Ein Imperium gegen ein Kind: Die Geschichte von Ivette González Salanuevavon Rafael Rodríguez CruzSeptember 2004
Ivette González Salanueva wurde am 24. April, 1998 in Miami, Florida geboren. Sie verbrachte ihre ersten 4 Monate ohne größere Schwierigkeiten. Ihre Mutter, Olga Salanueva Arango, eine vor kurzem eingewanderte Kubanerin verrichtete einfache Arbeit. Sie betreute ältere Menschen und verkaufte Gräber auf dem Regionalfriedhof. Ihr Vater, René González Sehwerert, übte auch einen schlichten Beruf als Fluglehrer aus. Das junge Paar hatte auch noch eine Tochter im Teenageralter, Irmita, die gerade erst 14 geworden war.
Am 12. September, 1998 änderte sich Ivettes Leben und das ihrer Familie dramatisch und auf grausame Weise. An diesem Schicksalstag verhaftete das FBI René gewaltsam - wie vom FBI nicht anders zu erwarten - und beschuldigte ihn als nichtregistrierten Agenten der kubanischen Regierung. Natürlich erhielt René nicht einmal die Möglichkeit, seiner Familie ‚lebe wohl' zu sagen. Im Oktober 1998 klagte eine Bundesjury in Miami René der Verschwörung und der Operation als nichtregistrierter Agent in den USA an. Er wurde sofort in Miamis Spezialgefängnis in Isolationshaft verbracht, wo er 17 Monate lang auf die Gerichtsverhandlung warten musste. Olga war jetzt in Miami allein mit ihren zwei Töchtern. Im Interesse ihrer Familie beantragte Olga die Erlaubnis, René mit ihren beiden Töchtern im Spezialgefängnis besuchen zu dürfen. Ihr Antrag wurde einfach, angeblich wegen Strafrechtssicherheitsrisiken, abgelehnt. Aber Olga wusste, dass René aus einem schmalen Fenster im 12. Stock den Bürgersteig vor dem Gebäude sehen konnte und entschloss sich, mit Ivette im Arm um das Gebäude herumzugehen. Unglücklicherweise konnte René wegen der Entfernung nur Olga erkennen, die etwas auf dem Arm trug, was ihm von da oben wie ein dunkler Lockenkopf erschien. Natürlich verschlechterte sich Olgas finanzielle Situation während der Monate, die auf Renés Verhaftung folgten, rapide. Sie bemühte sich, regelmäßige Arbeit zu finden. Das führte dazu, dass sie Ivette in die Obhut ihrer Urgroßmutter väterlicherseits geben musste, einer älteren Frau, die in Sarasota lebte. Olga war gezwungen, merkwürdige Jobs zu unregelmäßigen Zeiten anzunehmen. Acht Monate nach Renés Verhaftung erhielt Olga so etwas, was zunächst den Anschein von einer guten Nachricht erweckte. Sie konnte den Vater ihrer Kinder endlich zusammen mit Ivette und Irmita besuchen. Aber es erwies sich nicht als das, was Olga erwartet hatte. Es dauerte nur wenige Minuten und René wurde während des Besuchs an einen Stuhl gekettet. Sie durften ihn nur sprechen, nicht berühren oder umarmen. Beim Anblick ihres an den Metallstuhl angeketteten Vaters, fing Ivette, die erst etwas über ein Jahr alt war, an, wie ein Hund zu bellen. Ivette sollte ihren Vater erst nach fünf weiteren Monaten, im Oktober 2000, wiedersehen. In krasser Missachtung der Bundesgesetzgebung wurde René 17 Monate lang in Isolationshaft gehalten. Es war im Februar 2000, als er wieder zu den regulären Gefangenen kam und ihm normales Besuchsrecht gewährt wurde. René konnte seine Familie jetzt, wenigstens theoretisch, wöchentlich einmal sehen. Olga und Irmita besuchten ihn wöchentlich, aber Ivette konnte es nicht, weil sie bei ihrer Urgroßmutter in Sarasota lebte und darauf angewiesen war, von ihr zu den Besuchen gebracht zu werden. Sie konnte René dreimal besuchen. Am 3. August, 2000, erhielt René einen Brief von der Staatsanwaltwaltschaft, in dem ihm Strafmilderung angeboten wurde, wenn er als Kronzeuge aufträte und gegen die vier Mitangeklagten, Ramón Labañino Salazar, Gerardo Hernández Nordelo, Antonio Guerrero Rodríguez und Fernando González Llort aussagte. Der Brief warnte auch davor, dass Olgas Einwanderungsstatus in Gefahr geriete, wenn er die Kooperation versage, da sie ja keine amerikanische Bürgerin war. René wies diesen offensichtlichen Erpressungsversuch zurück, und Olga wurde bald darauf von INS-Agenten verhaftet.
