Granma International, 5. März 2008

Sergio Corrieri - Kunst für die Revolution

Der Präsident des kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft und eine der herausragendsten Persönlichkeiten der kubanischen Kultur verstarb am 29. Februar im Alter von 69 Jahren

Von Pedro De La Hoz - Journalist der Tageszeitung Granma -

Wenn es gilt, die menschliche Größe eines Sergio Corrieri Hernández zu ermessen, werden sich viele sicher die Verse von Bertold Brecht, einem seiner Lieblingsdramatiker, in Erinnerung rufen, in denen sich Brecht auf "jene" bezieht, "die ihr Leben lang kämpfen", auf "die, die es ankommt." [Rückübersetzung, Originalzitat leider nicht verfügbar, Anm. d. Ü.] (1)
Als ein Mann, der sich in der Tugend der Bescheidenheit übte, der sich aus innerster Überzeugung dem Geschick seines Landes verpflichtet fühlte, der ein Vorkämpfer für die Werte des Sozialismus und gegenüber der historischen Führung der Revolution zutiefst loyal war, verabsäumte es Corrieri nie, seine Überzeugungen auch in die Tat umzusetzen oder sich völlig in welche Aufgabe auch immer zu stürzen, die ihm aufgetragen worden war und die er einmal übernommen hatte.
In der Schauspielkunst schuf der am 2. März 1938 geborene Habanero Legendäres (er war, als er starb, fast 70). Angezogen von dieser Kunst schrieb er sich am Teatro Universitario (Universitätstheater) ein und debütierte im Alter von 16 Jahren in einem Stück des Brasilianers Joracy Camargo, El nieto de Dios [Der Enkel Gottes].
Er war gemeinsam mit Raquel und Vicente Revuelta einer der Gründer des Teatro Estudio [Studio Theater] und schloss sich bei der ersten Aufführung der legendären Truppe von Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O'Neille diesem Ensemble an.
Während seiner gesamten Theaterkarriere spielte Corrieri die unterschiedlichsten und herausfordernsten Charaktere in Stücken von Miller und Tschechow, Lope de Vega und Albee, Brecht und Schnitzler, Dragun und Majakowski, und als er Regie zu führen begann, zeigte sich bei der Welturaufführung 1964 von Contigo pan y cebolla [altes spanisches Sprichwort: Mit Dir (teile ich) Brot und Zwiebel], der Volkskomödie von Héctor Quintero, sein außergewöhnliches Talent.
Doch Sergio war auch zuvor nicht nur ein Mann des Theaters gewesen. "Die Revolution veränderte unser Leben," sagte er einmal in einem Interview, "und sie eröffnete neue Perspektiven für die kubanische Kultur. Wir begriffen, dass wir Kunst mit und für die Revolution machen mussten, Kunst von hohem Wert, und dass wir sowohl Soldaten als auch Bürger sein mussten."
Dieses Anliegen führte ihn dazu, 1968 gemeinsam mit seiner Mutter Gilda Hernández - eine der zu ihrer Zeit passioniertesten Frauen des Theaters - die "Grupo Teatro Escambray" [Escambray-Theatertruppe] zu gründen, eine beispiellose Erfahrung mitten im Gebirgszug von Zentralkuba. In der Erinnerung an diese Zeit versicherte er: "Wir scherten uns nicht um das Repertoire, denn die Stücke waren im allgemeinen sehr schön. Wir versuchten nicht, die Leute kulturell zu bilden. Wir wollten den Leuten Stoff für ihre eigene Meinungsbildung liefern, damit sie ihre Realität verstehen und daher in der Lage sein könnten, danach zu handeln."
Es war die einmalige Geste von jemandem, der zu der Zeit als einer der vornehmsten Schauspieler des Landes galt und der schon eine glänzende und überzeugende Leistung als Filmstar in dem Film, Memorias del subdesarrollo [Erinnerungen an die Unterentwicklung] zu verzeichnen hatte, in dem kubanischen Klassiker von Tomás Gutiérrez Alea.
Corrieris Arbeit an der Spitze des Teatro Escambray enthüllte in einer Region des dynamischen sozialen und wirtschaftlichen Wandels - wo sich nur wenige Jahre zuvor die Konterrevolution zu etablieren versucht hatte - nicht nur die Ausgereiftheit von Sergios ästhetischem Konzept, sondern auch die Qualitäten eines revolutionären Kaders.
