"U.S.-Macht vor Recht?"Der Kampf für die Befreiung der "Cuban Five" geht auch nach der jetzigen Bestätigung des Urteils aus Atlanta weiter!
Zitat: "'Das Ende der Weimarer Demokratie war weder zufällig noch zwangsläufig.' Das sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert [CDU] am Donnerstag, dem 10. April 2008, in der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages ‚Die Zerstörung der Demokratie in Deutschland vor 75 Jahren'. Lammert und der ehemalige Bundesminister Hans-Jochen Vogel erinnerten in ihren Reden an die Ereignisse im ersten Halbjahr nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Jahr 1933.'"
Der ehemalige Bundesminister der SPD Hans-Jochen Vogel ließ in seiner Rede daraufhin folgende "Mahnung für die Gegenwart" folgen: "Wer wegsieht oder nur die Achseln zuckt, schwächt die Demokratie. Wer widerspricht und sich einbringt, stärkt sie." [s. : http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2008/20069543_kw15_gedenkstunde/index.html ] "Was hat das mit dem neuen Urteil aus Atlanta vom 4. Juni 2008 im Fall der ‚Cuban Five' zu tun?" könnte man sich fragen. Schließlich ging es in der oben erwähnten Gedenkstunde um unsere deutsche Vergangenheit und die Bedrohung durch jetzige rechtsradikale Parteien innerhalb Deutschlands, und man kann die Verhältnisse in den USA nicht mit denen der Weimarer Republik gleichsetzen. Dementsprechend heißt es in einem Antwortschreiben aus dem Auswärtigen Amt, GZ 200-516.00 USA vom 23. Juli 2008, auf mein Schreiben vom 28. Mai 2008, das eigentlich an unsere Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel gerichtet war, mit dem ich sie gebeten hatte, anlässlich des Besuchs von U.S.-Präsident George W. Bush in Deutschland unsere Sorge um den Verlauf des Verfahrens der "Cuban Five" gesprächsweise einzubringen: "Die USA sind ein Rechtsstaat. Vorwürfe zu angeblichen Verfahrensverstößen [im Fall der "Cuban Five"] sind seitens des Auswärtigen Amtes nicht nachprüfbar. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amts ist der Rechtsweg in den genannten Verfahren gegen einige der Inhaftierten noch nicht ausgeschöpft." Darüber hinaus schreiben unsere Beamten, unsere "Bundesregierung" setze sich "international für Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Achtung der Menschenwürde ein." Unsere Natobündnis- und Handelspartner, die Vereinigten Staaten von Amerika, scheinen für uns jedoch als Vorbild an Demokratie zu gelten haben, deren Verstöße gegen Demokratie, sowie gegen internationales Recht dürfen wohl - entgegen der vollmundigen Erklärung unseres ehemaligen Bundesministers - daher nicht wahrgenommen werden. Sätze wie "Wehret den Anfängen!" bleiben feierlichen Gedenkstunden vorbehalten, obwohl die Ereignisse der letzten Jahrzehnte zeigen, dass die aus schmerzlichen Erfahrungen gewonnenen demokratischen Errungenschaften in den Ländern der "Westlichen Welt" bereits aufgegeben und die nach dem II. Weltkrieg gefundenen internationalen Vereinbarungen und unterzeichneten Abkommen zum friedlichen Miteinander auf der Welt immer mehr vernachlässigt werden. Der Fall der "Cuban Five" ist zwar nicht der einzige, an dem dies deutlich wird, aber durch die - jedem, der will - auch hier wieder zur Verfügung stehende Information könnte er als sehr aktuelles Paradebeispiel gelten. Rekapitulation des bisherigen Verlaufs der Sache der "Cuban Five" und Auszüge aus dem jetzt vom Appellationsgericht des 11. Bezirks in Atlanta bestätigten Urteil seines Drei-Richter-Gremiums vom 4. Juni 2008 Aus der 99-seitigen Urteilsbegründung des Drei-Richter-Gremiums des "11th Circuit Court of Appeals" von Atlanta, Georgia, geht hervor, dass die Urteile über die "Cuban Five" im wesentlichen aufrechterhalten werden, dass aber bei Dreien der Angeklagten, Ramón Labañino, Antonio Guerrero und Fernando González, die bisherigen Strafmaße als zu hoch angesehen werden und dass diese Drei daher zur Überprüfung an den ursprünglichen Gerichtsort in Miami-Dade zurück geschickt und ihre Strafurteile dort neu verhandelt werden sollen. Allerdings gab es in der Beurteilung des Falles von Gerardo Hernández keine Einmütigkeit. Hier wurde in einer Zwei zu Eins Abstimmung entschieden. Zur Erläuterung:
