Nach der En-Banc-Entscheidung des 11th Circuit Court, den Fünfen ein neues Verfahren zu verweigern, hielt das National Committee to Free the Cuban Five gemeinsam mit der National Lawyers Guild eine eilig einberufene Pressekonferenz ab.

Ausschnitte der Pressekonferenz vom 10. August 2006 nach der En-Banc-Entscheidung des 11th Circuit Court vom 9. August.

Sprecher:

Leonard Weinglass, Anwalt von Antonio Guerrero
Richard Klugh, Anwalt von Fernando González
Bruce Nestor, National Lawyers Guild, Anwalt in Minneapolis
Gloria La Riva, Koordinatorin des National Committee to Free the Cuban Five
Peter Erlinder, Mitglied der NLG und Anwalt in Minneapolis, der drei "Amicus Briefs" für die Berufung der Cuban Five verfasste.

La Riva: Guten Tag. Wie Sie wissen, hat das 12-Richter-Gremium gestern seine Entscheidung im Falle der Berufung der Cuban Five bekannt gegeben. Heute halten wir eine Pressekonferenz ab, damit zwei der Anwälte den Fall kommentieren können.
Wir würden gern Leonard Weinglas hören, den Anwalt von Antonio Guerrero, welcher zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und in Florence im Zuchthaus von Colorado einsitzt.

Weinglass: Gestern Nachmittag erhielten wir die Nachricht vom 11th Circuit, dass das Gericht im Fall USA gegen Campa [Fernando González], den Fall der Cuban Five, entschieden habe. Das Gutachten umfasst 120 Seiten, der größere Teil umfasst 68 Seiten mit der Ansicht von Richter Wilson und 52 Seiten mit der abweichenden Meinung von Richter Birch. Die Entscheidung bekräftigt die Ansicht des Gerichts, der Gerichtsort hätte in Miami nicht verlegt werden sollen und die Ansicht des Gerichts, dass ein neues Verfahren aufgrund einer neuen Beweislage nicht angeordnet werden solle. Das bedeutet für den Fall, dass die neun anderen Anträge, die noch beim 3-Richter-Gremium anhängig sind, jetzt vom Gericht behandelt und entschieden werden müssen.
Diese Entscheidung ist nicht das Ende des Falls, weit gefehlt. Es gibt noch neun weitere Punkte, die immer noch beim 3-Richter-Gremium, beim Gericht, liegen. Wir können, wenn wir uns so entscheiden, den Fall vor den US Supreme Court bringen und ihn durch eine Bittschrift, durch eine "writ of certiorari" [Aufforderung eines höheren an ein niederes Gericht, Prozessakten vorzulegen Anm. d. Ü.] bitten, sich mit dem Fall zu befassen.
Ob wir diesen zusätzlichen Schritt machen oder nicht, wird in der kommenden Woche entschieden, wenn die sechs Anwälte, die mit dem Fall befasst sind, das 120 Seiten lange Gutachten verdaut haben. Dann entscheiden wir, ob wir vor den Supreme Court gehen oder nicht. Wenn wir uns dazu entschließen, haben wir 90 Tage, um unsere Berufung zu vollenden, das heißt, die Bitte um eine Berufung vor diesem Gericht. Die Regierung kann darauf reagieren oder nicht, und wir müssen auf eine Entscheidung des Gerichts warten. Bis zu dieser Entscheidung ist alles in der Schwebe.
Wenn wir uns entscheiden, nicht vor den Supreme Court zu gehen, dann ist die Angelegenheit wieder beim 3-Richter-Gremium, und wir werden eine Antwort von diesem Gremium erwarten, darüber wie wir vorgehen sollten, bei der Behandlung dieser anderen neun Punkte.
Wir haben also noch einen langen Weg vor uns in diesem Fall. Als wir das Gutachten des Gerichts erhielten, waren wir natürlich sehr enttäuscht über die Entscheidung von Richter Wilson, einem früheren US-Anwalt aus Florida. Wir glauben, wie die beiden abweichenden Richter, dass die Mehrheit [der 12 Richter] die zwanghafte Atmosphäre, die seit Jahren in Miami gegen jeden herrscht, der mit der Regierung Kubas verbunden ist, völlig übersehen hat.
Und es war diese Atmosphäre, die das Verfahren beeinflusst und eine faire Verhandlung gegen die Angeklagten verhindert hat. Die abweichenden Richter in diesem Fall wiederholten, was Richter Birch in seinem 90 Seiten langen Gutachten vom 9. August des letzten Jahres geschrieben hat, nämlich dass die Prozessakte einen "perfekten Sturm" der Vorverurteilung repräsentiert. Die abweichenden Richter benutzten gestern wieder den Ausdruck, dass die Angeklagten einem "perfekten Sturm" von Vorverurteilung gegenüberstanden, und dass der Fall niemals in Miami hätte verhandelt werden dürfen. Das, die Position der beiden abweichenden Richter, ist natürlich die Position, mit der wir übereinstimmen.
Die Mehrheit hat die Frage der zwanghaften Atmosphäre in Miami schöngefärbt. Sie können die 68 Seiten ihres Gutachtens lesen, und sie werden keinen wesentlichen Hinweis auf die damals in der Gemeinde von Miami vorhandene Vorverurteilung gegen jeden, der der Regierung Kubas verbunden ist, finden. Diese Merkwürdigkeit - die die abweichenden Richter "Auslassen von Tatsachen" nennen - ist etwas, das uns sehr besorgt macht, und was wir dem US. Supreme Court vielleicht zur Kenntnis bringen sollten.
Das ist unsere Meinung zu dem Gutachten, und was wir als nächstes zu tun haben, werden wir in der nächsten Woche entscheiden.

