Ein Interview mit René González, einem der Cuban Five

Von Netfa Freeman

"Ich war 20 Jahre alt, als ich freiwillig dorthin ging, um gegen die südafrikanische Apartheid und die Invasion von Angola zu kämpfen."

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Vom 13. bis 16. November 2013 wurde das 9. Internationale Kolloquium für die Freiheit der Fünf und gegen Terrorismus in Holguin, Kuba, am östlichen Rand der Insel, 85 Meilen nordwestlich von Guantanamo, abgehalten. Das Ziel des vom ICAP [Kubanisches Institut für Völkerfreundschaft) organisierten Kolloquiums war, die vereinte internationale Strategie für die Freilassung der Cuban Five, Gerardo Hernández, Ramón Labañino, Fernando González, Antonio Guerrero und René González zu stärken, die Männer, die in den vergangenen fünfzehn Jahren im Wesentlichen wegen des Kampfes gegen den in den USA inszenierten Terrorismus inhaftiert wurden. Wegen der mangelnden Reaktion des FBIs darauf, solche Anschläge zu beenden, schickte Kuba die Cuban Five zur Überwachung der diese Gewalttaten ausführenden Organisationen nach Miami. Die Intention war, Informationen an den planenden Schauplätzen über ähnliche Aktionen zu sammeln, um sie zu verhindern, bevor sie ausgeführt wurden.
Einer der Fünf, René González wurde am 7. Oktober 2011, nachdem er seine gesamte Strafe abgeleistet hatte, aus dem Gefängnis entlassen. Am 22. April 2013 kehrte René zur Trauerfeier seines Vaters zurück, und am 11. Mai genehmigte ihm die Richterin Joan Lenard, dort zu bleiben unter der Voraussetzung, dass er seine US-Bürgerschaft widerriefe. Das war keine schwere Entscheidung für ihn.
Bald soll auch Fernando im kommenden Februar entlassen werden. Wenn auch Millionen dies sehnlichst erwarten, so ist das nicht gerecht. Gerecht wäre es, wenn alle Fünf zunächst nie ins Gefängnis gekommen wären. Die übrigen Brüder - Gerardo Hernández, Ramón Labañino und Antonio Guerrero - haben noch viel längere Strafen vor sich und sollten bedingungslos freigelassen werden. Dafür müssen wir noch arbeiten.
Während meines Kuba-Besuchs hatte ich die Ehre und das Privileg, René interviewen zu dürfen.

Netfa Freeman: Ich möchte Dir nur einige Fragen stellen, Bruder, um unseren Zuhörern zu helfen, die Dinge besser zu verstehen und sie durch diese Information hoffentlich zu ermutigen.
Ich lese gerade Stephen Kimbers Buch. Was ich zunächst verstehe, ist, dass Du in den USA geboren wurdest. Deine Familie, Deine Eltern, zogen vor der Revolution in die USA und dann kam es dazu, dass sie danach zurück zogen. Daher lautet meine erste Frage tatsächlich, welche Kenntnis und Information Deine Eltern Dir gewährt oder mitgeteilt haben mögen, die Dir Dein politisches Bewusstsein und Deine Verpflichtung der Kubanischen Revolution gegenüber gegeben haben? Und insbesondere, ob Du vermitteln könntest, wie Dich das beeinflusst hat, in Angola zu kämpfen. Du warst einer derjenigen, die in Angola gegen die südafrikanische Apartheid gedient haben, um Angola dabei zu helfen, seine Unabhängigkeit zu gewinnen.

