GRANMA, 3. November 2003

KOLLATERALSCHADEN BEIM GERICHTSVERFAHREN DER FÜNF

"Ich möchte zu meinem Papa gehen!"

Ivette, gerade fünf Jahre alt, jüngste Tochter von René González, wurde genau wie der Rest ihrer Familie von den US-Behörden in einem vergeblichen Versuch dazu benutzt, Druck auf René auszuüben und seinen Verrat zu erzwingen - Olga Salanueva, Ivettes Mutter erinnert sich, wie ihr die Behörden verweigerten, ihr Kind im Arm zu behalten, als sie des Landes verwiesen wurde.

VON JEAN GUY ALLARD - Sonderbericht für Granma-Internacional

Olga und Ivette "Ich möchte zu meinem Papa gehen!" wiederholte die kleine Ivette, die gerade fünfjährige Tochter von René González, einem der fünf in den Vereinigten Staaten gefangen gehaltenen kubanischen Patrioten. Für ihr Alter hochgewachsen und ein bisschen mager beobachtet sie uns aus ihren schönen (und frechen) grünen Augen im Wohnzimmer des kleinen Havana-Apartment ganz genau, während ihre Mutter, Olga Salanueva, sich jene höllischen Jahre in Erinnerung ruft, die am 12. September 1998, etwa um fünf Uhr morgens, begannen.

Olga schlief noch, als sie ein "sehr starkes und lautes" Klopfen an der Tür hörte, und sie weckte erschrocken René. Die vierzehnjährige Irmita und die damals gerade viereinhalb Monate alte Ivette schliefen noch in ihrem Zimmer.

Olga ruft sich die Geschichte zurück, als ob sie den dramatischen Moment wieder erlebte: "Sie versuchten geradezu, die Tür aufzubrechen. René zog sich seine Shorts an und öffnete die Tür, während ich im Schlafzimmer blieb. Ich hörte viel Lärm und Getümmel, und als ich ins Wohnzimmer ging, hatten sie ihn schon am Boden und banden seine Hände mit Handschellen auf dem Rücken!"

Es waren etliche bewaffnete Männer: "Ich nahm ihre Brutalität wahr, und sie befanden sich in einer Wohnung, von der sie wussten, dass dort eine Familie lebte. Dass er eine Frau und kleine Kinder hatte. Vier oder fünf waren hereingekommen, aber es gab noch andere in der Eingangshalle: Das Haus war voll von Agenten.

Dann, als sie mich in den Raum kommen sahen, warfen sie mich gegen die Wand. Ich hielt meine Hände hoch, ich hatte solche Angst. Ich sagte: ‘René, sag ihnen, dass Kinder im Haus sind.’

Ich glaube nicht, dass Irmita je vergessen wird, wie wir geweckt wurden, es war so brutal. Sie war in ihrem Zimmer. Die Agenten sagten mir, ich solle sie wecken. Ich antwortete: ‘Es ist noch sehr früh, lassen sie sie von selber aufwachen.’ Sie sagten, nein, und ich musste auf der Stelle gehen.

Sie wollten mich nicht in ihr Schlafzimmer gehen lassen, sondern brachten mich in die Eingangstür und befahlen: ‘Ruf sie!’ Ich rief sie so sanft wie möglich: ‘Irmita, Irmita’, aber als sie aufwachte und diese bewaffneten Männer sah, stell’ dir das ‘mal vor... Sie geriet in Panik, fing an zu weinen und sagte: ‘Mami! Was ist los? Wo ist Papa?’

Dann wurde Ivette wach, in Angst versetzt."

Bald danach nahmen einige Agenten René mit sich fort, und Olga musste allein mit den anderen im Haus bleiben. Sie wartete über Stunden, umringt von Agenten, bis der Durchsuchungsbefehl eintraf.

"Sie sprachen Englisch, obwohl es auch immer einige gab, die Spanisch sprachen."

Ihr Befehl kam spät, "es war schon fast wieder dunkel...

Sie fingen an, das Apartment gründlich zu durchsuchen und Sachen in Schachteln zu packen, alles vermutete Beweismaterial wegzunehmen, das später für den Gerichtsfall als Handhabe benutzt werden sollte. Es waren normale Sachen, die du so im Haus hast: Bücher, Familienvideos, Renés Computer, unsere Heiratsurkunde, die Geburtsurkunden der Mädchen, unsere Universitätsabschlüsse, all’ unsere Dokumente, alles, was sie nur fanden, nahmen sie mit."

