Prensa Latina, 04. März, 2005

Die fünf Kubaner - Internationale Medienzensur

Autor: Salim Lamrani

Warum berichten die internationalen Medien nicht über den Fall der fünf Kubaner, der wirklich einer der größten Justizskandale dieses Jahrhunderts ist? Wie konnte dieser Fall, der wegen seines politischen und juristischen Gehalts alle Sensationen für jedwede ihm angemessene Berichterstattung übertrifft, von den meisten neuen westlichen Medien zensiert werden? Wie konnten fünf junge Kubaner, die ihr Leben einsetzten, um Terroranschläge auf ihr Land zu verhindern, in Zeiten des "globalen Kampfes gegen den Terrorismus" missbraucht und zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt werden, ohne Berichterstattung über diese Geschichte seitens der transnationalen Informationsübermittlung?
Um das zu verstehen, bedarf es der Erklärung, wie diese Informationsübermittlung funktioniert. Alle westlichen Medien werden von einem seit langem von den Herren des Universums etablierten Konzept beherrscht, d.h. vom großen Finanzkapital, dem die meisten Medien gehören.
In Wahrheit gibt es ein vorgeschaltetes Diskussions-Beurteilungsraster [framework], das skrupellos filtert und von allen Medien gläubig akzeptiert wird. Innerhalb dieses sehr doktrinär geprägten Rasters, das von der herrschenden Ideologie verengt wird, darf es und muss es sogar, wegen des Anspruch auf Vielstimmigkeit, Meinungsvielfalt und Demokratie, Diskussionen geben. Aber in Wirklichkeit ist dies nur eine Fassade, weil sie sich vollständig auf konventionelle Angelegenheiten beschränkt. Der ideologische Filter lässt nur konventionelle, oberflächliche Meinungen und Gedanken zu, die der offiziellen Linie der herrschenden Ideologie nicht zuwiderlaufen. Folglich kann man den lebenswichtigen Themen nie auf den Grund gehen. Es ist undenkbar, die Hauptthemen auf der Bildfläche erscheinen zu lassen. Der Fall der Fünf wird in den internationalen Medien nicht diskutiert, weil er von dem etablierten Raster herausgehalten wurde. In den angeblich demokratischen Medien kann man nicht auf offensichtliche Dinge hinweisen, auf Ereignisse, die auf jeder Titelseite der westlichen Zeitungen veröffentlicht würden, wenn es irgend eine Bereitschaft dafür gäbe, die objektive Wahrheit zu enthüllen. Man darf nicht sagen, dass Kuba ein Land ist, das der langanhaltendsten und grausamsten Terrorkampagne der modernen Geschichte ausgesetzt war. Noch darf man sagen, dass fünf kubanische Patrioten wegen ihres Kampfes gegen den Terrorismus inhaftiert wurden. Genau so wenig darf man sagen, dass die treibende Kraft für die Beziehung zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten die terroristischen Gewalttaten der mächtigsten Nation der Welt war. Es ist nicht statthaft, über die offensichtlichsten Angelegenheiten zu sprechen, wie über Kubas Recht auf Selbstverteidigung gegen Angriffe.
Über viele Jahre hinweg diskutierte die internationale Gemeinschaft die Wirtschaftsblockade und fragte sich, ob es der beste Weg sei, eine politische Öffnung Kubas zu erreichen. Sie sprachen davon, wie von etwas Seriösem. Es war und ist kein ernstzunehmendes Anliegen. Tatsächlich lautet die von den USA weiterverfolgte Frage: "Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Kuba als unabhängige und souveräne Nation vollständig zu zerstören?" Das ist das eigentliche Anliegen.
Die Diskussion, ob eine Sanktionspolitik eine positive Wirkung auf Kuba haben und eine "Demokratisierung des Regimes" bewirken könne, wurde auch in der Europäischen Union erhoben. Es wurde und wird noch davon gesprochen, als sei es ein seriöse Anliegen. Das ist es nicht. Die eigentliche Frage lautet: Welche Maßnahmen muss Washington ergreifen, um dem revolutionären kubanischen Projekt ein Ende zu bereiten? Welche Maßnahmen muss das Weiße Haus ergreifen, um ein souveränes Land in eine Neokolonie zu verwandeln, um freie Menschen zu überwältigen?
In den meisten Medien werden die offensichtlichsten Fragen für unzulässig erklärt - sie werden sogar für undenkbar gehalten. Der Terrorismus gegen Kuba wurde aus ihren Dateien gelöscht. Zu einer tradierten Politik, die beabsichtigt, die Existenz eines Volkes zu zerstören, werden keine Fragen gestellt. Die für Kuba wichtigen Themen werden schamlos, aber im Einklang mit der etablierten Doktrin, zensiert.
