Alarcón verteidigt die Unterstützung der "Cuban Five"

Hoher Regierungsbeamter besteht darauf, dass die 5 Agenten in den USA zu Unrecht verurteilt wurden

Von Mary Murray
Aufnahmeleiterin bei NBC News, 1. September 2006

Havanna - Ricardo Alarcón, Präsident der Kubanischen Nationalversammlung erörtert den weitergehenden Rechtsstreit über die so genannten Cuban Five - fünf Kubaner, die 2001 in den USA wegen ihres Dienstes als nichtregistrierte Agenten eines fremden Landes verurteilt wurden.
Alarcón, Castros Hauptberater für US-Angelegenheiten und dessen Hauptverbindung zu den internationalen Medien - er war heftig in dem Kampf für das Sorgerecht um Elian González engagiert - spricht mit Mary Murray von NBC News über den weitergehenden Rechtsstreit zwischen den USA und Kuba.

Mary Murray: Herr Präsident, jetzt, da das Berufungsgericht von Atlanta entschieden hat, dass die Fünf in Miami eine faire Verhandlung erhielten, ist ihr Kampf nun zu Ende?

Ricardo Alarcón: Nein, natürlich nicht. Das Gericht entschied nur über einen Punkt. Zur Zeit der Verhandlung beantragten die Angeklagten einen Ortswechsel, der ihnen durch die ursprüngliche Richterin verweigert wurde. Voriges Jahr hatte ein Drei-Richter-Gremium (am Gericht von Atlanta) den Fall studiert und verfügt, dass die Angeklagten die Verlegung des Gerichtsortes zu recht beantragt hatten.
Jetzt annulliert dieses Urteil diese Verfügung und bestätigt die Entscheidung des Gerichts von Miami. Aus streng juristischer Sicht stehen uns zurzeit zwei Möglichkeiten offen.
Wir könnten den Obersten Gerichtshof dazu anrufen, das jüngste Urteil hinsichtlich des Gerichtsortes zu überprüfen oder wir können darauf warten, dass die drei Mitglieder des Richtergremiums von Atlanta die anderen neun zur Berufung anstehenden Anklagepunkte in Betracht ziehen. Dazu gehören der Mangel an Beweisen für substantielle Vorwürfe gegen die Angeklagten, unangemessene Anwendung des Gesetzes zum Schutz geheimer Informationen und Verweigerung des Kontakts mit ihren Anwälten.
Also, sie legen immer noch Berufung zu bestimmten substantiellen Anklagen gegen ihre Verurteilung ein. Das Gremium [des 11th Circuit Appeal Court] hatte sich nur auf den Verhandlungsort konzentriert.
Die Überlegungen verfolgten folgende Linie: Wenn man darauf erkennt, dass der Ort ungeeignet war, dann fällt der Rest außer Betracht. Man müsste neu beginnen. Aber da das gesamte Gericht dem Gremium nicht zustimmte und stattdessen verfügte, der Ort war geeignet, haben wir uns entschieden, weiter zu gehen und das Gericht zu bitten, den Rest der Punkte bei der Berufung zu berücksichtigen. Ein langer, langer Prozess liegt noch vor uns.

Wie optimistisch sind Sie, dass das U.S.-Berufungsgericht zu Ihren Gunsten entscheiden wird?

Dieses letzte Urteil beruhte auf einer gespaltenen Entscheidung. Es ist sehr interessant, die Mehrheit mit der Minderheit zu vergleichen. Eine Seite behauptet, dass die Gerichtsverhandlung fair war und geht sogar so weit, sie als ein Modell zu bewerten.
Die abweichende Entscheidung weist darauf hin, dass die Richterin bei mehreren Gelegenheiten gegen die antikubanischen Störungen im Gerichtssaal protestierte und beantragte, die Staatsanwaltschaft möge die Protestler des Saales verweisen. Der gesamte Prozess war zweifellos ständigem Druck vonseiten bestimmter Gruppen in dieser Gemeinde ausgesetzt.
Wie kann irgend jemand behaupten, dass es möglich war, eine objektive, unparteiische Jury in Miami zusammenzustellen, wenn sich sogar die Richterin über das unpassende Benehmen beklagte? Bei einer Gelegenheit musste sie sogar die Polizei bitten, die Geschworenen vor den Demonstranten rund um das Gebäude zu schützen.
Während die Mehrheit bei dem Berufungsurteil befand, dass die Medien unwichtig waren, führten zwei der widersprechenden Richter das Gegenteil an - sie zitierten die Richterin zu der grenzenlosen Parade der Medienberichterstattung.
Schließlich müssen wir in Betracht ziehen, ob wir den ganzen Weg vor den Obersten Gerichtshof gehen wollen oder nicht. Sogar die beiden widersprechenden Richter sind der Meinung, dies sei ein Fall, der vor ein Oberstes Gericht gehöre und schlagen entsprechendes vor.

