Leserbrief "Die Zeit"

Offener Leserbrief an die Redaktion von "Die Zeit"

Yoani Sanchez, "Besser als unsere Greise", in:
"Ein Hauch von Menschheit - Weltpräsident Barack Obama? ..." Von Jan Ross, in Nr. 24, S. 3-4

Sehr geehrte Damen und Herren,

der aus Ihrer Sicht erstaunlicherweise "unzensierte" Beitrag einer kubanischen Bloggerin ist für jeden Ihrer LeserInnen, die oder der sich schon auf Kubas Straßen und Plätzen umsehen konnte und sich ernsthaft mit dem kubanischen System befasst hat, allzu durchsichtig.

Das Rezept: Man nehme die Hälfte einer unleugbaren Wahrheit wie das Wirtschafts-"Embargo", das in Wirklichkeit in Kuba "Blockade" genannt wird und eher ein "Wirtschafts-"Krieg" ist und dessen unleugbare Auswirkungen auf Kubas System, das sich in der von ihr erwähnten Karrikaturen Luft macht, und füge dann eine faustdicke Lüge hinzu, nämlich die über das "Versammlungsverbot" in Kuba und schon liegt man voll im Trend der von der Bush-Administration gewünschten "Transition to a free Cuba".

So kann man auch als völlig unbekannte Kubanerin über Nacht berühmt werden. Sogar die "New York Times" nimmt Kenntnis. Und schon profitiert man von dem Programm der Bush-Administration, für das zig Millionen US-Steuergelder zur Verfügung stehen, die über so genannte NGOs wie "Reporter ohne Grenzen", USAID, NED etc. und neuerdings auch verstärkt über einige besonders den USA verpflichteten europäische NGOs an "oppositionswillige" Kubaner weitergeleitet werden.
Was glauben Sie, wer Yoani Sanchez die teuren Sitzungen an den PCs der kubanischen Hotels bezahlt?

Sie verdankt ihr Privileg den unverbesserlichen revanchistischen Greisen in Miami und innerhalb der Bush-Administration und - Dynastie, denn auch der ehemalige CIA-Agent und U.S.-Präsident George Bush sen. hatte die Terroranschläge gegen das "kommunistische" Kuba unterstützt und begnadigte den Terroristen und Exilkubaner Orlando Bosch Ávila, der seitdem unbehelligt in Miami wohnt.
Einer der Sponsoren der kubanischen "Dissidenten", der Millionär Santiago Alvarez, sitzt zurzeit noch in Miami im Gefängnis ein, weil das FBI bei ihm ein allzu großes illegales Waffenlager gefunden hat.

Er versucht gerade, seine ohnehin nicht so lange Haftstrafe damit zu verkürzen, dass er die "Dissidentenszene" in Kuba mit Bargeld unterstützt, das über die U.S.-Interessenvertretung in Havanna z.B. an eine ihrer "Stardissidentinnen" Marta Beatriz Roque überreicht wird. Die republikanische Kongressabgeordnete aus dem exilkubanischen Lager Ileana Ros-Lethinen und selbst Präsident Bush rufen bei ihr an, um sie und die "Damen in Weiß" höchstpersönlich zu instruieren.
Santiago Alvarez gehört auch zu den Finanziers der Terroranschläge gegen Kuba, sein berüchtigtes Protegé ist der mittlerweile greise Luis Posada Carriles, verantwortlich für etliche Terroranschläge gegen die Insel. Dieser genießt wie schon Orlando Bosch nicht nur seine Freiheit in Miami, sondern wird dort auch noch als Held gefeiert, vgl.: "The Miami Herald".

Anscheinend gehört niemand von Yoanis Verwandten oder Bekannten zu den Opfern der rechtsradikalen Exilkubaner - bis 1999 waren es 3.478 Tote und 2.099 Schwerverletzte, die Kuba vor der UNO beklagte und belegte.

Währenddessen sitzen fünf Kubaner seit fast zehn Jahren in U.S.-Gefängnissen. Ihr Vergehen: unbewaffnetes Eindringen in paramilitärische exilkubanische Organisationen Südfloridas, um die dort ausgeheckten Terroranschläge gegen ihre Landsleute, aber auch gegen nach Kuba reisende US-Bürger, zu verhindern, indem sie die kubanischen Behörden davor warnten.

Am 4. Juni 2008 bestätigte ein Drei-Richter-Gremium von Atlanta die Urteile für die in aller Welt bekannten "Cuban Five" nach ihrem dritten Anhörungstermin vor dem 11th Circuit Court of Appeals in Atlanta, das heißt, das Urteil für Gerardo Hernández von zweimal lebenslänglicher Haft zuzüglich 15 Jahren und das von René González von 15 Jahren Haft in vollem Umfang.
Die Urteile für Ramón Labañino von lebenslänglicher Haft zuzüglich 18 Jahren, Antonio Guerrero von lebenslänglicher Haft zuzüglich 10 Jahren und für Fernando González von 19 Jahren Haft werden immerhin für zu hoch angesetzt gehalten und deren Fälle an das Gericht in Miami zurückverwiesen, das diese maßlosen Strafen nach ihrer Inhaftierung am 12. September 1998 dann 2001 mittels eingeschüchterter Jury über sie verhängt hatte.

Die Anwälte der Fünf werden erneut in Berufung gehen.

Was hindert "Die Zeit", über diesen Fall zu berichten?
Ausführliche Informationen fänden Sie beispielsweise unter www.freethefive.org , www.antiterroristas.cu , www.thecuban5.org und auf Deutsch www.miami5.de .

Was hindert "Die Zeit", die Meinung der ihrem System gegenüber loyalen kubanischen Politiker oder anderen kubanischen Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben Kubas über einen eventuellen Wahlerfolg von Barack Obama zu befragen. So viel wir wissen, würden sich jedenfalls alle über eine Kuba gegenüber weniger feindlich eingestellte US-Administration nur freuen. Aus ihrer Sicht wäre es sehr schön, wenn der Schmerz nachließe.

Die "Dissidenten" hätten es danach jedoch schwerer, ihr profitables Geschäft beizubehalten oder überhaupt noch Gehör in "unseren freiheitlichen" Medien zu finden.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.Päd. Josie Michel-Brüning
und Dipl.Ing. Dirk Brüning

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