Obwohl Olga in das Untersuchungsgefängnis des INS in Miami hätte eingewiesen werden müssen, wurde sie willkürlich nach Fort Lauderdale geschickt und weilte dort in einem Gefängnis für gewöhnliche Kriminelle und unter Mitgefangenen mit Verhaltensproblemen. Sie verbrachte dort nach ihrer Verhaftung am 16. August 2000 einen Zeitraum von drei Monaten. Ivette blieb inzwischen weiterhin unter der Obhut ihrer Urgroßmutter. Olga durfte keinen Kontakt mit ihren Töchtern aufnehmen, sondern sie nur durch ein Glasfenster sehen. Sie beschloss, Ivette das Trauma eines Besuchs ohne Kontakt zu ersparen und bat, sie nach dem ersten Besuch nicht mehr ins Gefängnis zu bringen. Am 22. November, 2000, reiste Ivette mit ihrer Großmutter, Irma Sehwerert, nach Kuba. Olga wurde am nächsten Tag nach Kuba ausgewiesen, wo sie seitdem mit ihren beiden Töchtern lebt. Das Spiel mit Familienbindungen Sobald sie nach Kuba zurück gekehrt war, beantragte Olga für sich und Ivette ein Einreisevisum für die Vereinigten Staaten. Am 29. März, 2002, erhielt sie eine Einreisegenehmigung vom State Department für zwei Tage vor Ivettes vierten Geburtstag. Zum gegebenen Zeitpunkt widerrief das State Department das Visum plötzlich, angeblich sei sie, aber nicht Ivette, nach dem Paragraphen 121 (a) (3) (B) des Einwanderungs- und Einbürgerungsgesetzes nicht zugelassen. Was dann folgt, ist eine Geschichte von Olgas zahlreichen Visa-Anträgen und Ablehnungen seitens des State Departments, angeblich aus nationalen Sicherheitsgründen. Ihr wurden die Visa z.B. dreimal verweigert, nämlich im Oktober 2002, April 2003 und November 2003. Die Begründung dafür lautet, sie würde als "Geheimagentin" betrachtet, "oder als jemand, der die Regierung der Vereinigten Staaten stürzen möchte," gemäß Paragraph 212 (a), (3) (a) des Einwanderungs- und Einbürgerungsgesetzes. 2004 wurde ihr Visumsantrag wieder abgelehnt, diesmal auf der Basis der Vollmacht des Präsidenten nach Paragraph 212 (f), nach dem Fremde, die ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen könnten, ausgeschlossen werden.
