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GRANMA
Mittwoch, 11. Dezember 2002
ANWÄLTE FORDERN EIN NEUES VERFAHREN FÜR DIE FÜNF
Beweise für Fehler des Gerichts von Miami vorgelegt
• Auf einer Juristenkonferenz in Havanna enthüllt Paul McKenna,
der Anwalt von Gerardo Hernández, die wesentlichen Elemente des
Prozesses
JEAN-GUY ALLARD - für Granma Internacional
AUF einer Juristenkonferenz in Havanna stellte sich Paul McKenna, der
Anwalt von Gerardo Hernández, mit den Worten vor: "Ich bin
stolz Nordamerikaner zu sein", und "es war eine Ehre meinen
Klienten zu vertreten".
"Vielleicht wird das, was ich sagen werde, die Nordamerikaner überraschen.
Ich glaube, daß diese fünf Männer gute Männer sind.
Sie sind Patrioten. In den Vereinigten Staaten müssen wir ihren Mut
und ihre Entschlossenheit anerkennen", sagte er.
Um die Ehrlichkeit seiner Gefühle zu unterstreichen, ergänzte
er: "Ich habe keine offizielle Beziehung zur kubanischen Regierung.
Ich wurde von einem Gericht in Florida als Verteidiger benannt und werde
vom Obersten Gericht, in Washington bezahlt".
Der Anwalt erklärte, daß neu aufgetauchte Beweise über
Fehler der Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen die Fünf, die Verstöße
gegen ihr Recht auf einen unparteiischen Prozeß belegen, dem Antrag
auf ein neues Verfahren zugrunde liegen, der vor Wochen dem Gericht des
Distrikts Florida-Süd durch Leonard Weinglass, dem Anwalt von Antonio
Guerrero, vorgelegt wurde (www.antiterrosistas.cu, www.freethefive.cu).
Der Jurist faßte für die Anwesenden auf der Konferenz über
die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und die Rolle des Internationalen
Rechts, den Fall der Fünf, und insbesondere den seines Klienten,
zusammen, wobei er noch einmal mit großer Klarheit auf die wichtigsten
Elemente des komplizierten Prozesses einzeln einging.
Er führte aus, daß der Hauptauftrag der Fünf war, die
Extremistenkreise von Miami zu unterwandern, "um Informationen über
die Pläne dieser Gruppen zu erhalten, mit dem Ziel, Terrorakte zu
verhindern".
Er stellte auch fest, daß während ihres Aufenthalts in den
USA "drei von ihnen, mein Klient Gerardo Hernández, Ramón
Labañino und Fernando González, eine falsche Identität
angenommen hatten und vorgaben, US-Bürger zu sein, um ihre Arbeit
für die kubanische Regierung auszuführen".
Bei ihrer gefährlichen Arbeit "entdeckte der FBI und seine Abteilung
für Spionageabwehr ihre Aktivitäten, brach mehrmals in ihre
Wohnungen ein und fand dabei Disketten mit geheimdienstlichen Informationen,
die sie über die fanatischen Gruppen gesammelt hatten, und Instruktionen
aus Kuba darüber, was sie zu tun hatten".
"Vor vier Jahre sind sie in den USA aufgrund einer breit angelegten
Anklage, ausländische, nicht gemeldete Agenten zu sein, falsche Pässe
und falsche Ausweise zu besitzen, verhaftet worden. Diese Beschuldigungen
trafen im wesentlichen zu... Niemals versuchten wir zu bestreiten, daß
unsere Klienten ausländische Agenten waren und falsche Dokumente
besaßen. Die Strafen dafür sind niedriger: die Höchststrafe
beträgt fünf Jahre und im allgemeinen werden in derartige Fälle
verwickelte Personen abgeschoben."
MAN ERWEITERTE DIE ANKLAGE UNGERECHTERWEISE UM ZWEI ZUSÄTZLICHE
PUNKTE
Die US-Justiz entschied, den Fall deutlich zu verschlimmern, indem "zwei
sehr ungewöhnliche Anklagen hinzukamen, die diesen Fall völlig
veränderten".
