Meine erste Begegnung mit Fernando González Llort, einem der Cinco Héroes de la República de Cuba, der inzwischen nach Kuba zurückkehren durfte (Havanna, 6. Mai 2014)
Unbestreitbarer Höhepunkt meines Aufenthalts in Kuba (teils in Havanna, teils in Las Tunas) in der Zeit vom 25. April bis 23. Mai 2014 war die erste persönliche Begegnung mit Fernando González Llort. Meine Brieffreundschaft mit ihm begann, wenn ich mich recht erinnere, schon im Jahr 2001. Seine Mutter Magaly Llort hatte ich ein Jahr später im Hause von Ramón Ripoll (damals noch Wirtschaftsrat an der kubanischen Botschaft, später Vizeminister im MINCEX, Ministerium für Außenhandel und ausländische Investition) zusammen mit Mirtha Rodríguez, der Mutter von Antonio Guerrero Rodríguez, kennengelernt.
Ich war so naiv anzunehmen, daß das erste Treffen mit Fernando und auch mit René González, den beiden Antiterroristen, die inzwischen nach Kuba zurückkehren durften, in einer eher privaten, weniger offiziellen, weniger formellen Umgebung stattfinden würde, etwa im Büro von Graciela Ramírez, in einem Restaurant, bei gemeinsamen Freunden oder bei Gelegenheit einer Veranstaltung. Das ICAP (Instituto Cubano de la Amistad con los Pubeblos, Kubanisches Institut für Völkerfreundschaft) hatte jedoch anders geplant. Ich wurde offiziell zu einem Treffen mit René und Fernando am 6. Mai 2014 in der Casa de la Amistad am Paseo im Vedado von Havanna eingeladen. Das machte meine Pläne zunichte: eigentlich wollte ich nach einer Woche Aufenthalt in Havanna nach Trinidad, wo ich einige Tage verbringen wollte, und von dort aus nach Las Tunas weiterreisen. Maikel Veloz bat mich indessen inständig zu bleiben und an dem Treffen teilzunehmen. Gegen 15 Uhr wurde ich von Maikel abgeholt und zur Casa de la Amistad gebracht, wo mich schon Kenia Serrano Puig, die Präsidentin des ICAP, an der Eingangstür dieses prächtigen Palastes erwartete und auf das Herzlichste begrüßte - wir haben einander vor Jahren in Las Tunas kennengelernt, sie vertritt Las Tunas als Abgeordnete in der kubanischen Nationalversammlung. Das erste Zusammentreffen (es fand in dem "Prunksaal" rechts neben der Eingangstür statt, einigen Kubafreunden wird er bekannt sein) mit einem Menschen, mit dem mich eine jahrelange Brieffreundschaft verbunden hatte, hatte ich mir doch ganz anders vorgestellt. Fernando und seine Frau Rosa Aurora kamen geradewegs auf mich zu und wir umamten einander, wie es alte Freunde tun, die einander nach längerer Zeit wiedersehen. Da war nicht ein einziger Augenblick des Fremdseins. Ich muß allerdings bekennen, ich hatte Mühe, einige Tränen der Rührung - hoffentlich unbemerkt! - wegzuwischen. Unser Gespräch begann mit der Erinnerung an den Anfang unserer Brieffreundschaft, wozu auch gehörte, daß ich ja auch seine Mutter - zusammen mit Antonios Mutter Mirtha - schon sehr früh kennengelernt hatte. Fernando war sehr interessiert zu erfahren, wie es um das Komitee ¡Basta ya! stehe. Leider konnte ich hierzu nicht viel Positives berichten. Das Komitee bestehe nach meinem Dafürhalten in seiner ursprünglichen Zusammensetzung nicht mehr, einige wenige der "Genossen der ersten Stunde" arbeiteten noch mehr oder weniger jeder für sich vor sich dahin, regelmäßige Treffen fänden seit längerer Zeit schon nicht mehr statt. Wenn ich mich nicht täusche, hätten