Mütter werden ihren Kampf für die "Cuban Five" nicht aufgeben

Langer Kleinkrieg steht bevor, nachdem die Berufung der verurteilten Spione vom US-Gericht zurückgewiesen wurde

Von Mary Murray
Aufnahmeleiterin bei NBC News, 1. September 2006

Havanna - Mirta Rodríguez und Magali Llort konnten die qualvollen Gefühle nicht zurückhalten, die sie empfanden, als ein U.S.- Berufungsgerichtshof im vergangenen Monat eine Petition zur Gewährung eines neuen Verfahrens für ihre Söhne niederschlug. Sie weinten und waren wütend, dann kämpften sie, um die Wiedergewinnung der Kontrolle über ihre Gefühle.
"Tränen helfen bei der Not ihrer Söhne nicht," sagte ihre Rechtsberaterin Nuris Piñeiro.
Beide Frauen haben Söhne, die beinharte Strafurteile in U.S.-Hochsicherheitsgefängnissen wegen Spionage verbüßen.
Wenn man Rodríguez und Llort begegnet, kann man etwas darüber lernen, wie trügerisch das Aussehen sein kann. So elegant, würdevoll und sanft auftretend, kann man sie sich eher beim Spiel mit ihren Enkelkindern vorstellen als dabei, eine internationale Kampagne anzuführen, die das US-Rechtssystem herausfordert.
"Ich werde meinen Kampf, diese Männer aus dem Gefängnis herauskommen zu sehen, nie aufgeben," schwört Rodríguez, 74, "auch, wenn ich darüber sterben muss." Ihr Sohn Tony Guerrero wurde zu Lebenslänglich plus zweimal fünf Jahren verurteilt.
Llorts Sohn Fernando González erhielt 19 Jahre. Sie formuliert den Kampf um deren Freiheit als "ein über eine große Entfernung lang andauerndes Rennen. Die einzige Möglichkeit, das Ziel zu erreichen, ist, auf dem Weg zu bleiben."
Diese Frauen wurden in den vergangenen 8 Jahren, in denen sie Tag für Tag dafür arbeiteten, die Namen der als die "Cuban Five" bekannten Männer reinzuwaschen, zu engen Freundinnen.

Als Spione verurteilt

Das FBI verhaftete Guerrero und González zusammen mit Gerardo Hernández, Ramón Labañino und René González im Herbst 1998 wegen Spionage für Fidel Castros Regierung. Nach einem anfänglichen 17-monatigen Aufenthalt in Isolationshaft ohne Zugang für die Familien oder Anwälte sahen sich die Männer einer emotional aufgeputschten Gerichtsverhandlung in Südflorida gegenüber.
Sie standen in einem Gerichtssaal von Miami, kurz nachdem der fünfjährige Elian González eine internationale Schlacht um das Sorgerecht zwischen seinen gegen Castro eingestellten Verwandten in Miami und seinem Vater auf der Insel auslöste.
Die angeblichen Spione riefen innerhalb Miamis einer Million starken kubanischen Gemeinde einen Sturm der Entrüstung hervor.
Führer der Exilanten in Südflorida stellten ihre pure Anwesenheit als Beweis für eine kommunistische von Castro angeführte Verschwörung dar, die amerikanische Demokratie untergraben zu wollen.
Das Justizministerium griff den Kampf auf und gab geschätzte 20 Millionen $ für die Strafverfolgung des Falles aus. Die Verteidigung beantragte bei der ursprünglichen Richterin, die Verhandlung nach außerhalb von Miami zu verlegen. Bundesrichterin Joan Lenard schlug den Antrag ab und verteidigte stattdessen die Objektivität der gewählten Geschworenen. Unter den Zwölfen befand sich kein Cubano-Amerikaner.
Während seines Abschlussplädoyers beschrieb der Staatsanwalt die fünf Agenten wiederholt als Castros Werkzeuge und als seien sie darauf aus, "die Vereinigten Staaten zu zerstören." Die Jury von Miami befand die fünf Kubaner 2001 gemäß den Anklagen, einschließlich der der "Spionageverschwörung", für schuldig, und sie erhielten Strafurteile, die sich von 15 Jahren bis zu zweimal Lebenslänglich erstreckten.