Eine Anklage lautete auf Konspiration zur Spionage. "Nach dem US-Gesetz
ist Spionage der Versuch, Informationen über die nationale Sicherheit
zu sammeln, mit der Absicht, den USA Schaden zuzufügen", erklärte
McKenna. "Diese Informationen müssen also äußerst
geheim sein, das heißt, daß niemand außer den für
die Sicherheit verantwortlichen Personen Zugang zu ihnen haben."
"Keiner von den Fünf hat jemals versucht, Information über
die nationale Sicherheit zu erhalten; niemals wurden sie aufgefordert,
es zu tun und sie taten es niemals. Aber die Regierung (der USA) klagte
sie der Konspiration (zur Spionage) an und legte ihnen hinterhältig
zwei zusätzliche Vergehen zur Last."
"Meinen Klienten, Gerardo Hernández, beschuldigten sie außerdem
der Konspiration zum Mord, eine Anklage im Zusammenhang mit dem Abschuß
zweier Kleinflugzeuge im Jahre 1996, wobei vier Angehörige der Organisation
Hermanos al Rescate ums Leben kamen, die illegale Provokationsflüge
über Kuba unternahmen."
Diese Flüge dienten dazu, Propagandaflugblätter über Havanna
abzuwerfen. Doch einer der Fünf, der die Organisation Hermanos al
Rescate unterwandert hatte und Pilot war, fand heraus, daß diese
Organisation unter Leitung des Terroristen José Basulto, plante,
Waffen auf Kuba abzuwerfen, mit denen Präsident Fidel Castro ermordet
werden sollte und andere Terrorakte begangen werden sollten".
IM TIEFFLUG ÜBER HAVANNA
"Zwei Jahre lang legte Kuba bei der US-Regierung energisch Protest
ein, sandte 15 diplomatische Noten und führte Gespräche mit
dem US-Bundesluftfahrtamt (FAA). Diese Flüge stellten eine große
Gefahr dar."
Paul McKenna wies darauf hin, daß die US-Behörden ein absolutes
Verbot erlassen haben, über ihre eigene Hauptstadt zu fliegen: "Kein
Flugzeug darf über Washington fliegen. Nach dem Start wird es umgehend
über den Nationalfriedhof geleitet und kommt nicht wieder in die
Nähe der Hauptstadt".
Der Jurist erinnerte daran, daß Kuba neben den Provokationsflügen
noch eine "besondere Sorge" in Bezug auf den Chef der Hermanos
al Rescate, José Basulto, hatte, denn "dieser Mann beging
vor Jahren einen Terrorakt in Kuba - was er vor Gericht zugab -, als er
von einem Boot aus mit einer Kanone auf ein Hotel schoß, in dem
Frauen und Kinder waren. Er gab sechzehn Schüsse ab und kehrte nach
Florida zurück. Darum ist er für Kuba ein Terrorist".
Basulto und die anderen Piloten verletzten das Gesetz, "sie flogen
im Tiefflug über den Malecon von Havanna, über Wohngebäude,
die Erdölraffinerie und gefährdeten in höchstem Maße
den Flugverkehr".
"Nach einem solchen Zwischenfall im Juli 1995 informierte Kuba die
US-Regierung, das FAA und die Hermanos al Rescate, daß eine neue
Verletzung des Luftraums den Abschuß des Flugzeugs zur Folge hätte...
Hermanos al Rescate ignorierte diese Mahnung. Sie setzten ihre Flüge
fort. Diese endeten, als im Februar 1996 ein Flugzeug, das Basulto steuerte,
offensichtlich das kubanische Territorium verletzte, niemand zweifelt
daran, und alles weist darauf hin, daß die beiden anderen Maschinen
in die gleiche Richtung flogen. Sie reagierten nicht auf die Anweisungen
der US-Flugkontrolle, den Luftraum zu verlassen und daß sie sich
in Gefahr befänden. Sie flogen weiter... und um sein souveränes
Territorium zu schützen, befahl Kuba seinen Migs, die Kleinflugzeuge
abzuschießen."
GERARDO HATTE NICHTS MIT DEM ABSCHUSS ZU TUN
McKenna erklärte; Gerardo habe damals "Instruktionen von seinen
Vorgesetzten in Kuba erhalten, die Hermanos al Rescate zu unterwandern
und sein Land zu informieren".