Endlich, mitten in der Nacht, gingen die Agenten und ließen Olga und ihre Töchter in ihrem zerwühlten Apartment zurück, ohne ihnen zu erklären, was da passierte.

SECHS STUNDENLANGES VERHÖR OHNE EINEN ANWALT

Unmittelbar nachdem sie zum Hauptquartier des FBI in Südflorida gebracht worden waren, wurden die Fünf einem intensiven sechs Stunden andauernden Verhör unterzogen "und natürlich ohne die Anwesenheit eines Anwalts... Das, was du immer in Filmen siehst: ‘Ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts,’ hat nichts mit dem zu tun, was diesen Männern passierte.

Die erste Maßnahme, die das FBI ergriff, war, sie in Strafzellen der Bundesgefängniszentrale einzusperren. Normalerweise wird jemand zuerst zusammen mit den anderen Insassen in der Gefängniszentrale untergebracht. Wenn eine Verletzung der Disziplin vorgekommen ist, wird diese Person von den Mitgefangenen getrennt und für einen Zeitraum, der 60 Tage nicht überschreiten darf, in eine Strafzelle und in Isolationshaft verbracht. Und das müssen ernste Disziplinprobleme sein."

Die Fünf waren 17 Monate lang dort.

"Als sie das Haus verließen, ließen die Agenten mir eine Telefonnummer da, die ich immer wieder anrief, aber es war umsonst. Nichts passierte bis an dem Sonntag, als zwei FBI-Agenten auftauchten und mir mitteilten, dass sie René zusammen mit anderen Männern unter dem Verdacht ‘Fidels Spione’ zu sein, inhaftiert hätten, und sie fragten mich, ob ich kooperieren wolle."

Dann begannen Einschüchterung, Verleumdung und Druckausübung.

"Ich sagte ihnen, ich wüsste nicht, wovon sie sprächen. Sie sagten, sie wüssten "alles" und fragten, ob ich nach Kuba zurückginge oder ob ich dort Leute kontaktiert hätte. Ich sagte, ‘Nein’, und außerdem, wenn sie ’alles’ wüssten, warum wären sie dann gekommen?"

Dann kam ihre härteste Drohung: "Sie machten mir klar, dass sie die Macht hätten, mir die Mädchen wegzunehmen. ‘Denken sie daran’, sagten sie, ’sie haben Kinder...einschließlich einer Tochter im Babyalter...wir könnten sie in ein Waisenhaus schicken...’ Und dann gingen sie."

DER "SPIONAGE - SKANDAL"

Am 14. September erschienen die Angeklagten vor dem Bundesgerichtshof.

"Sie erschienen dort nach zwei Tagen in Haft, ohne sich gewaschen oder rasiert zu haben, sie sahen wirklich schlecht aus, und dann gab es die Fotos, die in der Presse erschienen... stell’ dir das vor! Sie ziehen einen um fünf Uhr an einem Samstagmorgen aus dem Bett und dann nach dem du zwei tagelang diese Anspannung ertragen hat, fotografieren sie dich. Der Eindruck, den sie erreichen wollten, war natürlich, ‘wenn sie schlecht aussehen, müssen sie auch schlecht sein.’"

Was René betrifft, so hat er gesagt, dass dies die schwersten Stunden seines Lebens waren, erklärt Olga, "es war nicht nur, weil es so unerwartet oder unvorhersehbar kam, sondern so gewaltsam" und weil, "als sie ihn in seine Zelle führten, sie ihn nicht einmal seine Familie anrufen ließen."

Als musterhafter Vater und Berufspilot von untadeligem Ruf musste sich René brutaler Gewalt von Personen stellen, die ihn wie irgend einen Kriminellen behandelten.

"Als sie ihn vor Gericht brachten, begann sich der Raum sofort mit der Presse, dem Fernsehen und feindseligem Publikum aus diesen Gruppen zu füllen. Dann sah er Irmita, die ihre Hand hob und ,Papa!’ rief. Er sah, dass wir O.K. waren. Er sagte, er fühlte sich wie neu geboren. Es war für uns alle ein sehr bewegender Moment."