wir einander zuletzt im vergangenen Jahr bei der Fiesta Moncada in Bochum gesehen, und ich hoffte, dieses Jahr sähen wir einander bei der diesjährigen Fiesta Moncada, dieses Mal wohl wieder auf dem Gelände der Außenstelle der Botschaft in Bonn. Ich habe erklärt, daß ich mich inzwischen auch eher als Mitglied des Internationalen Komitees für die Freilassung der Fünf sehe und es als eine meiner Aufgaben betrachte, den Kontakt zwischen diesem Komitee und den deutschen Gruppen der Solidarität mit den Fünf aufrechtzuerhalten, wozu dann auch gehöre, daß ich hin und wieder Texte aus dem Spanischen für díejenigen übersetze, die kein Spanisch sprechen. Bei der Frage, wie wir die möglichst baldige Freilassung auch von Gerardo, Antonio und Ramón erreichen könnten, nahm breiten Raum das Thema der "Mauer des Schweigens" ein. Ich versuchte zu erklären, wie Medien im Kapitalismus funktionieren, daß es ihnen vor allem darum gehe, eine möglichst hohe Auflage zu erzielen und damit die Themenauswahl beeinflußt werde. Ich konnte aber auch berichten, daß es positive Ausnahmen gebe - Neues Deutschland, junge Welt z.B. - und daß aber auch die "bürgerliche" Presse gelegentlich über den Fall der Fünf berichtet habe - Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel, Die Tageszeitung (taz) z.B., aber auch mein Sauerland Kurier. Die an sich sehr spektakuläre "Zugspitzaktion" habe bedauerlicherweise kaum ein öffentliches Echo gefunden. Leider habe ich versäumt, in diesem Zusammenhang mein Befremden darüber auszudrücken, daß ausgerechnet Granma, das offizielle Organ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas und die am weitesten in Kuba verbreitete Tageszeitung, kein Wort über das Verfahren vor der Internationalen Untersuchungskommission verloren hatte; indirekt wurde es lediglich in dem Zusammenhang erwähnt, daß René González kein Visum zur Teilnahme als Zeuge in diesem Verfahren erhalten hatte. Einig waren wir darin, daß die 3. Jornada "5 Tage für die 5" ein besonders wichtiges Ereignis sein werde, das jede Art von Unterstützung verdiene und hoffentlich endlich auch im Weißen Haus wahrgenommen werde. Allseits begrüßt wurde, daß Deutschland durch eine Abgeordnete des Deutschen Bundestages, nämlich Frau Azize Tank, und den Anwalt Eberhard Schultz vertreten sein werde. Um das Thema der Finanzierung der Jornada habe ich mich herumdrücken können. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang doch auch erwähnen, daß Graciela Ramírez in höchstem Maße darüber enttäuscht war, daß ausgerechnet die weltweit als besonders wohlhabend bekannten Deutschen nichts beitragen könnten. Für sehr wichtig hielt Fernando auch, daß deutschsprachige Literatur zum Fall der Fünf vorliege. Ich konnte ihm hierzu sagen, daß es schon seit vielen Jahren eine Broschüre mit der deutschen Übersetzung der Schlußworte der Fünf vor dem Bundesgericht in Miami-Dade und auch die wertvolle Arbeit von Josie Michel-Brüning, Dirk Brüning, Heinz Langer und Klaus Eigner gebe. Fernando sprach sich des weiteren auch mit großem Nachdruck dafür aus zu versuchen, das Buch von Fernando Morais "Die letzten Soldaten des Kalten Krieges" in deutscher Übersetzung auch bei uns zu verbreiten. Ich habe ihm zugesagt, ich werde mich darum kümmern. Wir verabschiedeten uns mit dem gegenseitigen Versprechen, den Kontakt aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit auch noch auszubauen, dies vor allem auch im Hinblick darauf, daß jetzt alle Kräfte gebündelt werden müssen, um die baldige Freilassung auch von Gerardo, Antonio und Ramón zu erreichen. Ich hoffe, Fernando bleibt so, wie ich ihn jetzt persönlich kennengelerent habe: sehr sympathisch, sehr aufgeschlossen, sehr freundschaftlich und alles in allem ausgesprochen liebenswürdig. Fernando betonte auch noch, wie wichtig die ihm und seinen Mitstreitern erwiesene Solidarität von Seiten so vieler Freunde auch aus dem Ausland - auch die aus Deutschland - über die ganze Zeit der Gefangenschaft gewesen ist und wie sehr diese es ihnen erleichtert habe, ihre ungerechte Bestrafung zu ertragen. Er bat mich ausdrücklich, allen Freundinnen und Freunden in Deutschland seinen herzlichsten Dank für ihre solidarische Unterstützung zu übermitteln, was ich hiermit sehr gerne tue. An dem Gespräch nahmen vom ICAP Maikel Veloz, Roberto Rodríguez (der hautsächlich in der Europagruppe des ICAP für Italien zuständig ist), die neue Leiterin der Europagruppe Gladys E, Ayllón Oliva sowie die Pressebeauftragte des ICAP Iliana García Giraldino und der Fotograf Orlando Perera teil. Letzterer hat auch - mit meiner kleinen Kamera - die Fotos gemacht, von denen ich einige beifüge*).
--ooOoo-- Mit René González habe ich ein Problem. Im vorigen Jahr war ich ja fünf Wochen in Kuba, davon die allermeiste Zeit in Havanna. Es ist uns in dieser ganzen Zeit nicht ein einziges Mal gelungen, ein Treffen mit ihm zu arrangieren. Ich habe ihn dann auch am 6. Mai nicht gesehen. Am Vorabend sah ich in den kubanischen Fernsehnachrichten, daß er mit seiner Ehefrau Olga Salanueva in Venezuela war, wo er auch in den folgenden Tagen blieb. Ich verstehe, daß es wichtiger ist, den dortigen Präsidenten zu treffen. Ich bitte aber auch, Verständnis dafür zu haben, daß ich enttäuscht war. Ich habe René dann doch noch - fast in letzter Minute - persönlich kennengelernt. Am 22. Mai fand im Naturhistorischen Museum in der Altstadt von Havanna die Eröffnung der Ausstellung von Aquarellen von Antonio statt (Titel: "Nacen entre espinas flores" = "Es entstehen zwischen Dornen Blumen". Es handelt sich um Nationalblumen verschiedener Länder Amerikas). Außerdem wurde der 82. Geburtstag von Antonios Mutter gefeiert. Anwesend waren außer René mit Ehefrau auch Fernando mit seiner Mutter Magaly, ferner Elisabeth Palmeiro, Maruchi, die Schwester von Antonio, sowie dessen älterer Sohn Tony und auch Adriana Pérez. Folgende zwei Punkte sind mir noch wichtig: 1. Ich überweise noch heute 100 EUR auf das Netzwerkkonto mit dem Zusatz "3. Jornada `5 Tage für die 5`" und hoffe, daß noch andere aus der Solidaritätsbewegung meinem Beispiel folgen mögen. Ich möchte darüber hinaus auch noch anregen, daß der Netzwerkvorsitzende Harri Grünberg versucht, bei den Abgeordneten der Linkspartei um Spenden zu werben, so daß wir vielleicht doch noch erreichen können, daß Frau Tank und Eberhard Schultz einen namhaften Betrag mit nach Washington nehmen können. 2. Ich bitte um eine baldige Stellungnahme zu der Frage, ob wir möglich machen können. daß "Die letzten Soldaten des Kalten Krieges" von Morais in deutscher Übersetzung erscheinen.
Günter Belchaus
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