"Nur darum ist er der Konspiration zum Mord angeklagt worden",
stellte der Anwalt heraus. "Kein Zeuge sagte gegen ihn aus; er hatte
nichts mit der Entscheidung, diese Flugzeuge abzuschießen, zu tun,
und war für die US-Regierung und die Gemeinschaft von Miami nur der
Sündenbock, um diesen tragischen Vorfall rächen zu können."
Damit erhob die US-Regierung über ihren Staatsanwalt, Guy Lewis,
die Anklage auf Konspiration zum Mord. Die Absicht ist klar.
"Damit wurde ein äußerst emotionsgeladener Prozeß
geschaffen. Die ersten Reihen im Gericht waren täglich von den Familienmitgliedern
der vier Verstorbenen besetzt. Die Reihen waren gekennzeichnet: 'Sitze
der Opfer' ..."
IN MIAMI IST EIN FAIRER PROZESS GEGEN LOYALE KUBANER NICHT MÖGLICH
"Ich bin stolz Nordamerikaner zu sein", erklärte der Anwalt
aus Miami, Und fügte an: "Ich glaube, daß wir weltweit
das beste Rechtssystem haben, ich glaube fest daran. Aber in diesem Fall
gab es einen Einbruch... das Verfahren wurde in Miami geführt".
"Wir baten die Richterin, das Verfahren nicht in Miami zu führen,
denn für Personen, die mit der kubanischen Regierung assoziiert sind,
und speziell für Personen, die der Spionage angeklagt sind, ist es
unmöglich, von Personen aus Miami ein gerechtes Urteil zu erwarten."
McKenna gab einen Überblick über die Zusammensetzung der Einwohner
von Miami: "Mehr als 700.000 US-Kubaner, 600.000 andere Lateinamerikaner,
400.000 Weiße aus anderen Ländern, 400.000 Schwarze".
Er stellte den enormen Einfluß der im Exil lebenden US-Kubaner in
der Stadt Miami und Miami-Dade heraus. "Wir haben drei Kongreßabgeordnete,
Ileana Ros-Lehtinen und die Brüder Díaz-Balart, die meinen,
daß die kubanische Regierung ganz gleich wie abgeschafft werden
muß. Ich bin sicher, sollte für einen Angriff auf Kuba abgestimmt
werden, stimmten sie dafür. Der Bürgermeister der Stadt Miami
ist US-Kubaner und verteidigte die Familie von Elián González
in Miami, damit das Kind in den USA bleiben könne; der Polizeichef
ist US-Kubaner, der Feuerwehrchef ist US-Kubaner und auch der Chef des
Bildungsausschusses und der Stadtbevollmächtigte."
Die Verteidiger bestanden bei der Richterin darauf, den Prozeß einfach
25 Meilen weiter nördlich, nach Fort Lauderdale zu verlegen, "wo
Haltung und demographische Zusammensetzung ganz anders sind".
Das Problem in Miami "ist nicht allein das der US-Kubaner",
erklärte McKenna, "es ist in der gesamten Bevölkerung vorhanden,
denn die Meinungen sind so stark, daß man sich, auch ohne US-Kubaner
zu sein, vorsichtig äußern muß, denn man könnte
auffallen. In Miami müssen Sie diskret sein, Ihr Geschäft könnte
Schaden nehmen, Ihre Nachbarn könnten eine schlechte Meinung über
Sie haben, Ihre Kinder könnten kritisiert werden".
Der Anwalt aus Miami erklärte in diesem Zusammenhang, bis zu welchem
Grad die Auswahl der Geschworenen erschwert war: "Es gab einen Geschworenen,
der nervös hin und her ging, wir alle beobachteten sein ungewöhnliches
Verhalten... Wir wiesen die Richterin auf sein sonderbares Gebaren hin...
Als sie ihn ansprach, explodierte er förmlich... Er war ein Mitglied
der FNCA, und zornig darüber, daß diese 'Spione' Zugang zu
einem Gerichtsverfahren hätten..."
"Es herrscht eine gewisse Wut unter einigen US-Kubanern in Miami,
und gerade diese waren anwesend, als wir die Geschworenen auswählten,
sie hätten die übrigen Personen mit vergiften können..."
