolution auf sie
gerichteten Aggression und Feindseligkeit zu schützen.
Ramón wurde von Kuba dazu entsendet, das zu tun, wozu sich die
US-Regierung über Jahrzehnte weigerte, nämlich die zahllosen
von Miami ausgehenden Bombenattentate und Sabotageakte zu beenden.
Für diese heldenhafte Bemühung wurde er zu lebenslänglicher
Haft im Bundesstaatsgefängnis in Beaumont, Texas verurteilt. Es gibt
keine Entlassung auf Bewährung aus einem Bundesgefängnis.
Er und seine vier Brüder, bei ihren Unterstützern als die „Cuban
Five“ bekannt, wurden vom FBI 1998 festgenommen, von der US-Regierung
angeklagt und von Geschworenen in Miami im Juni 2001 für schuldig
befunden. Das sagt alles über US-Politik: Die Terroristen laufen
frei in Miami herum, während die Antiterroristen im Gefängnis
sind.
Mir war es vergönnt, Ramón Ende Dezember im Gefängnis
in Beaumont, östliches Texas, besuchen zu dürfen. Bei dem zweitägigen
Besuch begleitete mich die bei vielen Texashäftlingen durch ihre
unermüdliche Verteidigung von deren Rechte bekannte Houston Aktivistin
Gloria Rubac.
Gloria und ich kamen tiefbewegt von Ramons Persönlichkeit, der Stärke
seiner Prinzipien und dem von ihm gezeigten Optimismus trotz Gefängnisdaseins
von dort zurück.
Das Erste, was er uns bei unserem Treffen sagte, war: „Zuerst möchte
ich euch wissen lassen, wie hoch wir, meine Brüder und ich, eure
Solidarität und die Unterstützung aller unserer Freunde in den
USA schätzen. Bitte sagt allen, dass wir ihnen sehr danken.“
Es war mitten in den Ferien, und Ramón erhielt 10 bis 15 Briefe
am Tag. Die Briefe, die von so weit her kamen, wie Argentinien und Schottland
waren wirklich eine moralische Unterstützung. Er lachte, weil einige
seiner Gefängnisfreunde sagen, er sei berühmt. Sie haben mittlerweile
gemerkt, dass er ein politischer Gefangener und in den Augen seiner Landsleute
in Kuba ein Held ist.
Ramon zählte die Stunden bis seine Familie ihn besuchen würde.
Nach fast sechsmonatiger Verzögerung für den Erhalt eines Visums
vonseiten der US-Behörden, werden seine Frau, seine Töchter
und sein Vater ihn Ende Januar und Anfang Februar endlich umarmen und
ihm die Nachrichten aus der Heimat mitbringen können.
In der Mitte unserer Besuchszeit wurde Ramón von einem anderen
Gefangenen ein Sandwich gebracht. Es war klar, er wird respektiert. Als
wir mit Softdrinks anstießen, winkte ein Freund seinem Kumpel zu:
„großer Medina“. Ramons offizieller Name im Gefängnis
ist Luis Medina, weil er unter diesem Namen in Florida lebte. Er musste
unter angenommenem Namen in Tampa wohnen. Es hätte ihn in Gefahr
gebracht, offen zu operieren. Am Eröffnungstag der Gerichtsverhandlung
gaben er und zwei andere Kubaner stolz ihre wahren Namen preis, auch sie
hatten andere Identitäten angenommen - Gerardo Hernandez und Fernando
González.
Im Gefängnis sollte er bei seinem richtigen Namen genannt werden,
aber es ist schwer durchzuhalten, wenn er offiziell Medina ist.
Er nickte, als wir bemerkten, wie schwer es ist, seinen Nachnamen auszusprechen.
Bei den Videoaufnahmen, die das Unterstützungskomitee über die
Fünf machte, mussten wir mehr als einmal die Sprecher austauschen,
weil das „ñ“ mit nachfolgendem „i“ ein
richtiger Zungenbrecher ist. Er lachte darüber.
Wir erzählten ihm, dass Mumia Abu-Jamal gerade eine Kolumne über
die fünf Kubaner geschrieben und dringend Unterstützung für
seine kubanischen Brüder in „einem wirklichen Kampf gegen Terrorismus“
gefordert hatte. Ramón fand es aufregend, die Nachricht zu hören
und fühlte sich durch Mumias Geste geehrt. Er bat uns, ihm seine
Wertschätzung und Solidarität mit ihm zu übermitteln.
