Rede von Martin Garbus in London im März 2014

- Martin Garbus gehört zum Verteidigerteam der Cuban Five und ist ein angesehener US-Anwalt. -

Hiermit nehme ich meine Gelegenheit und Verpflichtung wahr, der Untersuchungskommission und den drei Juristen im Namen jedes Einzelnen der Cuban Five einen kurzen Abriss der gerichtlichen Fakten und der Geschichte des Falles vorzulegen. In meiner kurzen Rede beziehe ich mich zum großen Teil, auf die auf Hunderten von Seiten ausgedruckte Information des Protokolls und Beweismaterials, das ich speziell für sie vorbereitet habe.
Die Verhandlung gegen die Cuban Five war ein 7-monatiger Prozess. Es gibt inzwischen eine Rechtsstreitgeschichte von über 16 Jahre. Wir haben versucht, die Fakten und Gesetze zu verdichten und all ihre Fragen zu beantworten.
Wir werden die Untersuchungskommission und die herausragenden Juristen mit den beschriebenen Dokumenten, die gegenwärtig dem Gericht in Florida nach dem "Habeas Corpus Act" vorliegen, ausstatten sowie mit einer ausführlichen und genauen Untersuchung alles dessen, was im Prozess geschah, d.h. vor den Verhandlungen und während der Berufungen. All’ diese Dokumente würden einen Raum dieser Größe ausfüllen.
Ich habe zwei meiner Kollegen gebeten, sich dieser Präsentation anzuschließen: Philip Horowitz, der mich begleitet, ist ein bedeutendes Mitglied der Gesellschaft für Strafrecht in Florida. Er hat seit Beginn des Falles René vertreten. Vieles von dem, was René gestern nicht beantworten konnte, weil er nicht hier sein kann, wird von Philip oder von mir beantwortet werden.
Peter Schey ist ein bedeutendes Mitglied der kalifornischen Anwaltsgesellschaft, er wird sich auf die Satellitenangelegenheit konzentrieren: darauf, wo das Flugzeug war, als es abgeschossen wurde, sowie auf die Weigerung der Regierung, den Angeklagten die für ihre Verteidigung wichtigen Dokumente auszuhändigen.
Elizabeth Woodcraft und Sara Chandler, die beide eine große Rolle bei der Ausrichtung dieser Kommission, für die wir alle dankbar sind, spielten, baten uns, die Kommissionsmitglieder in diesen Details zu unterweisen, die unserer Klage zugrunde liegen, dass nämlich die Verurteilung und Verhaftung unbefugt und ungerechtfertigt sind. Dem kommen wir hiermit nach.
Wir werden in den nächsten vier Stunden die Fakten, die den Abschüssen vom Februar 1996 vorausgingen und auf sie folgten, durchgehen, den Zeitraum von zwei Jahren zwischen den Abschüssen und den Verhaftungen (es dauerte drei-einhalb Jahre bis überhaupt irgendwelche Anklagen im Zusammenhang mit den Abschüssen erhoben wurden), die Verfahren, die dem Prozess vorausgingen, das Unvermögen der Verteidigung, das Material zu untersuchen und die Verfügung der Regierung, es unter den "Classified Information Procedures Act" [das Regierungsgeheim-haltungsgesetz] zu stellen, um den Angeklagten die Informationen vorzuenthalten.
Verehrte Juristen und Mitglieder des Auditoriums, es werden das Verfahren selbst, die außergewöhnlichen Ereignisse während des Verfahrens, die Zusammensetzung der Jury und der vorsitzenden Richter sowohl mündlich als auch durch die eingereichten Papiere erörtert werden sowie die noch 8 Jahre lang weiter geführten Berufungsverfahren und die Phase der Nachberufungen, die seit 2 Jahren andauert.
Dieser Fall findet in der amerikanischen Rechtsgeschichte keine Parallele und zwar hinsichtlich der Verstöße gegen ein faires Verfahren, was die Art und Weise der Verhaftungen und was ihn in Sachen der Wahl des Gerichtsorts betrifft, insbesondere wie auf diese Weise die Jury von den Zahlungen der amerikanischen Regierung von Millionen Dollars an Journalisten, die über den Fall berichteten, beeinträchtigt worden war.
Fakten, die, nachdem der Supreme Court eine Überprüfung abgelehnt hatte, mühselig in Tausenden von Stunden der investigativen Arbeit erstellt wurden, zeigten zwingende Beweise für die Geldausgaben der Regierung der Vereinigten Staaten, um die Journalisten dafür zu gewinnen, Geschichten zur Beeinflussung der Jury zu schreiben und deren Erfolg zur Erreichung des Ziels, nämlich das einer unrechtmäßigen Verurteilung.