René González: Ich möchte damit beginnen, jedem zu raten, Kimbers Buch zu lesen. Meiner Meinung nach ist es das Beste, was über den Fall geschrieben wurde. Er hat großartig recherchiert. Er schrieb ein Buch, das an die Fakten gebunden ist, an die wichtigsten Elemente. Daher ist es eine gute Möglichkeit, sich mit dem Fall vertraut zu machen, der auf der anderen Seite sehr komplex ist. Da Du mich auf meine Eltern ansprichst: Sie gehören zur kubanischen Arbeiterklasse, die jeweils auf verschiedenen Wegen in den 50ern in den Staaten landeten. Sie trafen sich dort, und ich wurde 1956 geboren. Dann kam 1959 die Kubanische Revolution. Seit Beginn der Revolution empfanden sie Sympathie für die Ziele und Absichten des revolutionären Prozesses. So beschlossen sie, 1961 nach Hause zu kommen.

"Ich erinnere mich an die Konterrevolutionäre, die in die Berge gingen und daran, wie die USA, die CIA hingingen und dort Waffen für sie abwarfen."

Es war eine interessante Zeit, um in Kuba zu sein. Es war eine Zeit des Kampfes. Die Insel stand schon unter Blockade, und es gab eine Menge von dem Terrorismus, der Kuba auferlegt worden war. Damals war ich 5 Jahre alt, aber meine ersten Erinnerungen sind mit der Gewalt verknüpft, die uns auf den Plätzen Bombardierungen und Beschüssen aussetzten. Ich erinnere mich an die Konterrevolutionäre, die in die Berge gingen und daran, wie die USA, die CIA hingingen und dort Waffen für sie abwarfen. So wurde ich in diese Umgebung geboren - eine Umgebung die dich, politisch gesprochen, wachsen lässt. Und natürlich fanden die Prinzipien und Werte meiner Eltern zusammen mit dem aus dieser Umgebung ihre Resonanz. Daher glaube ich, dass ich zu einer Generation gehöre, die das Privileg hatte, unter der Revolution geboren worden zu sein, die es einem erlaubte zu wachsen, zu denken, und das bewirkt am Ende, dass Du für etwas einstehst.
Diese Kombination ist der Grund dafür, dass es für mich natürlich war, nach Afrika zu gehen. Ich meine, das damalige kubanische Volk, wir hatten das Gefühl, etwas für die Welt tun zu müssen. Damals war es Afrika, es war die ganze Sache mit dem Kolonialismus. Jeder weiß, dass die US-Regierung, trotz ihrer Rhetorik von Demokratie, dass sie den Kolonialismus unterstützten, sie unterstützten Südafrika. Wir können nicht vergessen, dass sie Mandela quasi bis gestern noch auf der Terroristenliste führten. Jetzt auf einmal, liebt dort jeder Mandela plötzlich, aber wir können die Geschichte nicht vergessen. Also, ich war 20 Jahre alt, als ich freiwillig dorthin ging, um gegen die südafrikanische Apartheid und die Invasion Angolas zu kämpfen. Wie ich schon sagte, es gehörte dazu, so, wie wir damals waren, weißt Du. Und ich glaube, die selben Gefühle trieben mich dazu, diese Mission in den USA anzunehmen. Ich war damit aufgewachsen, wie ich Dir schon sagte, mit anzusehen, wie unser Land bombardiert und beschossen wurde. Daher, als ich gebeten wurde, dorthin zu gehen und diese Gruppen zu unterwandern, zögerte ich nicht. Ich sagte ja.

NF: Das führt mich zu der nächsten Frage, zur allernächsten Frage: Könntest Du beschreiben, wie es war, wie es sich anfühlte, die psychologische Vorbereitung, der Du Dich unterziehen musstest, um Dich als Gusano integrieren zu können?