Klugh: Natürlich sind wir über die Entscheidung enttäuscht und hoffen, dass das nicht das letzte Wort ist in einer Angelegenheit mit grundsätzlicher Wichtigkeit bezüglich verfassungsgemäßer Rechtsprechung. Wir haben die Einladung der abweichenden Richter bemerkt, nach weiterer Klärung zu suchen, und wir werden das sicher studieren. In jedem Berufungsverfahren gibt es die Frage, was wird das Gericht prüfen und nach welchen Standards wird es einen Fall bewerten.
In diesem Fall scheint bisher mit Rücksicht auf lokale Gegebenheiten entschieden worden zu sein. Unserer Ansicht nach war das von Anfang an einer der Hauptgründe, denn was sonst, außer lokalen Gegebenheiten, sollte für einen unabhängigen Kritiker der Vorverurteilung oder potentiellen Vorverurteilung in der Gesellschaft der Hauptgrund sein. Dieser Punkt wurde von der Verteidigung ausführlich dargelegt, wir hoffen, wir können das weiter verfolgen.

Nestor: Die NLG [National Lawyers Guild] ist eine Organisation von über 5.000 Anwälten, Juraprofessoren und Jurastudenten, seit unserer Gründung 1937 haben wir für die Verteidigung vieler unpopulärer Angeklagter und Fälle gearbeitet.
Wir reichten einen Amicus-Brief zur Unterstützung aller fünf Angeklagten dieses Falles ein, speziell zu der Frage des Gerichtsortes, denn das ist ein so wichtiger Aspekt. Eines möchte ich betonen, nämlich dass dies nicht das Ende des Falles ist. Es sind noch viele maßgebliche Rechtsfragen zu klären, und es gibt auch die Möglichkeit, einer nochmaligen Überprüfung dieser Frage hinsichtlich der Nötigung und Bedrohungen, die man in Miami vorfindet, die ein faires Verfahren verhinderten.
Wir werden weiter Unterstützung für die Cuban Five in der juristischen Gemeinschaft organisieren. Insbesondere haben wir in diesem Herbst eine landesweite Vortragstournee an Rechtsfakultäten zum Aufbau von Unterstützung und zur Hervorhebung dessen geplant, was an diesem Urteil nicht stimmt. Dieses Urteil verweigert nicht nur den fünf Angeklagten Gerechtigkeit, sondern enthält auch sehr tiefgreifende Auswirkungen für jede Person, die um ein faires Verfahren ersucht, insbesondere ein faires Verfahren in dem derzeitigen politischen Klima dieses Landes.
Das Urteil verleiht der Regierung eine unglaubliche Macht zur Ausübung politisch motivierter Strafverfolgung und sich dann einen ihr gemäßen Ort auszusuchen, wo das Vorurteil der Gemeinde zugunsten der Regierung ausfällt und der Regierung erlaubt, eine Verurteilung zu erhalten, bei der die Beweise für die Verurteilung nicht ausreichten.
Das ist genau das, wovon wir glauben, dass es in diesem Fall passiert ist, und die Entscheidung des En-Banc-Gremiums, die wesentlich von dem Urteil der Verhandlung vor Ort abwich, tilgt wirklich die Möglichkeit einer wirkungsvollen Überprüfung durch einen individuellen Verhandlungsrichter und erlaubt dem Richter vor Ort, tatsächlich zum Subjekt des Vorurteils und der Verhaltensweisen zu werden oder zumindest unter dem Druck und der Nötigung zu stehen, wie das in diesem Fall geschah. Es gestattet nicht eine effektive Überprüfung der Entscheidung durch ein unabhängiges Gremium auf Bezirksgerichtsebene.
Ich will betonen, dass wir, als eine Organisation von Juraprofessoren, Juristen und Jurastudenten weiter fortfahren, innerhalb der Juristengemeinde über diese Entscheidung zu sprechen, darüber wie sie individuellen Angeklagten Gerechtigkeit verweigert und auch über die Auswirkungen, die das auf das weitere Rechtssystem unseres Landes hat.

