Cuban 5 - Prozeßbeobachtung, 02.03.2006

Bericht über die Prozeßbeobachtung im Verfahren gegen die "Cuban5" vor dem 11. Bezirksgericht in Atlanta/Georgia/USA am 14.02.2006 im Auftrag des Komitees "BastaYa" und mit Unterstützung der Rechtsanwaltskammer Berlin, der Internationalen Liga für Menschenrechte (Berlin) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV).

Februar 2006 s-hu

Bericht von der Prozeßbeobachtung des Hearings im Fall der "Cuban5"

1. Die Gerichtsverhandlung:

Die öffentliche Gerichtsverhandlung des US-Appellationsgericht für den 11. Bezirk in Sachen USA gegen Antonio Guerrero u.a. begann um 9:00 Uhr vor 12 Richtern des 13-Richterkollegiums (einer hatte sich selbst abgelehnt) mit dem feierlichen Aufruf der Sache im vollbesetzten Gerichtssaal: außer den fünf Verteidigern und ihren Mitarbeiterinnen, 4 Staatsanwälten mehr als 80 ZuhörerInnen, darunter zahlreiche Journalisten und ein Dutzend Prozeßbeobachter.
Zunächst sprach für die Verteidigung Rechtsanwalt Len Weinglass aus New York, das Display auf der elektronischen Zeituhr vor der Richterbank wurde auf 9 Minuten eingestellt, die er auf die Sekunde einhielt. Das Gericht hatte den Verfahrensbeteiligten vorher drei entscheidungserhebliche Fragen mitgeteilt, nachdem die Staatsanwaltschaft die Entscheidung des Appellationsgerichts vom letzten Jahr angefochten hatte. Mit dieser Entscheidung hatten drei Richter in einem umfassend begründeten Beschluß festgestellt: Das Urteil des Distrikt-Gerichts aus Miami, in denen die fünf Angeklagten zu lebenslangen bzw. hohen Freiheitsstrafen (wegen Verabredung zur Spionage und zum Mord und einer Reihe kleinerer Delikte) verurteilt worden waren, ist wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren aufzuheben; wegen der massiven öffentlichen Vorverurteilung in Miami, dessen Kuba-feindlichen Klimas sich die Geschworenen nicht hätten entziehen können, müsse die öffentliche Verhandlung an einem anderen Gerichtsort erneut durchgeführt werden.
Dieses Problem stand nach der Anfechtung dieses einstimmigen Beschlusses der drei Richter also erneut auf der Tagesordnung des Appellationsgerichts. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Anfechtung damit begründet, daß die drei Richter bei ihrer Entscheidung einen falschen Maßstab angewandt hätten: ein faires Verfahren sei nur dann für die Angeklagten unmöglich, wenn es ausgeschlossen sei, unbefangene Richter zu finden, und nicht, wenn das Gericht dies nur für unwahrscheinlich halte.

Rechtsanwalt Len Weinglass faßte in einem glänzenden Vortrag die wesentlichen Argumente der Verteidigung gegen diese zu weitreichende Ansicht zusammen und legte ihre volle Übereinstimmung mit den höchstrichterlichen Entscheidungen in einer Reihe von Präzedenzfällen dar. Anschließend sprach für die Verteidigung R. A. Richard Klugh, um zu begründen, daß eine unparteiische Jury unter den konkreten in Miami vorherrschende Bedingungen praktisch ausgeschlossen war. Auch ihm waren ursprünglich 9 Minuten eingeräumt worden, er wurde jedoch schon kurz nach Beginn seines Beitrages von verschiedenen beisitzenden Richtern unterbrochen und mit Fragen und Vorhaltungen konfrontiert, auf die er ausführlich und überzeugend antwortete, so daß sein Beitrag etwa doppelt solang wurde.
Anschließend kam der Vertreter der Staatsanwaltschaft zu Wort, die Redezeit ursprünglich auf 20 Minuten begrenzt. Auch er wurde jedoch von Anfang an immer wieder von verschiedenen beisitzenden Richtern unterbrochen und insbesondere von einem der drei an dem vorangegangenen Beschluß beteiligten Richter mit sehr kritischen Fragen und Vorhaltungen konfrontiert. Ausgangspunkt war hierbei die einfache Frage, warum die Staatsanwaltschaft von sich aus in einem anderen Verfahren, das wenig später in Miami stattfinden sollte, argumentiert hatte, daß dort ein faires Verfahren angesichts der massiven öffentlichen Vorverurteilung der Exilgemeinde nicht möglich sei.
Aus der Befragung wurde deutlich, daß mehrere Richter, insbesondere die beiden, die bereits an der vorangegangenen Entscheidungen beteiligt waren, die Argumente der Verteidigung unterstützten, während einige andere diese eher für fragwürdig hielten. Der Vorsitzende Richter hat entgegen der ursprünglichen Annahme der Verteidigung diese nicht mit kritischen Fragen konfrontiert, was sie als positives Zeichen gewertet hat.