(René lacht kurz auf)

RG: Ich sage immer, dass das für mich Schlimmste hier in Kuba war. Denn es ist nicht so schwer, einige Leute zu täuschen. Gewöhnlich weiß man, dass, wenn jemand voller Hass ist, man ihm nur zu sagen braucht, was er hören will. Daher ist es nicht so schwierig, wie Du sagst, als Gusano. Denn alles, was sie wollen, ist, schlimme Sachen über Kuba zu hören. Wenn Du also sagst, die Kubaner sterben auf der Straße, weil sie nichts zu essen haben, dass die Polizei sie an jeder Ecke umbringt, dann ist es das. Sie werden Dir applaudieren, und so geht’s. Sie brauchen keine Bestätigung dafür. Es war nicht so schwer, sie zu täuschen. Doch für mich bestand der schwerste Teil darin, meine Genossen hier zu täuschen. Jemand zu werden, der ich nicht war - vor meiner Familie, meinen Freunden, vor meinen Arbeitskollegen, das war wirklich schwer. Das sage ich Dir. Daher glaube ich, dass mir dieser Prozess half, als ich in Miami ankam und mich dann diesen Leuten anschließen musste. Grundsätzlich spreche ich nicht von jedem. Es gab eine Menge von Kubanern dort (Miami), die keine Abneigung gegenüber Kuba hatten. Sie leben eben einfach nur da. Aber die meisten dieser Gruppen, insbesondere diejenigen, die sie anführen, sind voller Hass und Ressentiments. Sie fühlen sich gegenüber ganz Kuba ermächtigt, so, wie sie es waren, als es ihnen vor der Revolution gehörte. Und es ist leicht, sie zu täuschen. Man muss ihnen erzählen, was sie hören wollen, und schon empfangen sie einen mit offenen Armen. Daher war es nicht so schwer.

NF: Ich habe Kimbers Buch noch nicht zu Ende gelesen, aber da gab es einiges über Dich und Deine Frau Olga und Deine Briefe. Also, wie fühlte es sich an, schließlich in der Lage zu sein, Deine Frau die Wahrheit über Deine Mission wissen zu lassen? Und es wäre großartig, von ihren Gefühlen zu erfahren und wie sie sich dabei fühlte herauszufinden, dass Du kein Verräter bist.

RG: Es geht hier um eine komplizierte Aufgabe. Gewöhnlich hat sie Regeln, die jeder befolgen muss, und ein davon Betroffener darf niemandem davon erzählen, was er tut. Und es ist schwer, wie ich schon sagte - es ist schwer, vor Deiner Mutter, Deinem Vater, Deiner Ehefrau zu jemand anderem zu werden. Ich habe meiner Frau immer vertraut. Seit Beginn meiner Aufgabe, habe ich den Männern, die mich dem unterwarfen, folgendes gesagt: "Ihr wisst, dass ihr ihr trauen könnt, ich werde es ihr nicht sagen, aber ich kenne sie, ihr könnt ihr vertrauen." Aber Regeln sind Regeln, und dann ging ich, und sie wusste noch nichts. Aber ich glaube, sie übertraf meine Erwartungen, sie versuchte, es selbst herauszufinden. Es war eine irgendwie komische Geschichte, denn sie begann, Enden mit einander zu verknüpfen, lose Enden hier und da, und schließlich ging sie zu jemandem und forderte: "Sag mir die Wahrheit, denn ich weiß, dass mein Ehemann kein Verräter ist." Also, es war eine komische Geschichte. Aber ich bin natürlich froh, dass sie in der Lage waren, ihr zu vertrauen, und sie lernte natürlich dazu. Und in die selbe Reihe gehört bei meiner Verhaftung eine Sache, nämlich die, dass ich auch Erleichterung darüber empfand, wieder ich selbst sein zu dürfen. Es ist unglaublich, aber sobald ich verhaftet worden war, würde ich sagen, dass dies eine Art Entschädigung war. Dass ich in dem Moment wusste, dass jeder, den ich in Kuba kannte, jetzt wüsste, wer ich wirklich bin. Daher gab es inmitten der ganzen Angelegenheit einen kleinen Trost für mich.

NF: Also, hat Deine Ehefrau es, bevor sie zu Dir kam, herausgefunden oder danach?

RG: Sie hatte es hier in Kuba herausgefunden. Wenn eine Frau etwas wissen will ..., sie hatte begonnen, zwei und zwei zusammenzuzählen. Am Ende konnte sie einige Leute ausfindig machen, und sie ging hin und konfrontierte sie damit und sagte: "Was wissen Sie? Sie können mich nicht mehr täuschen." Dann mussten sie, nachdem, was geschehen war, sie mussten sie zu sich rufen und ihr wohl was sagen? Er tut gerade das und das.