In Frankreich gehören die großen Medien - ob rechte, linke oder sogar kommunistische (wie im Falle von L'Humanité daily) den Wirtschafts- und Finanzunternehmen. Zwei große Konzerne - Dassault und Lagadere - deren Hauptgeschäft der internationale Waffenhandel ist (Kampfflugzeuge. Missiles, Raketen, ...) und deren Business der Krieg ist, kontrollieren die Medienwelt und deren Veröffentlichungen. Leiter der Dassault-Unternehmensgruppe ist Herr Serge Dassault, ein Rechtsradikaler. Ihm gehört die Socpresse, das wichtigste französische Zeitungskonsortium. Diese Unternehmensgruppe gibt über 70 Zeitungen und Magazine heraus. Dazu gehören Le Figaro, L'Express, L'Expansion und dutzende von Regionalzeitungen. (1)
Was Herrn Arnauld Lagadere's Konsortium betrifft, so kontrolliert es rund 47 Zeitungen, Magazine und Verlage. Dazu gehören Hachette, La Provence und Nice Matin. Er ist Frankreichs führender Herausgeber (Grasset, Fayard, Stock ...) Es ist nutzlos auszuführen, dass zu der wirtschaftlichen Kontrolle dieser Unternehmen über die Veröffentlichungen auch noch eine sehr strenge Kontrolle über die redaktionelle Linie kommt, und dieser Umstand wirft wirklich ernste Fragen auf. Das Geschäft zum Wohle der multinationalen Waffenindustrie ist Krieg. Wie wird dieser heikle Gegenstand in ihren Publikationen behandelt? Sollte es nicht einen Interessenskonflikt auslösen? Könnte eine objektive Darstellung von Ereignissen unter diesen Umständen das Hauptanliegen dieser Zeitungen sein? (2)
Der Fall von größter Symbolkraft ist der von "French Liberation daily". Ehemals maoistisch, wurde das Blatt in den 1960ern von dem französischen Philosophen, Jean-Paul Sartre, gegründet. Über viele Jahre berichtete es über ein Finanzdefizit. Am 20. Januar 2005 übernahm der neoliberale Banker, Edouard de Rothschild, die Kontrolle über 37 % des Kapitals dieses Blattes, indem er 20 Millionen Euro investierte. Wie unabhängig kann eine Zeitung sein, wenn sie vom Großkapital kontrolliert wird? (3)
Warum investiert die Großwirtschaft und das Finanzkapital in die Medienwelt, in einen Bereich, der große Finanzdefizite aufweist? Es ist wirtschaftlich gesehen absurd, aber aus ideologischer Sicht außerordentlich wirkungsvoll. Diese Investoren wollen damit keine Profite erzeugen. Sie beabsichtigen, den Verstand zu kontrollieren, indem sie das konventionelle Raster der genehmigten "demokratischen" Diskussion verengen - ein Raster, dessen Struktur immer totalitärer und oberflächlicher wird. Sie ist insofern totalitär, als sie keine alternativen Ideen zulässt, und sie ist oberflächlich, weil sie niemals in die Tiefe eines Themenbereichs geht.
Der Besitzer der Socpress, Herr Serge Dassault, gab die angestrebten Ziele öffentlich zu, als er die Zeitung, Le Figaro, kaufte: "Ich wünsche, dass die Zeitung unseren Konzernen ein möglichst positives Image gibt. Ich glaube, dass es manchmal Informationen gibt, mit denen man vorsichtig sein muss. Dies gilt für Artikel, die über laufende Handelsabschlüsse berichten. Einige Nachrichten schaden mehr als sie nützen. Das Risiko bringt unseren Handel oder die industriellen Interessen unseres Landes in Gefahr." (4)
Auf diese Weise gibt Herr Dassault persönlich zu, dass es die Aufgabe seiner Zeitung ist, die besonderen Interessen seiner Unternehmensgruppe zu verteidigen und, laut seinen eigenen Worten, die Propaganda zugunsten "gesunder Ideen" zu übernehmen und die neoliberalen ideologischen Dogmen zu forcieren.
Das anschaulichste Beispiel für Propaganda ist der "US Fox News Channel" [US-Fox-Nachrichtenfernsehkanal, Anm.d.Ü.], der dem Multimillionär Rupert Murdock gehört. Er ist zum schrecklichen Instrument der Medienvergiftung geworden. Zu Beginn der Irak-Invasion durch die amerikanischen Truppen sendete er direkt aus dem Weißen Haus und dem Bush-Clan die größten Lügen.
Tatsache ist, dass das, was man gewöhnlich "internationale und demokratische Medien" nennt, eine tyrannische und reaktionäre Welt ist, die nicht mehr die vierte Macht ist, die ursprünglich dazu gedacht war, die Rechtsverletzungen der Legislative, Exekutive oder die der Justiz anzuprangern. Jetzt richten sich die Medien nach der Tagesordnung der Privilegierten und verteidigen die Interessen der Wirtschaft und der politischen Elite. Daher kann man in völliger Objektivität sagen, dass die herrschenden Medien eine Gefahr für die Demokratie sind.

Quellen:
1) Ignacio Ramonet, Medias en crise, Le Monde Diplomatique, Januar 2005: 1,26,27;
2) ebd.
3) Renaud Revel, Liberation est le socie d'un groupe de presse, L'Express, 31. Januar, 2005:
4) Bertrand d'Armagnac, Les interventions de Serge Dassault inquiétent la rédaction du Figaro, Le Monde, 09. September, 2004,

Deutsch: ¡Basta Ya!

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