The Nation, 26. April, 2007
Terror und die TerrorabwehrVon Peter Kornbluh
Am 17. November 2000, kurz nachdem er für den Iberoamerikanischen Gipfel in Panama Stadt angekommen war, hielt Fidel Castro eine Pressekonferenz ab, um bekannt zu geben, dass der legendäre Terrorist Luis Posada Carriles ebenfalls nach Panama gekommen war - in einer Mordmission. In der Folge stellten die kubanischen Behörden ein Video zur Verfügung, das Posada und drei Mitverschwörer bei einem Treffen vor ihrem Hotel zeigte. Innerhalb von 48 Stunden fanden die panamaischen Behörden einen Turnbeutel mit 33 pounds (knapp 15 kg) C4-Sprengstoff, den Posada augenscheinlich dazu benutzen wollte, um das Auditorium, in dem Castro eine Ansprache halten sollte, in die Luft zu sprengen.
Wie erfuhr die Regierung Castro von Posadas Anschlag? Der kubanische Geheimdienst, bekannt unter der Bezeichnung DGI (Dirección General de Inteligencia), hatte einen hochkarätigen Maulwurf in einer der Exilantengruppen, der über die Entwicklung des Mordanschlags berichtet hatte. Das kubanische Spionageprogramm hat Dutzende von Menschenleben gerettet und einen Akt von internationalem Terrorismus verhindert. Wahrscheinlich sah sich Kuba in den letzten 50 Jahren häufiger als jede andere Nation ständigen Bedrohungen und tatsächlichen Attentatsversuchen, Sabotageakten, bewaffneten Angriffen und Bombenanschlägen, darunter die infame Sprengung eines kubanischen Passagierflugzeugs 1976, ausgesetzt. (CIA- und FBI-Dokumente bringen Posada, der einst von der CIA als Ausbilder im Umgang mit Sprengstoffen bezahlt worden war, als Anstifter des Anschlags in Verbindung damit.) Auch lange nachdem die CIA ihre direkten Bemühungen, das Castro-Regime zu stürzen und ihre Führung zu vernichten, aufgegeben hatte, setzen militante anti-Castro-Gruppen ihre Kampagne der Gewalt weiter fort. Nachdem er 1977 eine Sondersendung der CBS mit dem Titel "Die Geheimarmee der CIA" über gewalttätige Kubaner in Florida gesehen hatte, zeigte sich Präsident Jimmy Carter laut einem kürzlich freigegebenen Memorandums des Weißen Hauses "entsetzt bei dem Gedanken, dass Personen US-Territorium als Basis für Terroranschläge nutzen könnten." Sogar in der Welt nach 9/11 wird US-Boden für derartige Zwecke genutzt. Posadas führender finanzieller Wohltäter in Miami, Santiago Alvarez, wurde noch im November 2005 mit einem Arsenal von militärischem Ausmaß mit Maschinengewehren, Granaten, Schalldämpfern, Sprengstoff und Tausenden Kartuschen mit Munition erwischt - was zu Spekulationen führte, dass gewalttätige Exilanten eine weitere mächtige Operation gegen Kuba planten. Genau wie die CIA ihre Bemühungen, die Al Kaida zu unterwandern, nach 9/11 verstärkte, so stellte das DGI beträchtliche Ressourcen zur Verfügung, um die Hardliner unter den Anti-Castro-Organisationen in Miami zu infiltrieren und die Aktionen von Alvarez und anderen Führern des Exils, mit einer ellenlangen Liste von Gewalttaten, zu beobachten. Mitte der 1990er Jahre schickte Kuba mehr als ein Dutzend Agenten nach Florida, um den Spionagering mit Namen "Red Avispa" [Wespennetz] einzurichten. Die meisten der Agenten sollten Gruppen wie die "Cuban American National Foundation" [Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung], "Brothers to the Rescue" [Brüder zur Rettung] und Alpha 66 unterwandern, einer, Antonio Guerrero, wurde als Metallarbeiter auf der Luftwaffenbasis Boca Chica angestellt, wo er die Typen der Flugzeuge, die landeten und abflogen, aufzeichnete und die Zahl der Aktivitäten auf der Basis beobachtete. Im September 1998 schritt das FBI ein. Fünf Agenten - Guerrero, Fernando González, Gerardo