EINE VOM FBI ORGANISIERTE PRESSE - SHOW

An diesem Montag begann das Medienspektakel von Miami, organisiert von Südfloridas FBI-Chef, Hector Pesquera, dessen Verbindungen zur cubano-amerikanischen Mafia gut bekannt sind, seit er, kurz vor den Verhaftungen [der Fünf], auf der Yacht, La Esperanza, in Puertoriko mit Terroristen gefeiert hatte, mit gedungenen Mördern, die freigesprochen wurden, nachdem sie in flagranti bei einem Komplott erwischt worden waren, den kubanischen Präsidenten zu ermorden.

Die Planung der strategischen Linie der Presse in Miami lag in den Händen der CANF-Extremisten und José Basultos terroristischer Keimzelle.

"Die Eröffnungsschlagzeilen waren: ‘ Spione in unserer Mitte’, ‘Castros Spione’ und andere so ähnlich klingende, um die öffentliche Meinung von Anfang an zu manipulieren und die Weichen für das, was danach kam, zu stellen", erklärt Olga.

Der von den Anführern der Terroristen ausgedachte und von der Geheimpolizei auf den Weg gebrachte "Spionageskandal" begann. Die Fünf waren durch die Presse schon schuldig gesprochen worden - gegen alle Berufsethik - ohne irgendeine vorherige Verurteilung, ohne vor Gericht gestanden zu haben und sogar, ohne der Spionage angeklagt worden zu sein.

"Es gab Leute, die es wagten, vor der Presse gegen uns auszusagen, Leute, die wir kaum kannten. Die Leute da leben nicht wie die hier, sie schließen sich in ihren eigenen Apartments ein und wissen nicht, wer nebenan wohnt. Es gab Leute, die sagten, wenn sie es gewusst hätten, hätten sie das Gesetz selbst in die Hand genommen!"

Renés einziger Computer stand im Wohnzimmer des Apartments, "aber jemand sagte, er habe einen im Wohnzimmer und einen im Schlafzimmer gesehen. Ich weiß nicht, wann der Mann in unser Schlafzimmer gekommen sein sollte! Aber es gab Leute, die sich dafür hergaben, die Berichterstattung so zu beeinflussen.

Die Presse kampierte praktisch auf dem Bürgersteig vor unserem Apartment, um uns zu filmen. Und ich merkte auch, dass sie etwas mit einer Sprühpistole an unsere Tür gemalt hatten! Und am nächsten Tag bemerkte ich, dass die Presse Hammer und Sichel darauf gemalt hatte, um zu zeigen, dass da Kommunisten wohnten... eine Methode, uns vor den Leuten im Haus zu brandmarken und vor der ganzen Nachbarschaft. Ich glaube, sie waren ziemlich ängstlich, als sie das anmalten, denn sie machten es nicht sehr gut."

Doch es gab auch einige Leute, ehrenhafte Menschen, die ihre Solidarität zeigten, "weil ich eine Frau allein mit zwei Kindern war, und sie sagten mir: ‘Hab’ keine Angst, die Wahrheit wird am Ende herauskommen... alles wird gut..."

DIE FAMILIE ALS GEISEL DER GEHEIMPOLIZEI

Während René als Geisel in der Strafzelle der so genannten "Spezialunterbringungseinheit" des FDCs [Federal Detention Center = Bundesgefängniszentrale] festgehalten wurde, waren Olga und ihre Töchter weiterhin der psychologischen Folter seitens des FBI ausgesetzt, um die Moral des Gefangenen zu brechen.

Sie wandten alles mögliche dazu an.

"Während dieser Zeit gab es für René nur die eine Möglichkeit, Ivette zu sehen, wenn er aus dem Fenster guckte und ich auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig vorbei ging und er sie durch ein Fenster aus dem 12. Stock sehen konnte. So erlebte er das erste Lebensjahr seiner Tochter, eine Zeit, in der sich Kinder so sehr verändern," erinnert sich Olga.

"Wenn Leute, die gegen die Disziplin verstoßen hatten und in die Strafzellen gebracht worden waren, wurden sie, wenn ihre Frauen und Kinder kamen, in eine andere Etage gebracht, in einen Raum, wo sie ihre Kinder sehen konnten. René erlaubten sie so etwas nicht. In 17 Monaten sah er seine Töchter nur zweimal."

Beim ersten Mal, als René seine Mädchen sehen durfte, hatte Ivette schon ihren ersten Geburtstag hinter sich. "Damit will ich sagen, als Ivette ihren ersten Geburtstag hatte, hatte René sie noch nicht wieder gesehen."