Zwei des jetzigen Drei-Richter-Gremiums gehörten auch dem Gremium an, das die ursprünglichen Urteile von 2001 in Miami am 9. August 2005 in Atlanta mit einer 93-seitigen Begründung aufgehoben und gemäß der Forderung der Verteidigung wegen der überwiegenden Vorurteile gegenüber den Angeklagten in Miami angeordnet hatte, dass der Prozess für alle Fünf an einem anderen Ort, außerhalb von Miami, wieder neu aufgerollt werden solle. Einer der Richter dieses Drei-Richter-Gremiums zog sich bald darauf aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zurück. Nachdem am 31. Oktober 2005 dem Einspruch der Bundesstaatsanwaltschaft und der Beantragung einer EN-Banc-Anhörung vor allen 12 Richtern des Berufungsgerichtes in Atlanta stattgegeben worden war, am 14. Februar 2006 eine mündliche Anhörung vor den 12 Richtern unter internationaler Beobachtung in Atlanta stattgefunden hatte, hob das Zwölf-Richter-Gremium am 9. August 2006 das Urteil des Drei-Richter-Gremiums von Atlanta nach einer 10 zu 2 Abstimmung wieder auf. Damit hatte der Berufungsantrag der Verteidigung auf die Verlegung des Prozesses nach außerhalb von Miami, dem "change of venue", auf dem vorgeschriebenen Instanzenweg zunächst verloren.
Daher beantragte die Verteidigung am 20. November 2006 bei den beiden Richtern aus dem ehemaligen Drei-Richter-Gremium in Atlanta die Überprüfung der 9 verbleibenden Berufungspunkte. 1. Urteilsbegründung des Richters William Pryor Wer sich als juristischer Laie durch seine Urteilsbegründung mit den Angaben zu den jeweiligen Präzedenzfällen quält, nimmt vor allem eines wahr, nämlich, dass fast sämtliche vorurteilsbelasteten Argumente der Staatsanwälte im ursprünglichen Prozess von Miami wiederholt werden. Schon auf Seite 6 behauptet er, dass Olga Salanueva, die Ehefrau von René González, auch Agentin des kubanischen Geheimdienstes gewesen sei, was diese bis heute bestreitet. Er begründet es damit, dass René, der ja "sträflicherweise" die "Brothers" [Brothers to the Rescue unter Leitung von José Basulto] infiltriert hatte, darum "ersucht" habe, seine Ehefrau [mit Tochter Irma] nachkommen zu lassen, was ihm "mit Hilfe eines Kongressmitgliedes" gelungen sei. - An dieser Stelle fragt sich doch jeder mitdenkende Leser: "Wenn Olga Salanueva wie ihr Ehemann Agentin war, warum wurde sie nicht wie ihr Ehemann als solche verurteilt?" Wer die Geschichte kennt, weiß, dass sie 2000 für 3 Monate ins Gefängnis von Fort Lauderdale musste, man ihr jedoch nichts nachweisen konnte und danach des Landes verwiesen wurde. Dennoch wurde sie bis heute quasi in "Sippenhaft" genommen und wird damit bestraft, dass sie ihren Ehemann und Vater ihrer Kinder im Gefängnis nicht besuchen darf. Dieses Besuchsverbot betraf damit bis Ende 2006 auch Töchterchen Ivette, das erst 1998 in den USA geboren wurde und dem daher ohne Begleitung seiner Mutter bis dahin die Reise in die USA nicht zuzumuten war. Man kann sich auch fragen: "Wo ist die innere Logik dieser Urteilsbegründung, und nach welchem Gesetz erschwert es einen ‚Strafbestand', wenn der ‚Täter', dem ebenfalls keine ,Spionage' nachzuweisen ist, gerne mit seiner Ehefrau zusammen leben will?" Ähnliches gilt für Adriana Pérez, die ihren Ehemann Gerardo Hernández, der bis heute zu zweimal Lebenslänglich plus 15 Jahren verurteilt ist - denn sie und Gerardo hatten vor seiner Verhaftung auch darum "ersucht", dass sie zu ihm nach Florida kommen könne. Dieser ebenso menschenrechtswidrige Fall wird jedoch von Pryor überhaupt nicht erwähnt. Adriana hatte 2002 zunächst ein Einreisevisum für den Besuch ihres Ehemannes in seinem damaligen Gefängnisaufenthaltsort, dem Hochsicherheitsgefängnis in Lompoc, Kalifornien, erhalten, war aber dann auf dem Flughafen Houston, Texas, aufgehalten, 11 Stunden lang vom FBI verhört und dann nach Kuba zurückgeschickt worden. Amnesty International hatte das im Dezember 2002 zum Anlass genommen, einen Protestbrief an den damaligen U.S.