"Kuba gab dem FBI konkrete Information über den Terrorismus gegen Kuba in der Hoffnung, dass die USA diese Spuren verfolgen würden und die beiden Länder zusammen arbeiten könnten."

NF: Es gibt seinige Leute, die politisch progressiver sind und Informationen verfolgen, und sie verfolgen den Fall der Fünf. Sie wissen, dass Deine und die Verhaftung der anderen das Ergebnis der kubanischen Informationsübermittlung an das FBI war und ein Versuch, ihm eine günstige Gelegenheit zu Bereinigung zweifelhafter Umstände zu geben. Einige Leute sagen, das sie dächten, es sei naiv von der kubanischen Regierung gewesen, dem FBI zuzutrauen, das Richtige zu tun. Was denkst Du darüber?

RG: Also, gut, da gibt es zwei Sachen, die nicht miteinander vermischt werden dürfen. Die kubanische Regierung übergab dem FBI keine Information, die zu uns geführt hätte. Tatsächlich zeigten dann aber die Hinweise, dass das FBI uns schon im Visier hatte, kurz bevor Kuba es kontaktierte. Kuba übergab dem FBI konkrete Information über den Terrorismus gegen Kuba in der Hoffnung, dass die USA diese Spuren verfolgen und die beiden Länder zusammen arbeiten würden. Also, was tatsächlich geschah: Beide Regierungen näherten sich einander an, sodass es eine Art Annäherung zwischen der Clinton-Administration und Kuba gab, die zu einer Zusammenarbeit gegen den Terrorismus hätte führen können. Dies wiederum rief den politischen Beschluss bei einigen Leuten hervor, uns mit Strafe zu verfolgen, um dieser möglichen Kooperation ein Ende zu bereiten. Daher sind es zwei verschiedene Sachen.
Das ist ein Teil der Dynamik in den Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten. Immer wenn sich die beiden Regierungen annähern können, wenn es Potential für eine Annäherung der zwei Regierungen gibt, gibt es einen Sektor im politischen Establishment der USA, besonders in Miami, der etwas unternimmt, um es zu verhindern. Und das ist genau das, was auch hier geschah. Kuba schickte einen Friedensnobelpreisträger [es war der Literaturnobelpreisträger Gabriel García Marquez, Anm. d. Ü.] in einer persönlichen Mission dorthin. Fidel persönlich schickte ihn zu einem Gespräch mit Clinton. Er öffnete die Tür für eine Zusammenarbeit gegen den Terrorismus. Dann schickte das FBI im Mai oder Juni 1998 eine Delegation nach Kuba. Sie trafen sich hier. Man gab ihnen eine Menge Beweismaterial - Namen, Telefonnummern, Aufzeichnungen, einen Haufen Zeug. Der Kerl vom FBI sagte, sie würden etwas unternehmen, und plötzlich wurde der Spieß umgedreht, und das FBI verhaftete uns und beendete diese Zusammenarbeit. Man kann einige Leute benennen. Ich meine, der Chef vom FBI in Miami war damals ein Typ aus Puerto Rico, der Verbindungen zu diesen Terroristen unterhielt. Er war ein Freund all’ dieser Terroristen. Er selbst hat gesagt, er habe Druck auf Reno [die damalige US-Justizministerin Janet Reno, Anm. d. Ü.] ausgeübt, um uns anklagen zu können. Natürlich wissen wir, dass die Kongressabgeordneten dort, die kubanisch-amerikanischen Abgeordneten dort, eine politische Linie der Konfrontation mit Kuba verfolgen. Also gibt es ein Einverständnis verschiedener Kräfte. Ich würde sagen, das könnte es sein, obwohl ich Clinton nicht direkt als denjenigen beschuldigen will, der es persönlich tat, vielleicht waren sie zu schwach gegenüber diesen Leuten. Man weiß, wie die Politik machen. Also, am Ende ließen sie sich von den Leuten leiten, die auf Konfrontation aus sind. Und das Ergebnis war unsere Verhaftung und das Verfahren.