Nach vielen Anträgen von Renés Anwalt an den Gerichtshof um die Erlaubnis, seine Töchter zu sehen, organisierte das FBI ein traumatisches Treffen für die Ehefrau des Gefangenen und seine beiden Töchter.

Olga traf mit Irma - damals 15 Jahre - und der kleinen Ivette am FDC ein. Sie brachten sie in einen abgesonderten Raum, in dem schon einige FBI-Agenten warteten.

Dann erschien René, den sie seit seiner Inhaftierung nicht gesehen hatten. "Sie brachten ihn in Handschellen, setzten ihn hin und fesselten ihn dann an den Stuhl. Direkt vor den Augen der Kinder."

Es war ein schrecklicher Anblick. Ivette - aus ihrer Kindersicht und verblüfft darüber, dass René auf diese Weise angekettet wurde - fing an zu bellen "woof, woof", wie ein kleiner Hund. Olga sagte geschockt zu ihr: "Nein, Ivette, nein. Dein Papa ist kein Hündchen, nein."

Als Olga diese Anekdote preisgibt, kann sie ein schwaches Lächeln aufbringen, aber ihre Augen schimmern und sie wischt sich mit der Fingerspitze eine Träne weg.

Bei Irma hinterließ dieser Besuch einen Schock. "Ich sagte ihr, dass ich sicher wäre, dass ihr Vater nichts Falsches getan habe..., dass sie ihn ja gut kenne..., dass sie ja seine Gefühle für uns kenne und dass für uns alles wieder gut würde."

"ICH MUSSTE DAS APARTMENT AUFGEBEN"

Seit Renés Verhaftung musste Olga - mit enormen Mut - im Bewusstsein, dass ihr Ehemann unter so schrecklichen Umständen im Gefängnis litt, für ein anständiges Leben ihrer beiden Töchter kämpfen.

"Seit diesem Augenblick fingen meine Probleme mit der Miete für das Apartment an, weil wir ja Renés Gehalt nicht mehr hatten. Ich arbeitete weiter, um meine Töchter zu versorgen... Ich musste das Apartment aufgeben und in ein anderes Haus ziehen."

Sie landete mit ihrer ältesten Tochter in einem Einraum-Apartment mit Bad und Küche, während Renés Großmutter inzwischen das Baby versorgte.

"Ich arbeitete bei einer Tele-Marketing Company von zwei Uhr Nachmittags bis 11:30 in der Nacht. Vor seiner Verhaftung übernahm René Ivettes Tagesbetreuung am Nachmittag. Als René im Gefängnis war, hatte ich niemanden, der sie übernehmen konnte, und ich musste mich auf Renés Großmutter verlassen, die seit den 1940ern in den Vereinigten Staaten lebt. Sie wohnt in Sarasota, 240 Meilen nördlich von Miami. Sie ist jetzt 84, sie war um die 80, als das alles passierte...

"Mein Leben bestand aus Arbeit, aus nicht viel mehr. An den Wochenenden besuchte ich René und fuhr dann nach Sarasota, um mein Baby zu sehen und um am Sonntag zurück zu kommen und wieder zu arbeiten. Diese zwei Jahre waren wirklich schwer - während der ganzen Zeit warteten wir darauf, dass die Gerichtsverhandlung stattfände, aber es dauerte zwei Jahre, bis sie begann."

Im Juli 2000 schlug das Büro der Bezirksanwaltschaft René in einem Brief vor, seine Schuld zu "gestehen" im Gegenzug für eine reduzierte Strafe.

"Mein letzter Besuch bei René fand am 13. August statt, an seinem Geburtstag. Während eines früheren Besuchs hatten wir schon darüber diskutiert, dass der Bezirksanwalt uns tatsächlich einen Deal vorschlug." Das ist ein normales Verfahren im US-Rechtssystem, aber in diesem Fall wurde es von beständiger Verleumdung der Familie begleitet. "Sie erinnerten ihn daran, dass seine Familie einen Aufenthaltsstatus hatte, der widerrufen werden konnte. Aber René wies diesen Handel zurück, er sagte ‘Nein’ und teilte ihnen mit, dass er vor Gericht gehen und den Leuten erzählen wolle, warum er dort sei und was er getan habe und dass er nicht schuldig sei."