Hernández, René González und Ramón Labañino - die man heute unter dem Namen die "Cuban Five" kennt - wurden verhaftet, für 17 Monate in Isolationszellen geworfen, angeklagt wegen "Verschwörung Spionage begehen zu wollen" (weil es keine Beweise dafür gab, dass sie geheime US-Informationen gesammelt hätten) und zu Höchststrafen von 15 Jahren bis zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt. Als ein dreiköpfiges Richtergremium des "Eleventh Circuit Court of Appeals" im August 2005 ihre Verurteilungen aufhob, nachdem es einstimmig zu dem Schluss gekommen war, die Fünf hätten kein faires Verfahren erhalten, forderte das Büro von Justizminister Alberto Gonzales sofort den gesamten Gerichtshof auf, dieses Urteil zu widerrufen. Gonzales' konzertierte Anstrengungen, die Fünf kubanischen Spione im Gefängnis zu belassen, steht in völligem Widerspruch zu seiner Untätigkeit, Posada hinter Gittern zu halten. Nachdem er im August 2004 in Panama begnadigt worden war, schlich sich Posada im März 2005 in die Vereinigten Staaten ein und bat um politisches Asyl. Verhaftet wurde er erst als sein terroristischer Hintergrund öffentlich wurde - das meiste durch freigegebene Dokumente der CIA und des FBI, die auf der Website meiner Organisation, des National Security Archive, erschienen - was die Glaubwürdigkeit der Bush-Administration in ihrem "Krieg gegen den Terror" zu untergraben drohte. Aber Gonzales weigerte sich, Posada nach den Vorgaben des Patriot Act als Terroristen einzustufen - eine Einstufung, die es der Regierung erlauben würde, Posada für immer festzuhalten. Stattdessen behandelt das Justizministerium ihn nur als einfachen illegalen Einwanderer, der nur dafür angeklagt wird, dass er über die Art seiner Einwanderung gelogen hat. Da er lediglich der Täuschung der Einwanderungsbehörde beschuldigt wird, ist es nicht überraschend, dass seine Anwälte drei verschiedene Gerichte davon überzeugen konnten, dass er freigelassen werden sollte. Am 19. April hinterlegte er eine Kaution von 350.000 $ und kehrte nach Miami zurück. Der Mann, den das selbe Justizministerium in Gerichtsakten als "einen reulosen Kriminellen und geständigen Anstifter von Terrorakten" bezeichnet hat, lebt nun gemütlich unter Hausarrest bis zu seinem Verfahren am 11. Mai. In Kuba wurden die Forderung nach der Befreiung der Fünf und der Strafverfolgung von Posada zum "cause célèbres" [Anlass größter Wichtigkeit]. Das erste, was Reisende nach ihrer Ankunft auf dem Internationalen Flughafen "José Martí" außerhalb Havannas sehen, ist ein gewaltiges Plakat mit Fotografien der "Helden der Republik Kuba" und der Forderung "Freiheit für die Cuban Five". Ähnliche Hinweistafeln schmücken die Wände der wichtigsten Hotels. Gewaltige Kundgebungen wurden abgehalten, auf denen Gerechtigkeit für die vielen Opfer Posadas gefordert und die Scheinheiligkeit der USA beklagt wurde, diesen in das Haus seiner Frau in Miami zu entlassen. Fidel Castro klagt die Bush-Administration vom Krankenbett aus an, ein "Monstrum" befreit zu haben. Die Fünf werden immer wieder als politische Gefangene bezeichnet. Tatsächlich sollte man die Fünf besser als Agenten gegen den Terror verstehen, deren Ziel es war, Kubaner und andere unschuldige Opfer vor der Gewalt, die von Terroristen wie Luis Posada ausgeht, zu schützen. Der Umgang der Bush-Administration mit diesen historisch nicht zu trennenden Fällen erinnert daran, dass, wenn es um Kuba geht, US-Politiker es ablehnen, den Unterschied zwischen denen, die Terrorakte begehen und denen, die versuchen, sie abzuwehren, zu unterscheiden. Deutsch: ¡Basta Ya!
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