Exklusivinterview von Radio Havana Cuba mit US-Anwalt Leonard Weinglass

25. August 2006

Isabel García: Die Mehrheit des vollständigen Gremiums des 11th Circuit Court of Appeals in Atlanta hat die letztjährige Entscheidung des Drei-Richter-Gremiums, wonach die Strafen gegen die Cuban Five aufgehoben wurden, weil sie kein faires Verfahren erhalten hatten, zurückgewiesen. Können Sie uns sagen, was die letzte Entscheidung bedeutet?

Leonard Weinglass: Tatsächlich haben wir am 9. August zwei Meinungen gehört: ein 68 Seiten langes Papier von 10 Richtern des 11. Gerichtshofs und ein 52 Seiten langes von zwei Richtern mit abweichender Ansicht. Wie Sie richtig bemerkten, haben 10 Richter den Beschluss des letzten Jahres zugunsten der Fünf wieder aufgehoben. Und zwei Richter wichen in einem 52 Seiten langen Papier davon ab. Wir befinden uns jetzt in einer Position, in der wir den Fall entweder vor eine höhere Instanz, den US Supreme Court [Oberster Gerichtshof], bringen, oder wir leiten ihn zurück an ein Zwei-Richter-Gremium, das über die anderen neun Punkte der Berufung zu entscheiden hat, und bringen dann, wenn nötig, alles zusammen vor den Supreme Court.

IG: Bezüglich der anderen neun Punkte; wie wichtig sind sie, könnte eine richterliche Entscheidung über diese anderen Punkte zugunsten der Cuban Five ausfallen?

LW: Ja, das könnte sie. Sie [die neun Punkte] fallen in zwei wesentliche Kategorien. Zum Einen wenden wir ein, dass einige der Anklagen, speziell die gegen Gerardo Hernández wegen Verschwörung, Mord begehen zu wollen, fadenscheinig sind und gegen grundlegende Gesetze der Souveränität verstoßen, weil es sich bei dem angeblichen Mord um den Abschuss von [in den kubanischen Luftraum] eingedrungenen Flugzeugen durch die kubanische Luftwaffe handelte, und daher nicht Grundlage einer Strafanzeige sein kann. Zweitens behaupten wir, dass die Regierung, als sie diesen Fall aufbaute, Methoden angewendet hat, die die US-Verfassung und die Bestimmungen eines unabhängigen Gerichts verletzen, als sie den "Foreign Intelligence Surveillance Court" [Gerichtshof zur Überwachung ausländischer Geheimdienste] anrief und das "Classified Information Protection Act" [Gesetz zum Schutz geheimer Informationen] anwandte. Und letztlich machen wir, als dritten Grund für eine Wiederaufnahme, geltend, dass der Staatsanwalt während des Verfahrens Fälle von Fehlverhalten an den Tag legte, indem er der Jury unzulässige Argumente lieferte, wobei er unter anderem behauptete, die Fünf wären Teil eines kubanischen Spionagenetzwerks in Zusammenarbeit mit den Russen und Chinesen, obwohl es im Protokoll keinerlei Grundlage für solche Behauptungen gab, und es gab noch mehr solcher unerhörten Äußerungen des Staatsanwalts, die nicht in die Akte kamen.

IG: Könnte das politische Klima in den Vereinigten Staaten bezüglich Kuba die juristischen Aspekte des Falles beeinflussen?

LW: Ich arbeite innerhalb des Gerichtssystems als Anwalt und ich glaube ganz fest, dass der Fall rechtlich und sachlich große Vorteile für die Fünf birgt. Wie Ihre Frage suggeriert, wird das politische Klima eine faire Erörterung der Akten beeinflussen, und das ist natürlich immer eine Gefahr bei politischen Prozessen, und dies ist einer. Er erinnert mich an das Verfahren wegen der "Pentagon Papers", ein Fall, der die 40 Jahre langen Beziehungen zwischen den USA und Vietnam untersuchte. Dieser Fall untersucht die 47 Jahre langen Beziehungen zwischen den USA und Kuba. Und darum ist er von Natur aus politisch, was eine Bedrohung für eine faire Erörterung der Akten darstellt. Nichtsdestotrotz haben zwei Richter, die man für ihren Mut und ihre Integrität loben muss, durch den politischen Nebel geblickt, den die Regierung um den Fall erzeugt hat, und behandelten ehrlich und mit großer Integrität die Fakten, die zeigen, dass Kuba Opfer von Terrorakten war, die aus Miami kamen, und ein faires Verfahren in dieser Gemeinde nicht möglich war, da sie eine zwanghafte Atmosphäre besitzt.

IG: Glauben Sie, dass eine wachsende Solidarität mit den Fünfen deren Freilassung beeinflussen kann?

LW: Es ist keine Frage, dass Solidarität in dem Fall hilft. Das schlimmste, was jemandem im [US-] amerikanischen Strafsystem passieren kann, ist, dass er allein ist. Je stärker die Unterstützung ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Gericht sich verpflichtet fühlt, den Gesetzen zu folgen. Das war so im Fall von Angela Davis und den anderen wichtigen Fällen in den 1960ern und 1970ern. Das ist heute noch so. Also ist es sehr wichtig, dass in diesem Fall große Unterstützung aufgebaut wird.

IG: Danke, dass Sie uns Ihre Zeit geschenkt haben, Herr Weinglass.

LW: Danke Ihnen, ich tue das für die Cuban Five.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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