VOM "INS" GEKIDNAPPED UND IN EINE ZELLE FÜR "GEFÄHRLICHE INDIVIDUEN" GESTECKT

Die Reaktion von Hector Pesqueras Agenten kam schnell und grausam.

"Einige Tage später, am 16. August, wurde ich vom Amt für Einwanderung und Einbürgerung [Immigration and Naturalization Service] (INS) verhaftet und in ein Staatsgefängnis in Fort Lauderdale gebracht, wo die INS ihre eigenen Zellen für Gefangene hat, die eine gefährliche Sicherheitsbedrohung darstellen. Es ist da nicht so wie in den Strafzellen. Sie behielten mich drei Monate lang dort. Zuerst war ich da allein. Aber danach war ich mit Gefangenen zusammen, die vor Gericht kommen sollten oder die ein Problem mit der Disziplin hatten und gewalttätig waren. Die Strafe bestand dort darin, dass eine Zelle kein Tageslicht hatte und dass es keinen Kontakt mit anderen gab.

"Es war nur eine weitere Methode, Druck auf René auszuüben, weil die Gerichtsverhandlung nicht, wie geplant, im September beginnen sollte, sondern im November. Und ließen mich bis November da."

Glücklicherweise war Irma zu der Zeit in Kuba im Haus ihrer Großeltern in Ferien.

Der Gefängnisaufenthalt konnte Olgas Loyalität nicht brechen, nicht die für René, noch die für ihr Heimatland. Einige Tage bevor Renés Gerichtsverhandlung begann, ordnete das INS ihre Ausweisung an.

"Sie wiesen mich am 22. November aus, und die Verhandlung begann am 27. Ich bat darum, René sprechen zu dürfen, aber sie ließen mich nicht."

"Ich bat, zusammen mit meiner Tochter Ivette, meinem Baby, reisen zu dürfen. Ich bat sie, mein Kind zum Flughafen zu bringen, damit sie mit dem selben Flugzeug wie ich fliegen könnte, aber sie ließen mich nicht," erinnert sich Olga. "Sie sagten, wenn ich das US-Territorium zusammen mit meinem Baby verlassen wolle, sei das mein Problem und dass ich selbst eine Lösung finden müsse."

ICH LEBTE IN DER ANGST, DASS ES DIE MAFIA HERAUSFÄNDE

Ein anderer schrecklicher Gedanke bedrückte die Mutter.

"Es war im gleichen Jahr, als der kleine Elian gekidnappt wurde. Es gelang ihnen, ihn im Juni aus den Vereinigten Staaten zu bringen. Ich lebte in der Angst, dass die Mafia von meinem kleinen Mädchen hören könnte! Um so mehr, als sie in den Vereinigten Staaten geboren war, daher könnte ein ähnliches Spektakel stattfinden."

Unter großen Schwierigkeiten kämpfte Olga vom Gefängnis aus um eine Lösung. In höchster Not.

"Ich sprach mit Renés Anwälten und durch einen gesetzlichen Antrag, den wir beide stellten, kam meine Schwiegermutter aus Kuba in die Vereinigten Staaten und übernahm Ivette von ihrer Urgroßmutter, die leidend war - abgesehen von allem anderen - litt sie nervlich unter dieser Situation, sie war sehr verängstigt.

Sie hatte auch solche Angst, dass, wenn sie kämen und ihr Ivette wegnähmen, sie herausfänden, dass sie eine ältere Frau war, und die Gesetze für die Betreuung von Kindern sind da sehr seltsam."

Seit ihrer Rückkehr nach Kuba vor drei Jahren, hat Olga etliche Visa Anträge bei der US-Interessenvertretung in Havanna gestellt, um ihren Ehemann mit ihren Töchtern besuchen zu können.

"Seither hat die kubanische Regierung alles ihr Mögliche für die Familien der Fünf getan, damit sie die Fünf besuchen können. Und ich habe meinen Antrag auf ein Visum zusammen mit den anderen Verwandten gestellt. Beim ersten Mal hatte ich Erfolg, aber während ich mich auf die Abfahrt vorbereitete, widerriefen sie die Visa-Genehmigung.

