junge Welt, 10.03.2004

Harald Neuber

15 Minuten gegen den Terror

In Miami findet heute die Anhörung zum Fall der fünf in den USA inhaftierten Kubaner statt

In den USA werden sie wie gewöhnliche Verbrecher behandelt, auf Kuba werden sie als Helden gefeiert: Seit fast sechs Jahren sitzen die Kubaner Fernando González, René González, Antonio Guerrero, Gerardo Hernández und Ramón Labañino in US-Gefängnissen. Und das nur, weil sie gewaltbereite kubanische Exilorganisationen mit dem Ziel unterwandert haben, Informationen über etwaige Terrorakte nach Havanna weiterzuleiten. Im Dezember 2001 wurden sie dafür zu Gefängnisstrafen zwischen 15 Jahren und lebenslänglich verurteilt. Auf insgesamt siebenhundert Seiten haben die fünf Anwälte der Männer inzwischen ihre Argumente gegen diese offenbar politisch motivierten Urteile zusammengefasst. Am heutigen Mittwoch nachmittag hat jeder von ihnen drei Minuten, sie den Richtern in Miami vorzutragen. "Das ist nicht viel", sagt der renommierte US-Anwalt und Verteidiger von Antonio Guerrero, Leonard Weinglass. "Aber vielleicht bekommen wir ja etwas mehr Zeit".
Menschenrechts- und Kuba-Solidaritätsorganisationen legen in die Anhörung trotzdem große Hoffnung. "Fast wichtiger als die juristische ist die öffentliche Wirkung", sagte Verena Grundmann, Juristin und Mitglied im deutschen Komitee "¡Basta ya!", das sich für die Freilassung der fünf Männer einsetzt. Im deutschsprachigen Raum hat das Komitee zu Beginn der Berufungsverhandlung für die Kubaner im vergangenen Herbst daher eine groß angelegte Spendenaktion organisiert. Erklärtes Ziel war es, kurz vor der heutigen Anhörung in Miami mit einer Anzeige in der New York Times über den Fall aufzuklären. 50 000 US-Dollar wurden dafür weltweit zusammengetragen – 10 800 allein durch das deutsche Komitee. Das Schweigen in den US-Medien konnte durchbrochen werden. "Besonders unsere Freunde in den USA erhoffen sich dadurch, ähnlich wie bei der Kampagne für Mumie Abu-Jamal, eine erhebliche politische Wirkung", sagte Grundmann am Vortag der Anhörung im Gespräch mit junge Welt.
Die zentrale Forderung der Anwälte wird heute die Verlegung der Verhandlung aus Miami sein. In dieser Stadt, so argumentieren sie, sei keine faire Verhandlung möglich. Durch die in Miami ansässigen rechtsextremen Exilorganisationen sei die Stimmung stark vorbelastet. Zwar kommen die drei Richter im Berufungsverfahren – im Gegensatz zur Hauptverhandlung 2001 – aus dem entfernten Atlanta, doch befürchten die Verteidiger, dass die rechten Gruppen vor Ort nach wie vor negativen Einfluss auf das Verfahren nehmen könnten. Die Bush-Regierung hat eben das im Vorfeld der Anhörung schon getan. Nachdem Familienangehörigen der fünf Männer wiederholt das Besuchsrecht verweigert wurde, ging wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten Termin bei der kubanischen Interessenvertretung in Washington eine diplomatische Note ein. Demnach werden konsularische Besuche "bei kubanischen Staatsangehörigen" künftig nur noch alle drei Monate erlaubt. Bislang waren solche Besuche alle vier Wochen möglich.
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