Dennoch sind sowohl René als auch Olga davon überzeugt, dass die eigentliche Entscheidung, sie voneinander getrennt zu halten, Anfang August, 2000 getroffen wurde und nicht im Jahr 2002. Bis August 2000 konnte Olga sich in den Vereinigten Staaten frei bewegen, und daher konnte sie die Probleme mit einer dauernden Aufenthaltserlaubnis nicht vorhersehen. Sie kam über die legalen und behördlichen Wege in die Vereinigten Staaten, unterstützt durch ihren Ehemann, der von Geburt amerikanischer Staatsbürger ist. Außerdem hat Olga kein in irgend einer Weise kriminelles Vorleben, weder in Kuba noch in den Vereinigten Staaten, und ihr persönliches Betragen war das einer vorbildlichen amerikanischen Bürgerin. Obwohl René im Herbst 2000 schon insgesamt zwei Jahre lang im Gefängnis einsaß, war Olga ihrerseits weder verhaftet noch irgend eines Verstoßes gegen das Gesetz angeklagt worden. Das Blatt wendete sich, sobald René sich trotz der Androhung von Olgas Ausweisung geweigert hatte zu kollaborieren. Da wurde die Entscheidung, höchst wahrscheinlich vom Justizministerium, getroffen, Olga zu verhaften und die Familie zu zerstören. Kinder und das Recht, Bindungen durch Einschüchterung zu zerstören Es ist allseits bekannt, dass die US-Verfassung keine ausdrückliche Anerkennung des Gefangenenrechtes auf bestimmte Familienbeziehungen enthält, einschließlich der Bindung unter Mitgliedern der Kernfamilie. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch im Laufe der Jahre eine verfassungsmäßige Anerkennung von engen Familienbindungen zugelassen, um sie zu schützen, so zu sagen unter der Schirmherrschaft des ersten Gesetzeszusatzes, des Rechts auf Verbundenheit. Schon 1925, in dem Grundsatzurteil um Pierce gegen Schwesterngemeinschaft, 268 U.S. 510 (1925) bezieht sich der Gerichtshof auf die familiären Beziehungen als auf ein grundsätzliches Bürgerrecht und stellt fest, dass es eine ausdrückliche Schutzmaßnahme gegenüber einer ungerechtfertigten Einmischung des Staates verdient. Nach Aussage des Gerichts handelt es sich hier um ein besonderes Merkmal der geschützten individuellen Freiheit, zu intim, um ihrer Natur entgegenzuwirken und sie spielt eine wichtige Rolle für das emotionale und psychische Wohlbefinden von Kindern, eine Hervorhebung, die in dem Fall Roberts gegen die Vereinigten Staaten Jaycees, 468 U.S. 609 (1984) gründlich erörtert wurde. Tatsächlich bestätigte der Oberste US-Gerichtshof dieses vorherige Gesetz, durch einen verfassungsmäßigen Schutz für enge Beziehungen innerhalb der Familiengemeinschaft in dem Fall Overton gegen Bazzetta, 539 U.S. 126 (2003). Man könnte glauben, dass sich die Bush-Administration mit ihren konservativen Familienwerten nicht an einem Zerstörungsakt aktueller Familienbindungen beteiligen würde. Doch genau das hat sie getan, als sie der Tochter von René González Sehwerert das Recht, ihn in Begleitung ihrer Mama besuchen zu dürfen, verweigerte. Außerdem besteht sie halsstarrig darauf, dass die Verweigerung eines Einreisevisums für Olga keinen Einfluss auf Ivettes, wie immer geartetes, Wohlbefinden und ihre verfassungsmäßigen Rechte habe. Dies ist eine rechtlich unhaltbare Position. Sie enthüllt die Missachtung der Rechte von Kindern und der ihrer Eltern seitens der Bush-Administration im Rahmen des amerikanischen Rechtssystems.
Ivette ist durch ihre Geburt eine US-Bürgerin und daher kann ihr, technisch gesprochen, die Einreise in die Vereinigten Staaten nicht verwehrt werden. Zwei unfaire Urteile
Am 18. Juni, 2001, wurde René González Sehwerert unrechtmäßig zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die außerhalb der Regel stehende Länge der Gefängnisstrafe, so wie auch die Verurteilung selbst, sind Bestandteil eines laufenden Berufungsverfahrens. Hätte das Bezirksgericht in Miami bei Renés Verteidigungsrede zugehört, hätte es notwendigerweise von dem gleichfalls fragwürdigen doch verschwiegenen Drama erfahren, das im August 2000 ausgelöst wurde: Über Renés Kopf hing wie ein Damoklesschwert die Drohung, von Ivette und Olga getrennt zu werden, eine zusätzliche Verurteilung, wieder einmal heimlich ausgedacht, um ihn weiter zu bestrafen. Ein Gefängnis ist bestimmt kein Hotel oder ein Ort der Erholung.