-Justizminister John Ashcroft zu schreiben und auf die Gesetzeswidrigkeit der Verweigerung des Besuchsrechtes für Adriana und Olga hinzuweisen. - Auf Seite 12 ff weist Pryor stattdessen daraufhin, dass Paul McKenna Belastungszeugen gegen seinen Mandanten Gerardo, wie z.B. José Basulto, ins Kreuzverhör nehmen durfte, dass Basulto für eine unangemessene Antwort sogar einmal gerügt worden sei und dass das ganze aus U.S.-Steuergeldern bezahlt wurde, was doch für die "Fairness" des Prozesses spreche. Es erinnert daran, dass der damals beteiligte Staatsanwalt Guy Lewis noch 2007 gegenüber dem Journalisten Tom Noga, der für den Beitrag auf WDR 5 recherchierte, sagte, die Fünf könnten froh sein, dass sie nicht gleich an die Wand gestellt wurden, sondern einen aus US-Steuergeldern finanzierten Prozess bekommen hätten. Pryor erwähnt natürlich nicht, dass sich die Pflichtverteidiger während des Prozesses bedroht fühlten und zeitweilig Angst hatten, ihre Kinder zur Schule zu schicken, wie sie es gegenüber Leonard Weinglass ausgesagt hatten, nachdem der 2002 anstelle von Antonios vorherigem Anwalt ins Verteidigerteam aufgenommen worden war. Und natürlich erwähnt er die Pressekampagne gegen die Fünf, vor und während des Prozesses, nicht. Pryor bestreitet auch die Unrechtmäßigkeit dessen, dass den Angeklagten 80 % ihres Belastungsmaterial vorenthalten wurde etc., wie es auch der ungeniert revanchistische Lewis in dem oben erwähnten Interview mit Tom Noga getan hatte. Außerdem beruft Pryor sich auf den Seiten 47-48 auf die Kronzeugenaussagen eines der Mitangeklagten, Joseph Santos, der wegen seiner "Kooperationsbereitschaft" eine wesentlich mildere Strafe erhielt als die Fünf. Im Gegensatz zu dem US-amerikanischen Juristen, Professor Erik Luna von der "University of Utah College Of Law", der Ende April 2003 in einem Interview mit Bernie Dwyer von Radio Havana die Meinung vertrat, die Angeklagten hätten vor Gericht das Gesetz der "defense of necessity" [der Verteidigung im Notfall, zwischen zwei Übeln wählen zu müssen, hier: entweder die Terrorakte gegen Kuba zu dulden oder aber zu versuchen, die Täter ausfindig zu machen, um weitere Anschläge verhindern zu können] geltend machen sollen, wonach sich das Verteidigerteam jedenfalls bei den Berufungsanträgen gerichtet hatte, lässt Pryor die Anwendung dieses Gesetzes auf die Fünf nicht gelten.
Richter Pryor hält es am Schluss seiner Ausführungen jedoch für nötig, da die Strafen wegen des Sammelns und der Weitergabe von als "geheim" eingestuften Materials zumindest bei Dreien der Angeklagten nicht aufrechterhalten werden könnten, dass deren jeweilige Strafe neu zu bemessen sei. Renés Strafe wird nicht mehr erwähnt und bei Gerardos Strafe sei es angesichts seiner ohnehin lebenslangen Strafe wegen Verschwörung zum Mord, dem Punkt 3 der Anklage, ohnehin "irrelevant" noch zu fragen, ob die anderen Strafen gerechtfertigt seien oder nicht. 2. Urteilsbegründung des Richters J. Birch Auf Seite 83 kommt Richter J. Birch zu Wort, einer des Drei-Richter-Gremiums von 2005. Er sagt zwar, er schließe sich den Ausführungen seines Vorredners an, nennt die Anklage gegen Gerardo wegen Verschwörung zum Mord jedoch "a very close case", was so viel zu heißen scheint wie sehr undurchsichtig und schwer zu klären, verweist dann auf seinen Dissens von 2005 und schreibt, die Angeklagten seien wegen des durchgängigen Vorurteils innerhalb der Gemeinde gegen sie einem solchen Ausmaß von Leid ausgesetzt worden, dass er immer noch überzeugt sei, dass der Fall an einem anderen Ort hätte wieder aufgenommen werden sollen. Sein Rat laute daher "respectfully", sich an den Supreme Court zu wenden. 3. Urteilsbegründung der Richterin Phyllis Kravitch
Auf Seite 84 beginnt der Dissens der Richterin in der Minderheit, die ebenfalls Mitglied des Drei-Richter-Gremiums
von 2005 war. Eine entsprechende Recherche im Internet ergab, dass die bereits 85-jährige Phyllis Kravitch
[vgl.: der unten erwähnte Richter John Paul Stevens, 88 J., Mitglied des Supreme Court's] ähnliche
Kindheitserlebnisse hatte, wie die "Scout" in "To kill a mockingbird" [Titel der dtsch.