Würde die kubanische Regierung ihre Forderung, die fünf Männer nach Hause zu schicken, je aufgeben?

Nein - und aus einfachem Grunde. Sie hätten nie verhaftet werden dürfen, das ist das Erste.
Wir halten daran fest, dass diese Männer gegen den Terrorismus kämpften. Von Anfang an war dies eindeutig ein politischer Fall. Wir diskutieren keine Formalitäten bei den Geschworenen oder über das Verfahren an einem Gericht in Skandinavien. Nein, wir sprechen darüber, was in Miami passierte, in Dade County - derselbe Bezirk, in dem bekannte Terroristen sogar im Fernsehen auftreten und dort ihre Heldentaten erklären.
Laut Miami Herald, suchte das antiterroristische Einsatzkommando in Südflorida einen Typen namens José Antonio Llama auf - einen früheren Leiter der Cuban American National Foundation, um ihn wegen seiner Bemerkungen zu befragen, die er gegenüber der Presse über 1,5 Millionen $ gemacht hatte, die er der Cuban-American National Foundation für den Kauf von Sprengstoff, für einen Hubschrauber, Schnellboote und 10 ferngesteuerte Kleinflugzeuge gegeben habe. Er sagte der Presse, es sei geplant gewesen, den Platz der Revolution während einer dortigen Versammlung anzugreifen. Es fand kein Angriff statt, daher wollte der Typ sein Geld zurück ... Übrigens, dieser Mr. Llama gab das erstaunliche Interview am selben Tag, an dem ein halbes Dutzend Afro-Amerikaner und einige Haitianer in Miami verhaftet wurden, weil sie angeblich die Absicht gehabt hatten, die Sears Tower anzugreifen. Doch sie hatten weder Waffen, noch Geld, noch präzise Pläne.
Aber Mr. Llama kann ins Miami-Fernsehen gehen, seine stornierten Schecks zeigen, offen über Bomben sprechen, und es passiert nichts. Übrigens wurden diese terroristischen Pläne bei der Verhandlung gegen die Fünf vorgetragen. Sie hatten versucht, diese Pläne, Waffen und Sprengstoffe ausfindig zu machen.
Daher ist die Verleugnung terroristischer Anschläge aus Miami gegen Kuba die schlichte Missachtung der Realität. Sogar die US-Regierung hat zugegeben, dass man unter bestimmten Umständen gegen das Gesetz verstoßen muss, um Menschenleben zu retten.
Es ist wahr, dass sich die Fünf nicht beim Justizministerium als kubanische Agenten registrieren ließen. Sie verstießen gegen US-Gesetze. Aber sie haben schon acht Jahre verbüßt - mehr als die Höchststrafe für den diesen Gesetzesbruch. Einige der Fünf benutzten falsche Namen und Dokumente. Das ist auch ein Verstoß [gegen U.S.-Recht]. Aber sie verstießen gegen bestimmte Regeln, um die terroristischen Pläne aufzudecken und Leben zu retten.

Also Sie behaupten, dass sie nie kubanische Spione waren, die gegen die US-Regierung arbeiten?

Sie haben gearbeitet, um Terroranschläge gegen die kubanische Nation aufzudecken. Wo ist der Beweis für Spionage? Wo ist der Beweis für Verschwörung, Spionage begehen zu wollen?
Leonard Weinglass, einer der Anwälte, hat gesagt, dies sei der erste Fall von angeblicher Spionage in der amerikanischen Geschichte, ohne eine einzige Seite eines geheimen Dokuments.
Die Regierung hat nie einen Beweis für ein gestohlenes Dokument oder den Versuch, ein Dokument zu stehlen, präsentiert. Dies ist der erste Spionagefall ohne Geheimpapiere der Regierung. Die einzigen Geheimnisse, die die Fünf aufdeckten, hatten mit verdeckten Aktionen der in Miami ansässigen Terrorgruppen zu tun.