Von der Verhaftung bis zur Verurteilung der Cuban Five hatte es 1930 Tage gedauert, 1930 Tage der Radio- und Fernsehgeschichten und Geschichten in den lokalen Tageszeitungen. Über diesen Zeitraum gab es durchschnittlich 6 von der Regierung der Vereinigten Staaten bezahlte Print Stories am Tag. Sie kamen zu den täglichen Geschichten und Artikeln hinzu, die sich in Zeitungen, Magazinen am Radio und im Fernsehen, auf NBC, CBS, Radio-TV- Martí und anderen Herausgebern wiederholten.
Die potentiellen und gewählten Jury-Mitglieder wurden von der von der Regierung bezahlten Propaganda überschwemmt.
Lange nach dem Ende des Verfahrens, im September 2006, fanden wir zum ersten Mal das Ausmaß der unrechtmäßigen Bezahlung heraus. Diese Sache liegt jetzt zum ersten Mal einem Gericht in Florida vor, da wir damit versuchen, die Verurteilungen aufzuheben.
Wir werden mit Euch ebenfalls die die Unschuld der Cuban Five betreffenden Fakten erörtern und insbesondere Gerardos Unschuld. Gerardo hat absolut nichts mit den Abschüssen zu tun, nichts mit irgendeiner "Verschwörung zum Mord". Die Fakten in diesem Fall erhärten seine vollständig berechtigte Unschuldsklage.
Gerardo reichte dem Gericht seine eidesstattliche Erklärung ein, die besagt: "Vor den Ereignissen vom Februar 1996 und bis heute wusste ich und weiß ich nichts von irgendwelchen angeblichen Plänen, die Flugzeuge der "Brothers to the Rescue" abzuschießen. Keine der Aktionen, die ich vor dem 4. Februar unternahm, versuchte irgend einen Beitrag zu einem solchen Plan zu leisten, noch war ich mir bewusst, dass irgendeine meiner Aktionen zu so einem Plan, wenn er denn existierte, beigetragen hätte."
Er sagt in seiner eidesstattlichen Erklärung: "So, wie ich nichts von einem angeblichen Abschlussplan der Flugzeuge wusste, so konnte ich nicht dazu beitragen oder Kenntnis von so einem Plan haben, der den Absturz irgend eines Flugzeuges in internationalem Luftraum oder auf dem Gebiet der maritimen Rechtssprechung der Vereinigten Staaten zur Folge haben würde."
Diese unwidersprochene eidesstattliche Erklärung ist den bedeutenden Juristen, die dieser Untersuchungskommission vorsitzen, übergeben worden.
Dieser Fall wurde in einer politisch motivierten Protestatmosphäre verhandelt. Der Kalte Krieg wurde, auf der Straße von Florida noch 1966, 1967, 1976 und auch immer noch 1998, 1999 und 2000 während dieser Fall verhandelt wurde, ausgefochten. Miami hatte zu jener Zeit 700.000 kubanisch-amerikanische Einwohner, die mit den Angelegenheiten in Verbindung mit "Kuba" und "Terrorismus" lebten.
Es gibt vier verschiedene zu bedenkende Faktoren, wenn man die ungerechten und vorurteilsträchtigen Angelegenheiten betrachtet, womit die Jury bombardiert wurde.
Erstens, der angebliche kubanische Terrorismus und die Anschuldigung, dass Amerika gegenüber dem kubanischen Staat Terrorismus anwende, gehörte in Miami zum Tagesgeschehen in den Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen. Dessen Einfluss auf die Jury wird in den von mir eingereichten Papieren ausgeführt.
Zweitens, war 2000 ein Wahljahr. Die Präsidentschaftswahlen Bush gegen Al Gore wurden für das Land von den Kubanern in Miami entschieden. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten waren sehr auf die Stimmen der Kubaner aus. Darum wurde drei-einhalb Jahre nach dem Ereignis die Anklage gegen Gerardo wegen Verschwörung zum Mord erhoben. Die Regierung hatte alle Fakten über den Tag des Abschusses, und über drei-einhalb Jahre lange wurde niemand angeklagt. Es war ein Versuch seitens des demokratischen Präsidenten und der Justizministerin, damit um kubanische Stimmen zu werben. Die Strafverfolgung wurde [jedoch] von der Bush-Administration beendet - als Rückzahlung für die Abstimmung.
Drittens der Fall Elian González, denn die Rückführung des kleinen Jungen zu seinem Vater nach Kuba verursachte einen Aufruhr in der kubanisch-amerikanischen Bevölkerung von Miami. Dieser Fall wurde zum Tagesgespräch der Medien, wodurch dort auch der Einfluss des vorurteilsträchtigen Materials auf potentielle Geschworene gegenüber Kuba und irgend jemandem anderen zunahm.