Sowohl ein Sieg als auch eine Niederlage der Berufung

Der Fall der Cuban Five wand sich seit ihren Verurteilungen 2001 durch das U.S.-Rechtssystem. Am 9. August hob das Berufungsgericht des 11. Bezirks in Atlanta eine Entscheidung durch ein Gremium von 3 Richtern des 11. Bezirks aus dem Vorjahr wieder auf, das die Verurteilungen der Kubaner verworfen hatte. Sie hatten verfügt, dass die dem Prozess vorangegangene Propaganda in Verbindung mit der überall vorhandenen Anti-Castro-Einstellung kein faires Verfahren gewährleistete.
Das jüngste Urteil durch das gesamte Berufungsgericht bestätigte die frühere Entscheidung des Gerichts in Miami über den Fall und verfügte: "Der Kreis Miami-Dade ist eine weitgehend facettenreiche, viele Rassen umfassende Gemeinde von über zwei Millionen Einwohnern. Nichts deutete in dem Gerichtsprotokoll daraufhin, dass von der Richterin nicht 12 unparteiische Geschworene für die Verhandlung versammelt werden konnten, um die Angeklagten unparteiisch und fair zu beurteilen."
Das Urteil des 11. Bezirksgerichts bedeutet, dass den Kubanern jetzt wenige Optionen verbleiben. Sie können versuchen, einen weiteren Berufungsantrag an den Obersten Gerichtshof zu stellen oder zu beantragen, den Fall auf mehrere andere Punkte überprüfen zu lassen, von denen sie behaupten, dass sie die Unzulänglichkeit des Verfahrens zeigen.

Verbindungen zum kubanischen Geheimdienst zugegeben

Auf jeden Fall haben die Cuban Five nach ihrer Verhaftung ihre Verbindung zum kubanischen Geheimdienst-Apparat preisgegeben.
Von Anfang an bestritten sie, sie hätten den Auftrag, Geheimnisse des amerikanischen Militärs oder der Regierung zu sammeln.
Sie behaupteten, Havanna hätte ihnen Instruktionen gegeben, Exilantengruppen zu infiltrieren, die das Castro-Regime unterwandern wollen, insbesondere solche mit paramilitärischen Dimensionen.
Seit Jahren wurden Anschuldigungen der kubanischen Regierung, dass geduldete Exilanten-Gruppen in Miami bewaffnete Aktionen gegen die Insel finanzierten und planten, als an den Haaren herbeigezogen betrachtet. Aber kürzliche Enthüllungen eines früheren Exilanten-Führers zeigen, dass an diesen Vorwürfen durchaus etwas dran sein könnte.
Jose Antonio Llama, ein früherer Angehöriger der "Cuban American National Foundation" [Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung], berichtete dem "El Nuevo Herald" in Miami, er habe 1.4 Millionen $ aus seinem Privatvermögen ausgegeben, um ein Arsenal von Waffen für einen Angriff innerhalb Kubas zu finanzieren.
Llama behauptet, in den frühen neunziger Jahren hätten sich 20 Führer der Stiftung getroffen, um den Plan auszuhecken und die bewaffnete Gruppe zu rekrutieren. Nun, angesichts des Bankrotts, wendet sich Llama an die Öffentlichkeit mit dem Versuch, sich einige seiner Investitionen zurück zu holen.
Der derzeitige Sprecher der Stiftung, Alfredo Mesa, weist diese Vorwürfe vehement zurück und nennt sie "Erpressung und Diffamierung".

Abwehr von "Terrorismus" oder Spionage

Laut Ricardo Alarcón, dem Präsidenten des kubanischen Parlaments, habe seine Regierung schon vorher von den geplanten Angriffen - die er "Terroranschläge" nennt - Kenntnis gehabt und zwar aufgrund der von den fünf kubanischen Agenten beschafften Informationen.
"Diese Terrorpläne kamen während des Verfahrens gegen die Fünf zur Sprache," sagte Alarcón. "Sie hatten versucht, diese Flugzeuge, Waffen und Sprengstoffe zu lokalisieren, um einen Terroranschlag zu verhindern."
Auch wenn das als wahr bewiesen wird, glaubt Brian Latell, ein Kubaspezialist und früherer Geheimdienstoffizier, dass für das Engagement in illegale Aktivitäten ein Preis bezahlt werden müsse.
"Es spielt keine Rolle, für wie ehrenhaft und defensiv sie (die Kubaner) und ihre Regierung ihre Motive halten, wenn sie tatsächlich US-Gesetz gebrochen haben, dann kann es keine Entschuldigung oder Rechtfertigung für ihre Taten geben," sagte Latell.
Das Büro des Justizministers hat die kubanische Version nie abgekauft, sondern glaubt stattdessen, die Agenten hätten ein bedrohlicheres Ziel verfolgt.
Während des Verfahrens wurden Hinweise vorgelegt, wonach die Geheimdienstarbeit der verdeckten Agenten 1996 zum Abschuss eines Flugzeuges [es waren zwei Anm. d. Ü.] der Exilanten über internationalem Gewässer geführt habe [die Flugzeuge befanden sich in kubanischem Luftraum Anm. d. Ü.], dass sie versucht hätten, die Exilanten gegeneinander auszuspielen und in der Gemeinde von Südflorida Zwietracht zu säen, und beabsichtigt hätten, amerikanische Militäreinrichtungen zu infiltrieren, einschließlich der Luftwaffenbasis "MacDill" in Tampa.
Laut Latell wären die Anschuldigungen alle glaubwürdig, wenn man das Niveau des kubanischen Geheimdienstes in Betracht ziehe.
"Der kubanische Geheimdienst ist einer der besten der Welt," sagte Latell, "und ist das seit Jahrzehnten. Ihre Geschicklichkeit auf nahezu allen Gebieten des Geheimdienst-Handwerks, ihre Disziplin und ihre Zielsicherheit sind außergewöhnlich und helfen, die vielen Erfolge gegen die Vereinigten Staaten zu erklären."