Was zum Beispiel, mein Herr?

Die eine [verdeckte Aktion], die ich vorher schon erwähnte. Das Beweismaterial, das während des Verfahrens präsentiert wurde, enthielt Botschaften, die zwischen (dem Angeklagten) Gerardo Hernández und Havanna ausgetauscht worden waren und Details des Anschlags enthielten. Statt die Anstifter zu suchen, suchte die US-Regierung diejenigen, die den Anschlag aufgedeckt hatten.
Der Schutz dieser Regierung ist es, was Leute wie Mr. Llama glauben lässt, es wäre nichts falsch daran, Waffen und Sprengstoff zu kaufen und die kubanische Regierung mit Terroranschlägen anzugreifen. Auf der einen Seite wurden diese Leute von Staatsanwälten der Regierung in einem Bundesgericht verteidigt. Auf der anderen Seite gibt die Regierung vor, dass es für diese fünf Männer möglich gewesen wäre, in Miami ein faires Verfahren zu bekommen, nachdem Sie diese Anschläge aufgedeckt hatten.

Waren Sie über diese Entscheidung überrascht?

Ehrlich gesagt, nein. Wir haben das aus verschiedenen Gründen erwartet. Erstens, während der mündlichen Anhörung vor einigen Monaten zeichnete sich ein Aufeinanderprallen verschiedener Ansichten ab, und wir sahen, dass es Richter gab, die die Entscheidung von Miami unterstützen.
Zweitens, dieses spezielle Berufungsgericht ist für seine Haltung zugunsten der Staatsanwaltschaft gekennzeichnet und hat in anderen Berufungen selten gegen die Regierung entschieden. Und da dieser Fall so hoch politisiert war, waren wir nie sehr optimistisch. Bestenfalls hatten wir diese gespaltene Entscheidung mit der Mehrheit gegen die Fünf erwartet.
Was mich überraschte war der Ton - wie die eine Seite die Entscheidung von Miami einfach absegnet, während die beiden abweichenden Richter der Kritik an der Ansicht ihrer Kollegen genau soviel Platz widmen.
Also, obwohl wir nie sehr optimistisch waren, hatten wir gehofft, die Richter von Atlanta würden die Voreingenommenheit erkennen, wenn man ein solches Verfahren in Miami abhält. Vergessen Sie nicht, dass diese Männer während der Hysterie vor Gericht gingen, die durch den Fall von Elián González entstanden war. Tatsächlich hat die US-Regierung ein Jahr nachdem die Fünf vor Gericht standen, in einem Fall, der mit Elián zusammenhing, einen Wechsel des Gerichtsortes verlangt - mit der Begründung, dass niemand in Miami ein faires Verfahren bekommen könne, der etwas mit Kuba zu tun hat. Die abweichenden Richter haben Fall der Fünf sogar ausdrücklich auf diese Punkt hingewiesen.

Sie scheinen zu glauben, die Fünf wären heute nicht im Gefängnis, wenn ihre Verfahren aus Miami verlegt worden wären.

Ich glaube, dass jeder andere Bundesrichter in irgend einer anderen Stadt, das Verfahren einfach eingestellt hätte - insbesondere, wenn er erfahren hätte, dass diese Burschen die ersten 17 Monate ihrer Haft in Isolationshaft verbracht hatten.
Ihnen wurde der Kontakt mit der Außenwelt versagt, ihnen wurde der Kontakt zu ihren Anwälten versagt, ihnen wurde der Zugriff auf das Beweismaterial versagt. Jedes Gericht außerhalb Miamis hätte allein wegen dieser Verstöße das Verfahren eingestellt.
Sogar eine Untersuchung des Falles durch die Vereinten Nationen ergab, dass ihre Haft willkürlich sei. Die UN-Arbeitsgruppe für Willkürliche Verhaftungen befand, dass das Verfahren nicht in einem Klima von Objektivität und Unbefangenheit stattgefunden habe, und hat die US-Regierung aufgefordert, diese Situation abzustellen.

Mary Murray ist Aufnahmeleiterin der NBC News in Havanna, Kuba. Die Associated Press hat zu diesem Bericht beigetragen.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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