NF: Ich mache eine Menge Arbeit mit inhaftierten Menschen. Einige politische Gefangene und andere, die gerade inhaftiert wurden. Ich habe begriffen, dass manchmal eine längere Zeit im Gefängnis den Leuten eine Menge Gelegenheit gibt, zu lesen und nachzudenken und einige Dinge zu tun. Einige der tiefgründigsten Menschen, die ich kenne. Welche moralischen und philosophischen Erkenntnisse haben 13 Jahre US-Gefängnis dir gebracht?

RG: Ich weiß nicht, ob es Erkenntnis ist, ob das Wort trifft. Ich glaube, dass meine moralischen Prinzipien bereits geformt waren, als ich verhaftet wurde. Ich war kein Kind. Ich war 42 Jahre alt. Aber natürlich hat die ganze Erfahrung dazu geführt, dass ich noch überzeugter von meinen Werten war, weil ich immer geglaubt habe, dass die kubanische Gesellschaft ein Beispiel für eine bessere Welt ist. Ich habe immer den Individualismus, die Scheinheiligkeit des Kapitalismus abgelehnt. Aber wenn man durch so etwas geht und von Angesicht zu Angesicht sieht, wie tief jemand sinken kann, der eine Regierung repräsentiert, wird man noch überzeugter davon, dass man so eine Regierung nicht im eigenen Land haben will. Und diese ganze Erfahrung machte mich noch überzeugter.

"Der Chef vom FBI in Miami war damals ein Typ aus Puerto Rico, der Verbindungen zu diesen Terroristen unterhielt."

Ich war nie blauäugig gegenüber der US-Regierung, aber ich habe Staatsanwälte gesehen, die sich so benahmen, dass ich es kaum glauben konnte. Sie benahmen sich wie Hunde, wie Kriminelle. Sie hatten keinen Respekt vor dem gesamten Gesetzessystem. Die Richter taten dasselbe, und ich konnte es nicht glauben. Und wenn man solche Leute sieht, Leute, die eine Gesellschaft repräsentieren, begreift man, wie krank diese Gesellschaft geworden ist. Und das war - für mich war das eine Lektion. Und ich wollte nicht, dass es so ist, um die Wahrheit zu sagen. Als ich verhaftet wurde, hegte ich keinerlei Feindseligkeit gegenüber den Staatsanwälten. Ich glaube, jedes Land muss Staatsanwälte haben, Leute, die die Gesetze durchsetzen. Aber dann benahmen sie sich wie Hunde, und ich konnte es kaum glauben. Natürlich hat das mit dem Wesen des Falles zu tun. Weil sie an uns diese Rache verüben wollten, mussten sie uns solcher abscheulicher und surrealer Verbrechen anklagen, dass man es nicht ohne sich wie ein Krimineller zu benehmen schaffen kann. Aber sie taten es. Und es war für sie eine politische Entscheidung. Das machte mich noch überzeugter von meinem Land, von meiner Gesellschaft, und davon, eine Alternative zu dem aufzubauen, was sie uns anbieten.

NF: Kannst du etwas über deine Beziehungen und Erfahrungen mit anderen Insassen im Gefängnis sagen? Hattest du Freundschaften? Wie angesehen warst du im Gefängnis? Weil ich weiß, dass häufig im Gefängnis Leute in ähnlichen Umständen wie du, eine Menge Respekt gewinnen können. Ich weiß nicht, ob du darüber etwas sagen kannst.