Versprechen, den Kampf fortzusetzen

So oder so, Piñeiro, die Anwältin der Mütter, gelobt, "der Kampf ist noch nicht zuende."
Llort, 68, war anfangs gegen die Rolle ihres Sohnes und bangte um seine Sicherheit, steht jetzt aber fest zu ihm.
"Als ich die Wahrheit erfuhr, befiel mich eine Gefühlsmischung, die schwer zu beschreiben ist," erinnert sich Llort. "Angst um seine Sicherheit, aber auch Stolz auf seine persönliche Aufopferung. Es war ein sehr schwerer Augenblick, ein Augenblick, in dem mir das Herz schwoll."
Rodríguez rechtfertigt ebenfalls die verdeckten Aktionen ihres Sohnes als "Angelegenheit der nationalen Sicherheit."
Der Blick von Rodrígez, einer Verteidigerin von Castros Regierung, verdüstert sich, wenn man Guerrero als "Spion" bezeichnet.
"Das ist ein hasserfülltes Wort, das benutzt wird, Verwirrung zu stiften... Mein Sohn ist ein Mann, der seine Nation verteidigte. Diese Terrorgruppen existieren. Wir erfinden das nicht," sagte Rodríguez.
Auf der einen Seite der Straße von Florida erdulden die Frauen Beschimpfungen und persönlichen seelischen Schmerz. Auf der anderen Seite werden sie als Mütter lebender Helden verehrt.
Llort gesteht, dass sie "müde und abgearbeitet" sei, aber es wäre "Verrat an Aufgabe zu denken."
Rodríguez' Leben ist ebenfalls erfüllt mit Hingabe für ihren Sohn. Sie leidet an einer degenerativen Knochenkrankheit, aber eine Operation, bei der die Hüfte ersetzt werden soll, hat sie immer wieder verschoben, seit ihr Sohn im Gefängnis ist. "Es ist mir wichtiger, ihn zu sehen, als die Schmerzen zu beenden."
Das Visa-Procedere macht die Trennung noch schwieriger. Es dauert 15 Monate bis das US-State-Department ein Visum ausstellt, das ihr erlaubt von Havanna nach Florence, Colorado, zu reisen, wo ihr Sohn einsitzt.
"Nichts ist hier einfach," beklagt ihre Anwältin Piñeira, und macht geltend, dass jeder Aspekt dieses Falles ins politische Kreuzfeuer zwischen Washington und Havanna gerate.
Die Gefangenen und ihrer Familien wollen weiter den Rechtsweg einschlagen. Und der Kubaspezialist Latell stimmt dem zu, dass der Fall auf die eine oder andere Weise wahrscheinlich noch sehr lange weiter gehen wird.
"Meine Ahnung ist, dass die Fünf zum Spielball einer Feilscherei auf Regierungsebene werden, wenn einmal der unumgängliche Prozess mit Verhandlungen über eine Wiederannäherung beginnt," sagte Latell.

Mary Murray ist Aufnahmeleiterin von NBC News in Havanna

MSNBC (Microsoft-National Broadcasting Company) ist ein US-amerikanischer Nachrichtensender, der 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche sendet. MSNBC wurde in den 1990er Jahren gegründet und gehört zur Senderfamilie von NBC Universal, die wiederum zu General Electric gehört. Seit dem Sendestart gelang es MSNBC, in den USA sehr populär zu werden. Der Sender versucht mit unkonventionellen, schnellverständlichen Nachrichten seine Zuschauer zu erreichen. MSNBC ist Amerikas drittgrößter Nachrichtensender mit über 20 Büros in den USA und 10 Büros weltweit. Es versucht, sich unter der Sparte von "NBC News" einen Namen zu machen. (Wikipedia)

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