La Riva: Das National Committee to Free the Cuban Five ist eine von über 250 Organisationen weltweit und einer Reihe von Gruppen in den Vereinigten Staaten, die seit ihrer Verurteilung im Juni 2001 für die Freiheit der Cuban Five kämpft. Wir kündigten vor zwei Tagen einen nationalen Marsch in Washington vom Justizministerium zum Weißen Haus an, und wir glauben, dass die Bedeutung des Marsches und des Forums größer denn je ist. Auf dem Marsch werden wir Tausende von Petitionen präsentieren, die George Bush aufrufen, die Fünf unverzüglich freizulassen.
Sie hätten nie verhaftet werden dürfen. Sie kämpfen gegen den Terrorismus, was die terroristischen Anschläge seit ihrer Verurteilung entlarvt hat und den Argumenten weiteres Gewicht verleiht, dass Miami ein Ort ist, wo sie nie hätten vor Gericht stehen dürfen.
Ein Forum in GWU mit Leonard Weinglass als Hauptredner und anderen Sprechern wird sich auf die 50 Jahre des von den USA unterstützten Terrors beziehen und zeigen, warum der Auftrag der fünf Kubaner eine Notwendigkeit zum Schutz des Lebens der Menschen auf Kuba und in den USA und für jeden ist, der dort hinreiste oder einfach an Bord eines Flugzeugs ging, der dann zum unschuldigen Opfer dieser Terroristen wurde.

Erlinder: Obwohl das Ergebnis der drei Richter, dass das Verfahren von einem "perfect storm" von Vorurteilen [nun] von einer Mehrheit des Berufungsgerichts förmlich umgedreht worden ist, ist der moralische Sieg schon errungen.* Das Berufungsgericht kann die Tatsache nicht mehr ändern, dass das richterliche Urteil über den "perfect storm" nun Teil der Geschichte ist und die Welt jetzt weiß, dass die Cuban 5 unter Bedingungen verurteilt wurden, die sogar U.S.-Bundesrichter als grundsätzlich unfair anerkennen. Der Antrag der NLG informierte das Gericht darüber, dass die Revidierung des ursprünglichen 93-seitigen Urteils (vom 9. August 2005) den Anschein der Unfairness vor der Welt nur verstärken würde. Der Kampf für die Freiheit der Fünf hat eben erst begonnen.

Frage:

Case Woods, Miami Herald: Sie sagen, dass es noch neun Punkte [der Anklage] gibt, die noch geklärt werden müssen. Können Sie über die Strategie sprechen, welche Argumente Sie einsetzen werden, um sie bei der weitergehenden Verhandlung zu entlasten?