Einige Einschränkungen persönlicher Freiheit, speziell des Rechtes auf Bindung, ist dabei notwendig, besonders dann, wenn es um die innere Sicherheit des Gefängnisses geht. Doch die Unterdrückung des fundamentalen Rechtes eines Gefangenen kann nicht willkürlicher oder absoluter Natur sein. Zum Beispiel würde eine Gefängnisregel, die dieses Verfassungsrecht betrifft, nicht gesetzlich zugelassen, wenn sie nicht in Verbindung mit einem legitimen Bedürfnis der Einrichtung stünde, wie möglicherweise das Bedürfnis der Einrichtung, den Insassen zur Befolgung der Regeln zu bewegen. Außerdem müssen Alternativen angeboten werden, um sein Recht wahrzunehmen, wenn auch keine idealen. Zum Beispiel kann ein Besuchsverbot erleichtert werden durch die Erlaubnis von Briefkorrespondenz und Telefonanrufen mit Verwandten. Was laut Gerichtshof untragbar ist, ist eine Anordnung und spezielles Verbot, dass de facto zu einem Dauerverbot von Besuchen für bestimmte Gefangene wird. Overton gegen Bazzeta, 539 U.S. 126, 134 (2003). Die Ermahnung des Gerichtshofes im Fall Overton gilt auch für Renés Fall. Er weist einen vorbildlichen Lebenswandel im Gefängnis auf. Weder René noch Olga sind je irgendeiner Gewalttat oder der Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA angeklagt gewesen. Tatsächlich wurde Olga von der Bundesgefängnisbehörde genehmigt, die Bundesstrafanstalt in Edgefield zu besuchen, sie ist auf der Liste der zugelassenen Besucher. Doch das State Department hat, in Zusammenarbeit mit der Mafia von Miami, René und Olga willkürlich über vier Jahre davon abgehalten, einander zu sehen. Das Produkt dieser schamlosen Aktion der US-Regierung, legte René zweifache Strafe auf: ein missbräuchliches, willkürliches und undefiniertes Verbot von Familienbesuchen, das offensichtlich sowohl das erste wie auch das achte Zusatzgesetz verletzt. Die zusätzliche, weniger beachtete Strafe, möchten wir hinzufügen, verstößt auch gegen Ivettes Recht, als Kind seinen Vater sehen zu dürfen. Internationales Recht
Eine Reihe von prominenten Autoren und sogar Nobelpreisträgern, wie Adolfo Pérez Esquivel, haben über den Fall der Cuban Five gesprochen und sich gegen die Verletzung internationalen Rechts durch die Vereinigten Staaten und die empörende Inhaftierung von René González Sehwerert, Ramón Labañino Salazar, Fernando González Llort und Gerardo Hernández Nordelo ausgesprochen. Rafael Rodríguez Cruz ist Anwalt in Hartford, Connecticut, der sich auf Familien- und Kindesrechte spezialisiert hat. Er ist ebenfalls Mitglied des Vorstandes der Rosenbergstiftung für Kinder, eine nicht profitorientierten Einrichtung, die finanzielle Unterstützung für die erzieherischen und emotionalen Bedürfnisse der Kinder von politisch Verfolgten zur Verfügung stellt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Stiftung über eine Million Dollar für Stipendien, einschließlich Stipendien für progressive Aktivisten in Puertorico ausgegeben. Die RFC (Rosenberg Fund for Children) wurde von Robert (Rosenberg) Meeropol geschaffen, dem Sohn von Ethel und Julius Rosenberg, die am 19. Juni 1953 hingerichtet wurden. Ihre Söhne, Michael und Robert waren zu der Zeit jeweils 10 und 6 Jahre alt. Von November 1950 bis im Frühling 1951, nach der Verhaftung von Julius und Ethel, aber vor deren Hinrichtung waren Robert und Michael in einen Unterschlupf gebracht worden. 1954, kurz nachdem die Kinder zu den Meeropols kamen, starb der Anwalt der Rosenberg, Manny Block. Die Kinder wurden gefasst und kamen in ein Waisenhaus. Schließlich wurden sie von Abel und Anne Meeropol adoptiert. Mit der Errichtung des RFC vor zehn Jahren möchte Robert der Gemeinschaft und der Welt zurückgeben, was ihm und Michael in aller Stille geschenkt worden war. Deutsch: ˇBasta Ya! |