Die Anwälte der Fünf konnten zusehen, wie gewählte Geschworene
einigen Mitgliedern der Hermanos al Rescate zuhörten, als sie vor
dem Gerichtsgebäude gemeine antikubanische Erklärungen abgaben.
Sie sahen auch, daß "ein Mitglied der Geschworenen bei der
Versammlung zur Auswahl weiterer Mitglieder einen Zeitungsartikel las,
in dem der FBI-Chef erklärte, die Fünf seien schuldig und würden
als schuldig erklärt werden, und es würde zu einem Austausch
mit der kubanischen Regierung kommen..."
Die Geschworenen, beschrieb McKenna, seien im gesamten Prozeß Opfer
von Einschüchterungen sowohl seitens der Mitglieder der US-kubanischen
Gemeinschaft als auch der Presse gewesen: "Ihre Autos wurden sogar
von den Fernsehkameras verfolgt; sie beschwerten sich bei der Richterin,
daß die Kameras der Nachrichtensendungen ihre Autonummern filmten,
während sie berieten".
"Wir sagten der Richterin, daß wir in dieser Atmosphäre
der Einschüchterung keinen gerechten Prozeß bekommen würden,
jegliche Möglichkeiten würden dadurch ruiniert..., alles stand
unter einem unermeßlichen Druck... Eine Zirkusatmosphäre..."
Aber nichts war in der Lage, die Gerichtsvorsitzende zu überzeugen.
STAATSANWALT GUY LEWIS IN FLAGRANTI ERTAPPT
Der Anwalt berichtete, daß sie kürzlich entdeckten, daß
der selbe US-Staatsanwalt, Guy Lewis, der die Anklage gegen die Fünf
erhoben hatte, den Generalstaatsanwalt John Ashcroft in einem zivilrechtlichen
Verfahren, das ein Bundesbeamter gegen ihn angestrengt hatte (Ramírez
vs. Ashcroft), vor einem Richter des selben Gerichts von Miami verteidigte.
Dabei beantragte er, den Prozeß außerhalb von Miami zu führen,
wegen der tiefen Vorurteile in der kubanischen Gemeinde gegen den Generalstaatsanwalt,
aufgrund des Falles von Elián González, dem Kind, das von
seinen Verwandten in Miami entführt worden war.
Auch erfuhr man, daß ein Experte, der eine Umfrage unter den Einwohnern
Miamis durchführen sollte, um die tiefen Vorurteile gegen Kuba beweisen
zu können, in einem vorangegangenen Fall mit der Richterin des Prozesses
der Fünf in einen ernsthaften Konflikt geraten war. "Fast hätte
sie ihn der Beamtenbeleidigung angeklagt. Die Richterin hatte die Pflicht,
uns über diesen Interessenkonflikt zu informieren", der die
Zurückweisung der Umfrage hervorrief, da sie vermutlich "nicht
glaubhaft" sein würde.
"Aus diesen Gründen hat die Verteidigung einen neuen Prozeß
beantragt", stellte McKenna fest und bezog sich auf den Antrag, der
einen Tag zuvor von Leonard Weinglass, dem Anwalt von Antonio Guerrero,
gestellt worden war.
Der Anwalt aus Miami erwähnte auch das Auftreten der Justizbehörden
gegenüber der Ehefrau seines Klienten, die ihren Mann fünf Jahre
lang nicht mehr gesehen hatte: "Ständig geben wir Lektionen
über Menschenrechte... Ich fühle mich von dem Verhalten der
USA hintergangen... das ist eine Verletzung der Menschenrechte".
Auch kann er sich nicht damit einverstanden erklären, daß die
Fünf getrennt, in fünf Gefängnissen, in verschiedenen,
sehr weit voneinander liegenden Städten des US-Territoriums eingekerkert
sind: "Das ist nicht normal... Als ich erfuhr, was die Regierung
tat, dachte ich an einen Film, der mir sehr gefällt, Brave heart.
Als der Engländer William Wallace ermordete, ihm Arme und Beine abschnitt
und diese in die vier Himmelsrichtungen des britischen Imperiums schickte...
Manchmal frage ich mich, ob das die Botschaft war... Sehr verletzend".
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