Weinglass: Wir haben diese Argumente schon dem Gremium des 9. Bezirks vorgetragen, aber zu diesen Argumenten gehört das Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft inbezug auf die Argumente des Staatsanwaltes gegenüber der Jury, wogegen energisch Einspruch erhoben wurde. Diese Einwände wurden aufrechterhalten und endeten in einer Stellungnahme der Richterin, diese Einwände zu missachten. Aber diese Stellungnahmen waren so abträglich und so außerhalb der Grenzen von Anständigkeit, dass wir glauben, dass der Fall allein wegen dieser letzten Argumente revidiert werden sollte. Es gibt eine Reihe von anderen Fragen, acht anderen, die von verschiedenen Probleme handeln, die während der Verhandlung und bei den Vorverhandlungen auftauchten, die Anwendung der Regierung, die sich CIPA nennt, die ein hochumstrittenes Verfahren ist. Ein weiteres Verfahren nennt sich FISA, der Foreign Intelligence Surveillance Court [Überwachungsgericht des Auslandsgeheimdienstes, Anm. d. Ü.], der neulich in den Nachrichten war und das auf diesen Fall angewandt wurde. Es gab andere Sachen, die während der Verhandlung zutage traten, aber letztendlich argumentieren wir auch damit, dass die Beweise vor dem Gesetz unzureichend waren, sowohl was die Verschwörung, Spionage begehen zu wollen, betrifft, als auch die Verschwörung, Mord begehen zu wollen.
Die ganze Palette der Berufungsanträge liegt dem Gremium des 11. Bezirks noch vor, und wir beabsichtigen, sie alle energisch unter Druck zu setzen.

Carol Williams, Los Angeles Times: Ich möchte wissen, ob dem 11. Bezirk die neuen Beweise bekannt waren, die Sie über die Anschläge gegen Kuba gesammelt haben, die in Kalifornien und hier in Südflorida ausheckt wurden oder war es noch nicht möglich, den Richtern, die über diese Berufung urteilen, diese Information vorzulegen.

Weinglass: Der Fall in Kalifornien und der in Florida, der Santiago Alvarez-Fall, beide handeln von Waffenlagerungen, die angeblich dafür genutzt werden sollen, die kubanische Regierung gewaltsam und militärisch zu stürzen, wurden dem 11. Bezirksberufungsgericht nicht vorgelegt, aber sie sind zusätzlich neuentdeckte Beweise, die gelegentlich ins Spiel gebracht werden.
Wir haben auch sensationelle Enthüllungen einer Person, namens Llama, den manche Leute fälschlich Lama aussprechen, aber diese Person, ein Anwohner Floridas und noch dort, bekannte sich offen zu einem schweren Anschlag militärischer Natur auf die kubanische Regierung. Der ist dem 11. Bezirk nicht vorgelegt worden.

Jorge, Radio Havana Cuba: Bei all diesen Beweisen, die kürzlich auftauchten, mit Roberto Ferro, denken Sie, dass mit dieser Demonstration der Notwendigkeit, die Menschen in Kuba zu schützen und die in den Vereinigten Staaten, der eigentliche Grund verstärkt wird, warum diese Männer da sein mussten, um diese Gruppen zu unterwandern?

Klugh: Es ist dringend notwendig; die Richter, die anderer Meinung waren, hoben hervor, dass, insbesondere, wenn es um Fragen möglicher Vorurteile geht, eines möglichen Risikos von Feindseligkeit innerhalb der Gemeinschaft, gelte die Frage vor Gericht im wesentlichen dem, wie viel von was die Gemeinde empfindet oder worüber sie besorgt sein könnte, wird es das Gericht in Betracht ziehen und inwieweit wird es [dies alles] seine Überprüfung einschränken, wie beispielsweise durch Presseartikel oder speziell dokumentierte Ereignisse.
Zum Thema im Hinblick auf das tatsächliche Problem des Falles: Was war die aktuelle Situation in Miami, die die Handlungen der Angeklagten motivierte? Wer waren die Angeklagten eigentlich, als sie wiederholt aussagten und sie ihre Aufmerksamkeit auf die rechtswidrigen Risiken Kubas lenkten, die es gibt, den Terror von Bombenanschlägen, von Gegebenheiten, denen Kuba dauernd ausgesetzt war. Heute haben wir eine größere Verhaftung und Ermittlung von Terrorismus, eine multinationale Ermittlung von Terrorismus. Diese Art von internationalem, grenzüberschreitenden Terrorismus ist eindeutig ein wirkliches Thema, dem Kuba sich gegenüber sieht. Die Schwierigkeit, die wir haben, ist die, dass wir an diesem Punkt, wenn wir neue Beweise erbringen, es für uns schwer ist, das Berufungsgericht davon zu überzeugen, eine Menge neuer Beweise in Betracht zu ziehen.
Einige von diesen müssten schließlich einem anderen Forum vorgetragen werden.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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