2. Einschätzung der Verteidigung und Perspektive

Insgesamt war die Einschätzung der Verteidiger im Anschluß an die einstündige Verhandlung positiv, was das Niveau und die Ernsthaftigkeit der Argumentation, und vorsichtig optimistisch, was die zukünftige Entscheidung betraf. Eine positive Entscheidung im Sinne der Verteidigung wäre historisch einmalig, weil das Appellationsgericht noch nie eine für die Angeklagten positive Entscheidung getroffen habe, andererseits hat das 13er-Richtergremium auch noch nie eine Entscheidung des Dreier-Kollegiums aufgehoben. Mit einer Entscheidung ist in den nächsten Monaten zu rechnen, es sei eher unwahrscheinlich, daß es wieder mehr als ein Jahr von der öffentlichen Verhandlung bis zur Entscheidung dauere wie beim letzten Mal. Die Mandanten, die der Verhandlung nicht beiwohnten, müßten solange in jedem Falle in Haft bleiben; nach der Entscheidung könne die Partei, die unterliegt, den Supreme-Court anrufen. Die Verteidiger halten also eine Verfahrensdauer von mehr als 10 Jahren für durchaus möglich und sehen keine Chance, die Mandanten vorher aus der Haft herauszubekommen: Bei so schweren Vorwürfen würden die Möglichkeiten einer Haftentlassung gegen Kaution oder andere Auflagen praktisch nie angewandt.

3. Die Pressekonferenz

Um 12:00 Uhr begann die von einer engagierten Agentur professionell vorbereitet und durchgeführte Pressekonferenz im Ritz-Carlton-Hotel mit mehr als einem Dutzend MedienvertreterInnen, darunter vor allem die führenden Nachrichtensender (CNN und Fox), regionale Medien aus Miami und kubanische sowie linke Medien. Gloria la Riva öffnete die Pressekonferenz für das national Komitee zur Befreiung der fünf Kubaner mit einem Beitrag über die Ziele und Aktivitäten des Komitees und der internationalen Unterstützungs- und Solidaritätsaktivitäten - darunter neben den Protesten zahlreicher prominenter, Nobelpreisträger und Intellektueller vor allem aus dem lateinamerikanischen Bereich, u.a. 110 Unterschriften britischer Parlamentsabgeordneter. Sie betonte auch die Bedeutung der internationalen Prozeßbeobachtung durch Juristen und Menschenrechtler stellte diese kurz vor und erwähnte die Vereinigungen, für die wir als Prozeßbeobachter dort waren. Für die Verteidigung richtete Rechtsanwalts Weinglass einen Appell an die Öffentlichkeit, den Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit in diesem historisch bedeutsamen Fall zu unterstützen. Anschließend sprach der belgische Parlamentarier der Sozialistischen Partei und berichtete über 31 Protestunterschriften des belgischen Parlaments, die sie in kurzer Zeit gesammelt hätten.
Es folgte ein Vertreter der kubanischen Vereinigung in Miami, die den der Kampf der fünf politischen Gefangenen für ihre Befreiung unterstützt.
In einem kurzen Beitrag habe ich dann darauf hingewiesen, daß das Verfahren in jedem Falle internationale Menschenrechtsstandards verletze: Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischengerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg (Fall Erdem gegen die BRD aus dem Jahr 2000 u.a.) habe ich ausgeführt, daß eine Untersuchungshaft, die länger als sechs Jahre dauere selbst in Fällen schwerster Anklagevorwürfe (auch Mord o.ä.) nicht hinnehmbar sei - völlig unabhängig von der Frage der Schuld müßten also die Kubaner nach menschenrechtlichen Grundsätzen sofort freigelassen werden.
Zum Schluß sprach Fabio Marcelli für den die IADL) (Vereinigung demokratischer Juristen) und berichtete u.a. von weiteren geplanten Aktivitäten für die fünf Gefangenen in Italien und Europa. Im Anschluß an die einstündige Pressekonferenz fanden noch eine Reihe von Einzelinterviews statt.
Eine Auswertung der Presse und anderer Medien liegt mir noch nicht vor. Die Verteidiger haben uns immer wieder versichert, daß die internationale Prozeßbeobachtung für ihre schwierige Tätigkeit von großer Bedeutung sei und sie es sehr begrüßen würden, wenn der von mir eingebrachte "europäische menschenrechtliche Aspekt" weiterhin präsent sei.

Eberhard Schultz

Atlanta den 15. Februar 2006

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