Ramón arbeitet in Tagesschicht im Gefängnis. Er ist Sanitäter
und hält den Waschraum sauber. Jede freie Minute nutzt er zum Lesen,
Briefe an seine Unterstützer zu schreiben und zur Vorbereitung seines
Berufungsverfahrens.
STRAFE FÜR INNERLICHES FREIHEITSGEFÜHL
Er erzählte uns die Geschichte über seine Überführung
nach Beaumont nach seiner Verurteilung, und über seine Befragung
durch die Gefängnisleitung, die mit jedem ankommenden Insassen durchgeführt
wird. Einer seiner Interviewer dachte, er müsste es ihm schwer machen.
Er wollte ihm deutlich machen, dass er, Ramón, ein Gefangener sei
und sich möglichst daran gewöhnen müsse. Ramón sagte
aufrichtig, „Um die Wahrheit zu sagen, ich fühle mich nicht,
als ob ich im Gefängnis wäre. Ich bin aus politischen Gründen
hier.“
Ein Gefangener mit der Bewusstseinshaltung, sich hinter Gittern frei fühlen
zu können, war zu viel für einen Gefängnisangestellten.
Er verordnete Ramón eine Woche Isolationshaft. Um die Strafe zu
verschärfen, sagte er, von da an solle Ramón alle zwei Stunden
vor den Gefängnisbeamten zum Rapport erscheinen von 8 Uhr morgens
bis 8 Uhr abends. Die Anordnung gilt bis jetzt. Egal, was er gerade tut,
exakt alle zwei Stunden muss er zu den Wachhabenden gehen.
Ramon lächelt, als er sich zurückruft, dass er ehrlich einen
Moment lang dachte, es sei ein Privileg und seinem Interviewer sagte,
„Bitte geben sie mir keine bevorzugte Behandlung, ich möchte
wie alle anderen behandelt werden.“ Ramón ist keiner, der
sich beklagt.
Doch selbst die Wachen lernten ihn kennen und behandeln ihn mit gewissem
Respekt. Einer aus der Verwaltung las ein Buch, in dem Ramóns Verteidigungsrede
bei der Verurteilung wiedergegeben wird und war verblüfft von der
Kühnheit seiner Worte im Gerichtssaal.
Das Buch trägt den Titel „Mit Ehre, Mut und Stolz“ und
enthält die anregenden und historischen Reden aller fünf: Ramon
Labañino, Gerardo Hernandez, Antonio Guerrero, Fernando González
und René González.
Ramon beendete seine Rede bei der Verurteilung mit den Worten: „Wenn
die Bewahrung unschuldiger Menschen vor dem Tod, die Verteidigung unser
beider Länder vor Terrorismus und die Verhütung einer sinnlosen
Invasion auf Kuba der Grund meiner heutigen Verurteilung ist, dann soll
diese Verurteilung willkommen sein.
Ich werde meine Gefängnisuniform mit der selben Ehre und dem selben
Stolz tragen, wie ein Soldat seine höchsten Auszeichnungen. Dies
war ein politischer Prozess, daher sind wir politische Gefangene.“
Nach unserem Besuch ging Ramon durch die Metalltüren zurück
in seinen Zellentrakt. Wir erinnerten uns seiner heroischen Worte. - Ja,
er geht hoch aufgerichtet und stolz.
(La Riva ist die Koordinatorin des Nationalkomitees zur Befreiung der
Fünf, www.freethefive.org)
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BERUFUNGSTERMIN FÜR APRIL ANBERAUMT
Der 7. April ist als Termin für die Anwälte der fünf Kubaner
zur Einreichung ihrer Antragsunterlagen für ihre Berufung am 11th
Circuit Court in Atlanta festgesetzt worden. Die Fünf werden einen
Gemeinschaftsantrag stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden mündliche
Argumente angehört. Dies macht den Kampf um die öffentliche
Meinung für die Belange der Fünf um so dringender. Die US-Regierung
hat sie strafrechtlich verfolgt. Es wird die Aufgabe der Bevölkerung
der Vereinigten Staaten und der Welt sein, sie zu befreien. Zur Beteiligung:
nehmt Kontakt mit den Free the Five Komitees auf bei www.freethefive.org
oder ruft (415) 821-6545 an.
Deutsch: ¡Bast ya!
Aus „Workers World News Service“
Druckausgabe vom 16. Januar 2003
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