Leserbrief "Die Zeit"
Offener Leserbrief an die Redaktion von "Die Zeit"
Yoani Sanchez, "Besser als unsere Greise", in: Sehr geehrte Damen und Herren, der aus Ihrer Sicht erstaunlicherweise "unzensierte" Beitrag einer kubanischen Bloggerin ist für jeden Ihrer LeserInnen, die oder der sich schon auf Kubas Straßen und Plätzen umsehen konnte und sich ernsthaft mit dem kubanischen System befasst hat, allzu durchsichtig. Das Rezept: Man nehme die Hälfte einer unleugbaren Wahrheit wie das Wirtschafts-"Embargo", das in Wirklichkeit in Kuba "Blockade" genannt wird und eher ein "Wirtschafts-"Krieg" ist und dessen unleugbare Auswirkungen auf Kubas System, das sich in der von ihr erwähnten Karrikaturen Luft macht, und füge dann eine faustdicke Lüge hinzu, nämlich die über das "Versammlungsverbot" in Kuba und schon liegt man voll im Trend der von der Bush-Administration gewünschten "Transition to a free Cuba".
So kann man auch als völlig unbekannte Kubanerin über Nacht berühmt werden. Sogar die "New York Times" nimmt Kenntnis. Und schon profitiert man von dem Programm der Bush-Administration, für das zig Millionen US-Steuergelder zur Verfügung stehen, die über so genannte NGOs wie "Reporter ohne Grenzen", USAID, NED etc. und neuerdings auch verstärkt über einige besonders den USA verpflichteten europäische NGOs an "oppositionswillige" Kubaner weitergeleitet werden.
Sie verdankt ihr Privileg den unverbesserlichen revanchistischen Greisen in Miami und innerhalb der Bush-Administration und - Dynastie, denn auch der ehemalige CIA-Agent und U.S.-Präsident George Bush sen. hatte die Terroranschläge gegen das "kommunistische" Kuba unterstützt und begnadigte den Terroristen und Exilkubaner Orlando Bosch Ávila, der seitdem unbehelligt in Miami wohnt.
Er versucht gerade, seine ohnehin nicht so lange Haftstrafe damit zu verkürzen, dass er die "Dissidentenszene" in Kuba mit Bargeld unterstützt, das über die U.S.-Interessenvertretung in Havanna z.B. an eine ihrer "Stardissidentinnen" Marta Beatriz Roque überreicht wird. Die republikanische Kongressabgeordnete aus dem exilkubanischen Lager Ileana Ros-Lethinen und selbst Präsident Bush rufen bei ihr an, um sie und die "Damen in Weiß" höchstpersönlich zu instruieren.
Anscheinend gehört niemand von Yoanis Verwandten oder Bekannten zu den Opfern der rechtsradikalen Exilkubaner - bis 1999 waren es 3.478 Tote und 2.099 Schwerverletzte, die Kuba vor der UNO beklagte und belegte.
Am 4. Juni 2008 bestätigte ein Drei-Richter-Gremium von Atlanta die Urteile für die in aller Welt bekannten "Cuban Five" nach ihrem dritten Anhörungstermin vor dem 11th Circuit Court of Appeals in Atlanta, das heißt, das Urteil für Gerardo Hernández von zweimal lebenslänglicher Haft zuzüglich 15 Jahren und das von René González von 15 Jahren Haft in vollem Umfang. Die Anwälte der Fünf werden erneut in Berufung gehen.
Was hindert "Die Zeit", über diesen Fall zu berichten? Was hindert "Die Zeit", die Meinung der ihrem System gegenüber loyalen kubanischen Politiker oder anderen kubanischen Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben Kubas über einen eventuellen Wahlerfolg von Barack Obama zu befragen. So viel wir wissen, würden sich jedenfalls alle über eine Kuba gegenüber weniger feindlich eingestellte US-Administration nur freuen. Aus ihrer Sicht wäre es sehr schön, wenn der Schmerz nachließe. Die "Dissidenten" hätten es danach jedoch schwerer, ihr profitables Geschäft beizubehalten oder überhaupt noch Gehör in "unseren freiheitlichen" Medien zu finden. Mit freundlichen Grüßen
Dipl.Päd. Josie Michel-Brüning
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