Während er in unvergesslichen Werken Regie führte und mitspielte wie Ramona, El juicio [Der Prozess] und Los novios [Die Brautleute] und beim Kinopublikum bekannt wurde durch seine Darstellung des Helden Alberto Delgado in Manolo Pérez' El hombre de Maisinicú [Der Mann von Maisinicú], und die Kubaner von einem Ende der Insel bis zum anderen mit seiner hervorragenden Darstellung von Fernando/David in der Fernsehserie En silencio ha tenido que ser [Ich musste still sein] beeindruckte und bewegte, betätigte Corrieri sich als Leiter seines Kollektivs im Escambray und unter den Einwohnern der Region auch politisch. So wurde er Delegierter auf dem Ersten Partei-Kongress, seit 1980 Mitglied des Zentralkomitees und in der ersten Legislaturperiode gewählter Abgeordneter der Nationalversammlung, was er in den folgenden Legislaturperioden durch den Willen des Volkes blieb. In der fünften Legislaturperiode wurde er zum Mitglied des Staatsrates gewählt.
Vom Escambray ging er gemeinsam mit seinen Schauspielern nach Angola - mitten während der Offensive der pro-imperialistischen Streitkräfte - um dort vor den kubanischen Internationalisten aufzutreten. Und direkt nach dem Sieg der sandinistischen Revolution in Nikaragua ging er aus Solidarität in dieses Land.
1985 bat ihn die Führung des Landes, Vizepräsident des Kubanischen Radio- und Fernsehinstitus (ICRT) zu werden. 1987 wurde er zum Leiter der Abteilung für Kultur des Zentralkomitees der Partei berufen, und seit 1990 arbeitete er als Präsident des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft.
In dieser Position, die er in einer extrem schwierigen Zeit übernahm - mitten im Zusammenbruch der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers und des ideologischen Auseinanderfallens der Linken - engagierte sich Corrieri intensiv als Gesprächspartner zwischen der internationalen Solidaritäts-Bewegung und der Revolution, widmete sich dem Widerstand und setzte sich dafür ein, dass der Begriff von Humanität, wie er in unserer Gesellschaft gilt, weit verbreitet wurde. Seine Bemühungen in den letzten Jahren schlossen ein, die Wahrheit über die Cuban Five bekannt zu machen, jene anti-terroristischen Kämpfer, die ungerecht in den Vereinigten Staaten gefangen gehalten werden, und gegenseitige Solidaritätsaktionen mit wichtigen Gruppen jenes Landes durchzuführen.
Selbst als er von seinem schlechten Gesundheitszustand wusste, stimmte er nach dem Aufruf zum 7. Kongress der Union der Schriftsteller und Künstler Kubas (UNEAC) zu, die Präsidentschaft des Organisationskomitees zu übernehmen, eine Geste, die große Anerkennung unter den Künstlern und der intellektuellen Avantgarde fand, die ihn immer als Vorbild betrachteten.
Corrieri wurde für seine Verdienste mit dem Felix Varela Orden, der Alejo Carpentier Medaille, der Nachbildung der Machete von Generalisimo Máximo Gómez, verliehen vom Minister der Revolutionären Streitkräfte (FAR), und dem Nationalen Theaterpreis 2006 ausgezeichnet.
Nur wenige Tage vor seinem Tod, als er die Eröffnung der Ausstellung von José Omar Torres und Diana Balboa in der Galerie La Acacia genoss, fragte ihn dieser Reporter, ob er die Schauspielerei vermisse. "Eigentlich nicht," antwortete er. "Manchmal werde ich ein bisschen nostalgisch, aber ich kam mir in diesen anderen Beschäftigungen immer nützlich und ausgefüllt vor. Wenn ich noch ein Leben hätte, würde ich nicht zögern, es wieder so zu tun und es immer besser zu machen."

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(1) Dank Heinz W. Hammer und seinem kostenlosen Brecht-Service liegt das Zitat jetzt vor. Es lautet:

Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.
Diese sind unentbehrlich.

Bert Brecht

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