Viertens versuchten die "Brothers to the Rescue" täglich die Geschworenen zu beeinflussen, was ihnen auch gelang. Was Sie sehen werden, und was die Kommissare lesen werden in den sehr ausführlichen Dokumenten, die wir ihnen zur Verfügung gestellt haben, ist, dass sich all’ diese Dinge täglich im Fokus der Presse befanden, mit der außergewöhnlichen Rate von 6 Kolumnen am Tag an 1932 Tagen. Radio- , Fernseh- und Zeitungskolumnen geschrieben von Leuten, die häufig eine lange Geschichte antikubanischer Aktivitäten hatten und von der [US-]amerikanischen Regierung bezahlt wurden.
Das [US-]amerikanische Gesetz verbietet die Bezahlung von Journalisten für die Beeinflussung von Geschworenen. Und in diesem speziellen Fall gab es spezielle Erkenntnisse der Richterin über die Schwierigkeiten, eine unparteiische Jury zu finden, das Scheitern eine unabhängige Jury zu bekommen, und sogar diese Richter wussten nichts von den an die Journalisten gezahlten Millionen von Dollars oder den Millionen von Dollars, die jedes Jahr für die Beeinflussung der Geschworenen an "Radio Television Martí" gezahlt werden.
Dem traditionellen Konzept des [US-]amerikanischen Gesetzes folgend, sagte die Richterin, dass die Regierung keine Erklärungen außerhalb des Gerichts abgeben könne, so wie die Angeklagten keine Erklärung außerhalb des Gerichts abgeben könnten.
Nichtsdestotrotz wissen wir seit 2006, dass dies regelmäßig von der Regierung an 1930 Tagen gemacht wurde.
Viele Artikel gleichen sich exakt. Sie wiederholten, wiederholten und wiederholten die selben falschen Gesichtspunkte und Anschuldigungen. Zusätzlich zu den geschriebenen Artikeln gab es drei oder vier Mal am Abend Nachrichtensendungen, in denen die selben von den Vereinigten Staaten bezahlten Leute über die Ereignisse berichteten.
Zu behaupten, dass dies eines der schlimmsten Verfahren in der [US-]amerikanischen Geschichte war, ist keine Übertreibung!
Die Dokumente, die ich der Kommission übergeben habe, wurden teilweise vom "National Committee to Free the Cuban Five", teilweise von Peter Schey und teilweise von Gerardos Verteidigung vorbereitet. Sie befassen sich mit jedem spezifischen Detail jeder Anschuldigung gegen die Angeklagten.
Sie müssen die Worte des Berufungsgerichts in diesem Fall lesen. Das Berufungsgericht sagte, dem Antrag auf einen Wechsel des Gerichtsortes hätte stattgegeben werden müssen, weil es zu der Zeit unmöglich gewesen sei, in Miami ein faires Verfahren zu bekommen. Seitdem - diese Entscheidung ist von 2005 - kennen wir all’ diese Beschuldigungen über das Fehlverhalten der Regierung, das direkt damit zusammen hängt.
Das ist es, was das Berufungsgericht 2005 sagte, das nur einen Bruchteil der Informationen hatte, die wir heute bezüglich der Beeinflussung von Geschworenen kennen.
Das Berufungsgericht sagt: "Trotz der zahlreichen Versuche des Bezirksgerichts, eine unparteiische Jury in diesem Fall sicherzustellen, befinden wir, dass es wegen der Vorurteile der Gemeinde in ihr unmöglich war, eine unabhängige Jury zusammenzustellen ... Die gesamte Gemeinde ist sensibel bezüglich der Angelegenheiten der kubanischen Exilbevölkerung in Miami. Wellen von öffentlicher Erregung, wie Meinungsumfragen und Zeitungsartikel zeigen, empfehlen einen Wechsel des Gerichtsorts."
Die Dokumente, die wir der Kommission übergeben haben, zeigen die Macht und den Einfluss der "Brothers to the Rescue" und wie sie dazu in der Lage waren, sich den Anweisungen der Clinton-Administration und der Richterin zu widersetzen, nämlich mitzuhelfen, ein faires Verfahren zu erreichen.
Zum Beispiel war es den "Brothers to the Rescue" nicht erlaubt, während des Verfahrens irgendwelche öffentlichen Erklärungen darüber abzugeben. Aber sie taten es. Indem sie die Richterin ignorierten, verteilten sie Klageschriften in ganz Miami. Diese Klageschriften verlangten Anklagen gegen Fidel Castro und andere aus der kubanischen Regierung. Diese Klageschriften brachten den Kalten Krieg zurück und zogen Vergleiche mit Hitler, Lenin usw., und behaupteten, dass die Angeklagten in diesem Fall, die Cuban Five, versuchten einen Geheimdienst aufzubauen, um Südflorida zu schwächen, damit es von der kubanischen Regierung besetzt werden kann.
