|
Lompoc, Kalifornien ist weit weg von Havanna
(Von Alicia Jrapko und Bill Hackwell)
Wie viele Gefängnisse in Kalifornien befindet sich das Bundeszuchthaus
von Lompoc in einer isolierten, weit von Stadtzentren entfernten Gegend.
Es liegt auf landwirtschaftlicher Nutzfläche, auf der einst Getreide
und Blumen wuchsen und Vieh weidete. Das Stadtbild Lompocs wird heute
von Fast-Food-Ketten und Hotels geprägt.
Die meisten Familienmitglieder, die Gefangene in Lompoc besuchen, reisen
über große Entfernungen und übernachten hier in der Stadt.
Der Besuch ist ein Opfer für sie, denn die Mehrheit von ihnen ist
arm. Außerdem kennt man Lompoc wegen der Vandenburg Air Force Base,
einem ausgedehnten Militärgebiet, auf dem die USA heimlich Interkontinentalraketen
stationiert haben, um den Abschuß von Zielen über dem Pazifik
zu üben.
Das Gefängnis von Lompoc ist nicht einfach nur ein Gefängnis,
sondern ein Komplex von Bundeseinrichtungen, die vom leichten Strafvollzug
bis hin zu einem Hochsicherheitsgefängnis reichen. Im letzteren ist
Gerardo Hernández eingesperrt. Es ist ein schwer zu findender Platz
am Ende einer Sackgasse.
Auf dem Weg zum Gefängnis fragten wir uns, wie es möglich sei,
daß fünf Menschen, die dafür kämpften, ihr Heimatland
Kuba vor Terrorangriffen zu schützen, jetzt hinter diesen Gefängnismauern
schmachten.
Als wir das Haupttor erreichten, wurden wir von einem Wachmann angehalten,
der anonym von einem Turm durch ein Mikrofon zu uns sprach. Auf großen
Warnschildern wurden alle Dinge aufgeführt, die wir nicht mit in
das Bundesgefängnis nehmen durften. Der Wachmann fragte uns, weshalb
wir gekommen seien und was in unserem Auto sei. Nachdem wir parken durften,
gingen wir in einen Wartesaal, wo Beamte überprüften, ob unsere
Hintergrundsüberprüfung ordnungsgemäß abgelaufen
war. Danach wurden wir aufgefordert ein persönliches Formular auszufüllen
und uns einem Durchleuchtungs- und Sicherheitsprozeß zu unterziehen,
was einen Stempel mit unsichtbarer Farbe auf die Hand einschloß.
Bevor wir eintreten durften, mußten wir alles, auch Papier und Stifte
in ein Schließfach geben. Das einzige, was Menschen, die einen Gefangenen
in Lompoc besuchen, mitnehmen dürfen sind Münzrollen, um etwas
zu Essen aus Automaten zu ziehen, und der Wunsch, ihre Lieben zu sehen.
Als wir in kleinen Gruppen zwischen Stahltoren, die mit Rollen aus Stacheldraht
umgeben waren, warteten, konnte niemand vergessen, wo er sich befand.
Das hohle Geräusch, das die schleifende Tür erzeugte, als sie,
nachdem wir eintreten durften, hinter uns zufiel verstärkte diese
Gedanken.
Wir betraten einen großen Raum, in dem kleine Tische aufgereiht
waren, auf der einen Seite die Familienangehörigen auf der anderen
die Gefangenen. Es ist eindeutig, wer wer ist, da die Gefangenen alle
Khakiuniformen tragen. Die große Mehrheit der Leute in dem Raum
waren Schwarze oder Latinos.
Unterhalb der Tische befinden sich Bretter, die jede Berührung verhindern.
Der persönliche Kontakt ist in Lompoc eine Grauzone, laut Gefängnisordnung
verboten, deren Einhaltung wird aber von den Wachleuten im Raum bestimmt.
Uns wurde ein Tisch zugewiesen und wir warteten auf Gerardos Erscheinen.
Es dauerte nicht allzu lange, bis sich die Tür öffnete und Gerardo
uns fast umrannte. Trotz dieser bedrückenden Umgebung begrüßte
uns Gerardo mit einer Umarmung, als ob wir sein Haus betreten hätten.
Genau in diesem Moment begriffen wir, wieso das kubanische Volk ihn für
einen Helden hält.
Während der folgenden fünfstündigen Unterhaltung mit Gerardo,
konnten wir nicht umhin, daran zu denken, daß er ein Sohn der Kubanischen
Revolution war, der Hombre Nuevo, das Beispiel von Che, ein bescheidener,
aufrichtiger, großzügiger und würdiger Mensch, der glaubt,
daß eine sicherere und bessere Welt möglich ist. Dieser Mann,
der zu zweimal Lebenslänglich plus 80 Monaten verurteilt ist, bleibt
wer er ist.
Während unserer Unterhaltung, die von unseren Kindheiten, unseren
Familien bis hin zur derzeitigen internationalen Politik, eines möglichen
Krieges und der Arbeit des National Committee to Free the Five reichte,
verging die Zeit wie im Fluge. Noch einmal drückte Gerardo allen
Komitees der Welt, die im Kampf für ihre Befreiung helfen, seine
Dankbarkeit aus und auch den Menschen, die ihm und den anderen jeden Tag
körbeweise Briefe schicken.
Um 15:00 Uhr müssen alle Besucher den Raum verlassen und die Gefangenen
werden in ihre Zellen geschickt. Die Lieben wurden umarmt als wir alle
Auf Wiedersehen sagten. Es war, als ob die Zeit für eine Minute stehen
blieb, als sich jeder bemühte, sich den Gesichtsausdruck des anderen
einzuprägen, um ihn bis zum nächsten Besuch mitzunehmen. Gerardo
hat es nicht einmal geschafft, diesen kleinen Augenblick menschlichen
Kontaktes mit seiner Frau zu erreichen. Nachdem man Adriana ein Visum
ausgestellt hatte, um Gerardo im August zu besuchen, hielt die US-Regierung
sie in einem grausamen und sadistischen Manöver in Houston fest,
verhörte sie stundenlang und verwies sie dann des Landes.
Doch kurz bevor sich die Tür schloß, erinnerten wir uns an
Gerardos Stärke und Entschlossenheit als er uns anlächelte und
beide Fäuste ballte. Wir gingen mit dem Gefühl, daß Gerardo
genau wie René, Ramón, Fernando und Antonio politische Gefangene
sind, die nicht hinter Gitter gehören, und daß es wichtiger
denn je ist, unsere Arbeit fortzusetzen, sodaß sie eines Tages heraus
kommen und in ihre Heimat gehen können.
Alicia Jrapko und Bill Hackwell sind Mitglied des National Committee
to Free the Five in San Franzisko, Kalifornien.
|
|