RG: Ja, sie haben uns sehr respektiert. Ich habe im Gefängnis eine Menge Leute getroffen, die besser waren als die Staatsanwälte. Das kann ich dir erzählen. Sie waren bessere Menschen. Es gibt eine Menge Faktoren, die da zusammenkommen. Das föderale [juristische] System der USA ist ein Witz. 95% der Leute bekennen sich schuldig oder so, weil das System so aufgetakelt ist, dass man weiß, wenn man vor Gericht geht, muss man den zwei- oder dreifachen Preis für das begangene Verbrechen bezahlen. Also entscheiden sich die meisten Leute dafür, sich schuldig zu bekennen und dann zu kooperieren. Und man kann sehen, dass diejenigen, die vor Gericht gehen, eine Menge Respekt genießen, weil man als jemand angesehen wird, dem man trauen kann, der niemanden betrügen würde. Und das verleiht dir einen hohen Status unter den Gefangenen.
Und dann kommt natürlich die politische Komponente der ganzen Sache. Du weißt, dass sie Kubaner mit gehöriger Neugier betrachten. Weil sie von Kuba Dinge gehört haben, ich meine von dieser "90 Meilen entfernten Hölle", und sie wollen mehr wissen. Und dann treten sie an dich heran, und wenn du eine persönliche Beziehung aufbaust begreifen sie Stück für Stück, dass sie über Kuba getäuscht wurden. Das heißt nicht, dass ich sie zu Kommunisten oder etwas ähnlichem machen will. Aber sie begreifen, dass da unten irgendetwas anderes passieren muss. Und das verschafft dir auch etwas mehr Respekt von den Gefangenen.
Und natürlich, wenn man Menschen gut behandelt, werden sie einen auch gut behandeln. Das hilft eine Menge. Und eine Sache, die uns sehr geholfen hat, war die Unterstützung aus dem Ausland. Ich meine die Berge von Briefen, die Zeitungen, die progressiven Zeitungen, die wir erhielten, mit Artikeln über die Fünf. Und dann lasen sie die Artikel und begriffen, dass wir für eine Sache kämpfen. Also, die Kombination dieser Dinge erbrachte uns eine Menge Respekt von den Gefängnisinsassen und sogar dem Personal. Viele vom Personal traten an uns heran, einige Wächter, einige davon kamen zu mir und boten Unterstützung an. "Ich hoffe, Sie kommen hier heraus, Sie sollten nicht hier sein." Weil sie zu begreifen beginnen, dass man kein Krimineller ist, weißt du. Also, in dieser Beziehung haben wir überhaupt keine Probleme. Wenn man die Leute anständig behandelt, erwidern sie diese Behandlung. Je vertrauter sie mit dem Fall wurden, mit den Tatsachen. Dann gibt es noch die Sache mit den afroamerikanischen Insassen, die auch von Angola hörten. Sie sehen dich an, weißt du: "Mann, he, Bruder du bist nach Angola gegangen." Es gibt eine Menge verschiedener Dinge, die sich zusammenfügen, und am Ende genossen wir eine Menge Respekt bei den Insassen.

"Ich traf eine Menge Leute im Gefängnis, die besser waren als die Staatsanwälte."

NF: Jetzt diese letzte Frage bezieht sich darauf, aber sie mag überflüssig sein, also ich werde sehen. Ich vermute du weißt von politischen Gefangenen, politischen Gefangenen in den USA wie Mumia Abu Jamal und Sundiata Acoli und verschiedenen politischen Gefangenen, die aus ähnlichen Gründen im Gefängnis sind - Leute die für die Freiheit kämpfen, aber für Leute innerhalb der Vereinigten Staaten. Hat deine Beziehung..., warst du in der Lage, eine Beziehung mit irgendeinem politischen Gefangenen, vielleicht durch Briefe, zu entwickeln? Und wie ist deine Perspektive davon beeinflusst worden? Und könntest du auch etwas über das Verhältnis zwischen dem Fall der Cuban Five zu der Bewegung rund um politische Gefangene wie Leonard Peltier und andere sagen.