Solche Behauptungen, von denen die Richterin angeordnet hatte, sie nicht außerhalb des Gerichts zu wiederholen, wurden, wie wir jetzt wissen, andauernd außerhalb des Gerichts wiederholt, nicht nur in Zeitungen und Petitionen in Supermärkten, sondern auch im Radio und Fernsehen. Wir haben das erst nach dem Urteil erfahren. Wir haben das erst erfahren seit der Supreme Court es abgelehnt hat, sich mit diesem Fall zu befassen.
Leonard Weinglass und ich haben viele Anträge auf Wechsel des Gerichtsorts gestellt, und es ist selten das derartigen Anträgen stattgegeben wird. Es ist sehr schwierig für einen derartigen Antrag, Erfolg zu haben, aber ihm wurde in unserem Fall stattgegeben.
Aber dann legte die Regierung Berufung ein, und forderte, die Entscheidung zurückzunehmen. Eine Entscheidung zugunsten eines Wechsels des Gerichtsorts zurückzunehmen ist extrem selten. In diesem Fall geschah es.
Das Gericht, das einem Antrag auf Wechsel des Gerichtsorts stattgab sagte: "Außerdem lief gerade zum Zeitpunkt des Antrags auf Wechsel des Gerichtsorts die Angelegenheit um Elián González, welche die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba belastete und die Aufmerksamkeit der Gemeinde für die Belange der kubanischen Exilgemeinde erregte. Es ist unbestritten, dass die Publicity um Elián González während des Verfahrens Aufregung innerhalb der Gemeinde von Miami auslöste. Trotz des Ziels des Bezirksgerichts, die Jury zu schützen, macht die Aufregung der Gemeinde über diesen Fall und den von Elián González einen Prozess in diesem Fall unmöglich. In diesem Beispiel gab es keine angemessenen Mittel, ein faires Verfahren sicherzustellen."
Eines der Dinge, die die Richter versuchten, war die Namen der Geschworenen geheimzuhalten, sodass sie nicht eingeschüchtert, mit Vorurteilen versehen und falsch beeinflusst würden. Diese Versuche scheiterten. Einer der Gründe, warum sie scheiterten, waren die von der Regierung bezahlten Journalisten, die bei Fernsehsendern arbeiteten. Sie folgten den Geschworenen nach draußen zu deren Autos, sie zeigten die Autonummern im Fernsehen und folgten ihnen zu ihrer Arbeitsstelle. Also wusste die Öffentlichkeit in relativ kurzer Zeit, wer die Geschworenen waren, und die Geschworenen wussten, dass ihr Leben, ihre Arbeitsstellen, ihre Zukunft, das Leben ihrer Kinder auf dem Spiel standen. Sie glaubten, sie hätten keine andere Wahl, als diese Angeklagten zu verurteilen.
In einem anderen Fall, in den die Regierung zu der Zeit verwickelt war, suchten sie das Verfahren aus Miami herauszuhalten, weil sie glaubten, der Einfluss der kubanischen Gemeinde könne schädlich sein. In diesem Fall argumentierte die Regierung, sie müsse das Verfahren nach außerhalb von Miami verlegen, weil es so tiefe Gefühle über die Angelegenheiten der Kubaner gebe. Der Fall wurde nach außerhalb von Miami verlegt.
Die Regierung traf im Fall der Cuban Five eine entgegengesetzte Entscheidung, nämlich dass der Fall der Cuban Five tatsächlich in Miami bleiben sollte.
Die Verurteilung in diesem Fall war empörend. Ich habe der Kommission Dokumente bezüglich der Verurteilung übergeben.
Die Ungerechtigkeit der Urteile ist eine sehr wichtige Angelegenheit. Wenn man diesen Fall mit irgendeinem anderen Fall in den Vereinigten Staaten bezüglich der Urteile vergleicht, wird man bald begreifen, dass diese überzogen waren. Diese Urteile wurden nur teilweise und geringfügig reduziert. Zurzeit verbüßt Gerardo zwei lebenslange Strafen [+ 15 Jahre]. Seine Mitangeklagten verbüßen 30 und 22 Jahre.
In anderen Fällen - selbst wenn es eine Verurteilung gab - spricht man von zwei bis fünf Jahren höchstens.
Die Verurteilung, die Zusammensetzung der Jury, die verspätete Anklage und Verhaftung dieser Leute sind beispiellos und einzigartig, und angesichts der damaligen Politik, nicht überraschend.
Dieser Fall war eine Verdrehung der Gerechtigkeit.

Martin Garbus

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: Realcuba’s Blog vom 2. Mai 2014)

Zurück