Neues Deutschland, 22. April 2004

Was wird aus den "Miami Five"

Der New Yorker Anwalt gehört zu den fünf Juristen, die in den USA fünf wegen Spionage verurteilte Kubaner vor dem Berufungsgericht vertreten. Weinglass ist derzeit in Berlin.


Interview: Matthias Koch

ND: Fünf Kubaner wurden 1998 in den USA verhaftet und 2001 in Miami wegen "Spionage" zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Warum machen Sie sich als einer der Anwälte in der Öffentlichkeit so stark für die "Miami Five"?
Leonard Weinglass: Es ist ein außergewöhnlicher Fall, der sich außenpolitisch in erster Linie gegen Kuba richtet. Alle fünf befinden sich in unterschiedlichen Hochsicherheitsgefängnissen. Zwei dürfen seit Jahren ihre Frauen nicht sehen. Das sieben Monate dauernde Verfahren in den Jahren 2000 und 2001 war der längste Gerichtsprozess, der je in den USA stattgefunden hat. Erstmals gab es eine Anklage wegen Spionage, ohne dass bei den vermeintlichen Tätern Geheimdokumente gefunden worden wären. Sieben Monate nach der Verhaftung wurde einer der Gefangenen überdies wegen "Verschwörung zum vorsätzlichen Mord" angeklagt, weil US-amerikanische Flugzeuge in kubanischem Luftraum abgeschossen worden waren.

Die Jury entschied aus Ihrer Sicht zu Unrecht. Trifft die Kubaner keine Schuld?
Sie haben eine bewaffnete Organisation von Exilkubanern unterwandert, die seit 40 Jahren in Florida Ausbildungslager hat. Von dort aus wurden und werden Angriffe auf Kuba geplant und durchgeführt, denen 3000 Kubaner zum Opfer gefallen sind. Unsere Klienten gingen unbewaffnet und in friedlicher Mission in die Staaten. Sie haben dort nicht versucht, Geheimnisse der USA aufzuspüren. Vielmehr informierten sie ihr Heimatland über die gegen Kuba gerichtete Tätigkeit der Exilkubaner. Auf Grundlage dieser Informationen hat Kuba auch das FBI über die Aktivitäten der Terrororganisation und die Standorte der Ausbildungslager in Kenntnis gesetzt. Es gab aber keine Verhaftungen bei den Exilkubanern, vielmehr wurden die fünf Agenten in Gewahrsam genommen. Kurioserweise wird ihnen auch vorgeworfen, sich als Agenten in den USA nicht angemeldet zu haben. Allein für dieses Vergehen gibt es sechs Jahre Gefängnis.

Wie kam man den "Miami Five" auf die Spur? Hat Kuba die Namen dem FBI auf dem Tablett serviert?
Kuba hat seine Agenten nicht verraten. Das FBI ist wohl in das Appartement eines der fünf eingebrochen und hat die Daten auf dem Computer entdeckt.

Die Urteile ergingen in Miami. Warum war dort kein faires Urteil zu erwarten?
Miami ist vermutlich der einzige Ort in den USA, in dem es kein gerechtes Urteil geben konnte. Dort leben 650000 Exilkubaner. Es dürfen keine kubanischen Filme gezeigt werden, kubanische Sportler sind ebenso unerwünscht. Deshalb ist es eine Farce, dass alle zwölf Geschworenen aus Miami kamen.

Am 10. März fand die Berufung ohne die Angeklagten statt. Eine Entscheidung soll 90 Tage nach diesem Datum folgen. Was wird aus den Angeklagten? Welche Strafe würden Sie akzeptieren?
In ähnlich gelagerten Fällen gab es viel geringere Strafen. Ein in den USA lebender Iraker, der vor dem Irak-Krieg militärischen Widerstand gegen Saddam Hussein von Amerika aus organisiert hatte, wurde kürzlich zu einer Haftstrafe von knapp vier Jahren verurteilt. Drei Israelis, die in den USA antijüdische Organisationen aufspüren wollten, ließ man nach dem 11. September 2001 nach 30 Tagen Arrest wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Fünf könnten also längst zu Hause sein. Unabhängig vom Urteil haben beide Seiten aber Berufung angekündigt.

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