RG: Uns war nicht erlaubt, irgendwelchen anderen Gefangenen zu schreiben. Also hatten wir auch keinen direkten Kontakt mit politischen Gefangenen, aber wir lasen natürlich gegenseitig die Erklärungen und Schriften. Mumia ist ein sehr tiefgründiger Kerl, er ist unglaublich, sehr intelligent. Das ist ein Kerl, der schon sehr gescheit war, bevor er ins Gefängnis kam, aber jetzt ist er noch gescheiter. Wir erfuhren natürlich von Peltier. Wir waren in Kontakt mit dem puertoricanischen Fall durch Freunde der Puertoricaner. Also wir wissen voneinander, wir unterstützten uns gegenseitig, wenn wir eine öffentliche Erklärung für einen von ihnen abgeben können.
Aber ich glaube, das Problem mit den politischen Gefangenen in den USA ist das Spiegelbild eines größeren Problems, nämlich dem gesamten Justizsystem, das ein System auf der Grundlage der Einschüchterung ist, indem der Angeklagte gezwungen wird, auf seine eigenen Rechte zu verzichten, nämlich vor Gericht zu gehen, um eine faires Verfahren zu bekommen. Und natürlich, wenn man politischer Gefangener in den USA ist, hat man die Würde, die dich hindert das zu tun [zu verzichten]. Und dann verfolgen sie einen mit Rache, mit Hass, der natürlich auch noch durch die politischen Differenzen zwischen dem Staatsanwalt und dem politischen Gefangenen verstärkt wird. Also, meiner Meinung nach, ist das Teil eines größeren Problems, aus dem hoffentlich die amerikanische Gesellschaft erwacht. Weil es ein wirkliches Problem ist. Es ist eine Industrie. Es ist ein unzivilisiertes System. Die Richter sind dumme Hunde. Das sind sie, die meisten jedenfalls. Sie haben überhaupt keine Ahnung von Gerechtigkeit. Und wenn ein politischer Kerl als Angeklagter endet, fällt auf ihn der gesamte Hass eines Systems, das in sich selbst ungerecht ist. Dieser Hass verstärkt sich, wegen der Ansichten des Angeklagten, und ist kriminell. Also, meiner Meinung nach, sollten sich alle, die politische Gefangene unterstützen, dort zusammenschließen. Vergiss nicht, dass wir gegen etwas größeres kämpfen. Es ist das gesamte juristische System, das eine Industrie ist, die beendet werden sollte.

NF: Danke, ich habe keine weiteren Fragen. Irgendwelche abschließenden Worte? Irgendetwas, von dem du möchtest, dass die Zuhörer es hören, insbesondere wenn du zu der Gemeinde von Washington DC sprichst?

RG: Gut, wir werden im Juni (2014) in Washington eine Veranstaltung zu den Fünfen haben. Ich glaube, es ist eine sehr wichtige Veranstaltung. Und ich glaube, sie sollte rechtzeitig vorbereitet werden, damit sie einen Nachhall in der ganzen Stadt hat. Wir wollen, dass nicht nur Amerikaner kommen, sondern Menschen aus aller Welt. Ich ermuntere jeden der Lust hat, daran teilzunehmen, hinzugehen. Aber ich möchte noch mehr sagen. Ich glaube sie sollte nicht nur über die Fünf sein. Ich glaube, dass jeder, der einen politischen Gefangenen unterstützt, sich dort artikulieren sollte. Ich glaube, wir müssen dafür gemeinsam kämpfen.

NF: Vielen Dank Bruder. Danke für deine Arbeit für die Menschheit. Vielen Dank.

Netfar Freeman ist Veranstaltungs-Koordinatorin beim Institut für Politische Studien, Organisatorin für das Internationale Komitee für die Freiheit der Cuban 5 und Koproduzentin/Komoderatorin für "Voices With Vision" [Stimmen mit Visionen] auf WPFM 89.3 FM in Washington DC. Erreichen kann man Netfa per E-Mail unter netfa@ips-dc.org.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: antiterroristas.cu)

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