Sie sagten, sie hätten Information erhalten, wenn ich einmal in die Vereinigten Staaten eingereist wäre, könnte ich mich mit einer gewissen Organisation treffen, das könnte eine Bedrohung der Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellen. Und das ist eine Lüge. In Miami hatten sie zwei Jahre und zwei Monate, um mich zu verhaften und anzuklagen. Sie taten es nicht, weil sie keinen Grund dazu hatten. Wie kommt es, dass ich jetzt hier bin, bin ich eine Gefahr? Wenn sie diese Gefahr auf ihrem eigenen Boden hatten, warum trafen sie dann dort keine Maßnahmen gegen mich? Ein anderes Mal, als wir Visa beantragten, waren Adriana, Gerardo Hernández’ Ehefrau und ich in der gleichen Situation. Sie sagten, wir könnten Mitglieder des kubanischen Geheimdienstes sein und aus dem Grunde wiesen sie uns ebenfalls ab. So haben einfach nur eine Ausrede gegen eine andere ausgetauscht.."

Im letzten Juni, stellten Adriana und Olga einen neuen Antrag auf ein Visum. "Sie haben uns überhaupt nicht geantwortet.

Wir warten jetzt seit etlichen Monaten. Es könnte ihre neueste Strategie sein, weder ‘ja’ noch ‘nein’ zu sagen, sondern uns bis in alle Ewigkeit warten zu lassen.

Auf diese Weise halten sie auch Ivette zurück. Sie kann nicht alleine reisen...es gibt immer einer Risiko, dass sie Repressalien gegen sie anwenden, gegen ein kleines Mädchen, das in seinem Leben so viele Veränderungen durchmachen musste. Ich denke, wenn sie ihren Vater zu sehen bekommt, sollte das dann sein, wenn die ganze Familie wieder vereint ist, in unser aller Gegenwart. Wenn das nicht geht, wäre es zu schwierig für sie, reisen zu müssen und ihren Vater zu treffen, sich dabei zu fragen ‘Und wo ist Mami?’ Es ist genau so schwierig für sie, wie es für ihn ist."

"WENN PAPA KOMMT..."

Ivette konnte bei verschiedenen Gelegenheiten mit René am Telefon sprechen... "Sie erkennt seine Stimme, sie erkennt ihn auf den Fotos, die im Fernsehen von ihm erscheinen. Aber wenn du sie fragst ‘An was kannst du dich von deinem Papa erinnern?’ erinnert sie sich nicht so deutlich, nicht physisch an ihn. Es ist wirklich ein Glück, dass sie sich nicht an den Gefängnisbesuch erinnert, wenn sie einige Erinnerungen hatte, dann sind sie irgendwohin verschwunden, und sie sind nie mehr an die Oberfläche gekommen."

Ivette ist ein sehr lebendiges kleines Mädchen: "Sie hat einen starken Charakter und sie stellt viele Fragen. Sie weiß fast alles, was es über ihren Vater zu wissen gibt. Wenn die Leute manchmal reden und jemand bringt es durcheinander und sagt, dass René eine lebenslängliche Strafe bekam, dann verbessert sie die sofort: ’Nein, mein Papa nicht, nein.’ Sie kennt die anderen Familien der Fünf, sie nennt sie Tanten und Onkel, und Ramón’s 3 Töchter nennt sie ihre ‘Cousinen’.

Das kleine Mädchen sehnt sich nach dem lange erwarteten Besuch bei René: "Sie fragt, wann das passieren wird. Sie sagt: ‘Ich möchte meinen Papa treffen!’ Sie versteht, was passiert. Sie sagt: ‘Ich habe meinen Papa noch nicht sehen können, weil sie meiner Mami kein Visum geben.’"

Aber außer davon, René besuchen zu können, träumt Ivette von seiner Rückkehr. "Sie fühlt sich hier in seiner Welt sehr wohl und sagt: ‘Wenn mein Papa kommt, wird er mich von der Tagesbetreuung abholen und mit mir in den Park gehen.’ Sie träumt von einer Zukunft mit ihrem Vater."

Während das Schicksal der Fünf in den Händen der US-Regierung verbleibt, die von den geringsten Launen ihrer Mafioso-Verbündeten in Miami beherrscht wird, bleiben Ivette, ihre Mutter und ihre Schwester weiter die Opfer der FBI-Verleumdung - auch wenn sie jetzt in Kuba sind.

In weniger als drei Wochen, am 21. November, ist der dritte Jahrestag dieser grausamen Taktik, der darauf abzielt, Renés Willen durch das Leid so einer grausamen Trennung zu brechen.

Deutsch: ˇBasta Ya!

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