Ausgabe: "Wer die Nachtigall stört".] von Harper Lee, die dafür den Pulitzer-Preis erhielt.
Wenn nicht das Buch, so ist vielleicht manchem die werkgetreue Verfilmung der Geschichte mit Gregory Peck in der
Hauptrolle noch in Erinnerung. Auch Kravitchs Vater hatte - gegen die damalige öffentliche Meinung in den
Südstaaten - einen Schwarzen vor Gericht verteidigt. [Vgl.: Artikel über Phyllis Kravitch
vom 28. September 2006, in "Scout grows up" von "James", unter:
Phyllis Kravitch schließt sich mit dem ersten Satz ihrer Argumentation dem Urteil ihrer Vorgänger "teilweise" an, hat aber auf den folgenden 16 Seiten ihrer Urteilsbegründung den Mut, den "very close case" [ s. oben, Wortlaut bei Richter Birch] von Gerardo unter die Lupe zu nehmen. Sie verweist auf das dem Gericht vorliegende Beweismaterial, z.B. Videobänder und Tonbandaufnahmen vom Funkverkehr während der maßgeblichen Flüge, wonach José Basulto von "Brothers to the Rescue" seit 1994 mehrfach in den kubanischen Luftraum eingedrungen sei, um die Inselbewohner zum Aufstand gegen das "Castro-Regime" aufzurufen. Sie weist daraufhin, dass Basulto gewarnt worden sei, nicht nur von der kubanischen Luftabwehr während seiner Flüge zuvor vor Ort, sondern auch durch die U.S.-Luftfahrtbehörde, nachdem Kuba sich bei der Clinton-Administration beschwert hatte. Darüber hinaus weist sie mehrfach daraufhin, dass dem Gericht keine Beweise dafür vorlägen, dass Gerardo Hernández Einfluss auf die Entscheidung der kubanischen Behörden hatte, zwei der Kleinflugzeuge der "Brothers to the Rescue" abzuschießen. Wie Weinglass in seinem Interview vom 5. Juni 2008 mit Arleen Rodríguez von "Mesa Redonda" aussagte, sei das "eine historische richterliche Leistung für die Anklage auf Verschwörung, Mord begehen zu wollen. Sie ist direkt dem Obersten Gerichtshof unterstellt, und sie ist eine der anerkanntesten Führungspersönlichkeiten des U.S.-Justizsystems." (Vgl.: Übersetzung des Interviews unter: http://www.miami5.de/informationen/juristen-080609.html) Im Vergleich dazu die Entscheidung des Supreme Court's über die Häftlinge in Guantánamo vom 12. Juni 2008
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA entschied am 12. Juni 2008, "dass die U.S.-amerikanische Verfassung sehr wohl auch auf dem U.S.-Marinestützpunkt auf Kuba gelte und dass die Regierung Bush den Gefangenen daher eine Haftprüfung vor einem zivilen Richter zugestehen muss." Eben das hatte die Regierung zu vermeiden versucht, als sie 2002 die ersten Häftlinge in das karibische Lager brachte. ... Darüber hinaus wurde auch diese, nur auf knapper Mehrheit basierende Entscheidung des Supreme Courts von der Bush-Administration außer Kraft gesetzt. Der U.S.-Justizminister Michael B. Mukasey ließ schon bald darauf verkünden, dass die Fälle der mutmaßlichen Terroristen nur vor dem, wohl auch nur auf Druck der Öffentlichkeit auf dem U.S.-Stützpunkt eingerichteten Militärgericht verhandelt werden dürften. Aber unsere Bundesregierung behauptet: Die USA sind ein Rechtsstaat! Josie Michel-Brüning
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