Slate
[eine der Washington Post Company angeschlossene Internetzeitung, die das Zeitgeschehen kritisch unter die Lupe nehmen will, Anm. d. Ü.]

Der "Bill Ayers" der GOP?

[Abkürzung für Grand old Party oder republikanische Partei, Anm. d. Ü.]

Die Kampagne von McCain hat ihre eigenen fragwürdigen Verbindungen zu Bombenlegern und Attentätern.

Von A.L. Bardach
Eingeschickt am 15. Oktober

Die Wahlkampagne von John McCain hat Barack Obamas Beziehung zu dem ehemaligen Bombenleger der linken "Weather Underground" [Untergrundbewegung] während des Vietnamkrieges und heutigen Universitätsprofessors [für Erziehungswissenschaften] Bill Ayers aufs Korn genommen, den die Republikaner einen "uneinsichtigen Terroristen" nennen. Jawohl, die Obama-Ayers-Verbindung ist in den Mittelpunkt der McCain-Palin-Kampagne gerückt. Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin erwähnt Ayers praktisch bei jedem öffentlichen Auftritt, und John McCain hat so gut wie versprochen, Ayers in die Debatte des heutigen Abends [Nacht auf den 16. Oktober unserer Zeit, Anm. d. Ü.] einzubringen.
McCains Kampagne hat jedoch ihre eigene fragwürdige Verbindung zu Terroristen. Seit John F. Kennedys Invasion der Schweinebucht scheiterte, wurden Floridas Cubano-Amerikaner als verlässlicher Wählerstamm für die Republikaner angesehen. Und von 1960 bis zum 11. September 2001 unterstützten einige Exil-Hardliner in Miami die Doppelmoral in Sachen Terrorismus, in der Anti-Castro-Kämpfer und -Bombenleger als "Freiheitskämpfer" beurteilt wurden, ungeachtet des Todes von Zivilisten und des Kollateralschadens, den sie in Kuba und in den Vereinigten Staaten sowie anderenorts verursachten. Während die cubano-amerikanische Gemeinde sich dramatisch verändert hat - wonach nun die Mehrheit den Dialog mit Kuba und das Ende der Reisebeschränkungen und Beschränkungen von Geldüberweisungen befürwortet - sitzen die Hardliner in Miami immer noch an den Hebeln der Macht. Dem entspricht ihre Schlagkraft, mit der sie den zuverlässigen Wählern offenbarten, dass McCain seinen Standpunkt von 2000, als er noch sagte, er wolle die Normalisierung der Beziehungen sogar unter Fidel Castro zu Kuba unterstützen. ("Ich wäre bereit, dasselbe zu tun, was wir mit Vietnam taten."), fallen ließ. McCain hat sich bei seiner Kampagne mit dem Cuban Liberty Council [Kubanischer Freiheitsrat] verbündet, einer kompromisslosen Anti-Castro-Gruppe, die die Politik von George W. Bush quasi diktiert hat. Zwei der prominentesten Ratsmitglieder, die Medienfrontfrau Ninoska Perez-Castellon und ihr Ehemann Roberto Martin Perez, gehören zu den sich der Kampagne McCains am meisten verpflichtet Fühlenden und zu deren Vorkämpfern in Miami.
So kommt es, dass McCains Kampagne und seine Berater als Verbündete mit und/oder als Unterstützer der Militanten ertappt werden können, die Taten begangen haben, die jeder vernünftige Beobachter als Terrorismus bezeichnen würde. Am 20. Juli hat Senator Joe Liebermann während seiner Kampagne für McCain in Miami und kurz vor einer entsprechenden Ansprache auf einer McCain-Versammlung sich mit der Ehefrau des verurteilten Serienbombenlegers Eduardo Arocena getroffen und ihr versprochen, sich für dessen Begnadigung durch den Präsidenten einzusetzen. Arocena ist der Gründer der berüchtigten militanten kubanischen Exilgruppe Omega 7, bekannt für eine Reihe von Bombenattentaten von 1975 bis 1983. Arocena wurde wegen seines 1980 in Manhattan begangenen Mordes an dem kubanischen Diplomaten verurteilt. 1983 wurde Arocena verhaftet und in 42 Punkten angeklagt, sie betrafen Verschwörung, Besitz von Bomben und Schusswaffen und die Zerstörung ausländischen Eigentums in den Vereinigten Staaten. Er verbüßt zurzeit in einem Bundesgefängnis in Indiana lebenslänglich. Zu seinen Anschlagszielen gehörten:
  • Madison Square Garden (er sprengte ein nahegelegenes Warenhaus);
  • JFK airport (Arocenas Gruppe legte eine Kofferbombe, die eine Fluglinie der TWA auf dem Flug nach Los Angeles sprengen sollte - aus Protest gegen deren Flüge nach Kuba. Das Flugzeug wäre explodiert, wenn die Bombe nicht vor ihrer Platzierung im Flugzeug auf der Rollbahn hochgegangen wäre);
  • Avery Fisher Hall am Lincoln Center (beschädigte drei Etagen des Theaters und verhinderte die Aufführung einer Musikgruppe aus Kuba);
  • das Reisebüro der sowjetischen Fluglinie Aeroflot;
  • und eine Kirche.

Er versuchte auch den kubanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen zu ermorden.

Arocena wurde ebenfalls für den Mord von 1979 an einem Einwohner von New Jersey Eulalio José Negrín verurteilt. Der 37-jährige Negrín, der die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Kuba befürwortet hatte, wurde mit einem Maschinengewehr niedergeschossen, als er gerade in sein Auto einstieg und starb in den Armen seines 13-jährigen Sohnes.
Dennoch wurde Liebermann, der seinerzeit McCains erste Wahl als Vizepräsident war und von dem jetzt gesagt wird, dass er McCains Liste der Außenministerkandidaten anführt, per Video erwischt, wie er Miriam Arocena verspricht, in Washington eine Petition zur Begnadigung ihres Ehemannes einzureichen.
[Zitat aus dem o.g. Video:] "Es ist meine Verantwortung, es ist meine Verantwortung. Ich werde (den Petitionsantrag) ausführen. Ich werde es durchziehen," so sagte Lieberman zu Arocena, kurz bevor er eine Ansprache vor einer Gruppe auf einer McCain-Versammlung hielt. "Ich denke so an Sie, als gehörten Sie zu meiner Familie. Ich werd' s durchziehen. Ich tu' mein Bestes."
Auf Nachfrage erhob ein Sprecher Liebermans Einspruch dagegen und sagte gegenüber AP: "Senator Lieberman greift nicht in Strafprozesse ein, auch nicht durch Gnadengesuche. Die Korrespondenz wurde nur weitergeleitet, ohne jeglichen Kommentar, Nachtrag oder irgendwelche Unterstützung."
Ein weiterer Wortführer einer Begnadigung Arocenas ist das CLC-Mitglied Roberto Martin Perez, der eine Werbesendung für McCain über Castro kommentiert, die in Südflorida vorgeführt worden ist. Seine Ehefrau, Radiomoderatorin Ninoska Perez-Castellon, sagt, dass die McCain-Kampagne sie darum gebeten habe, auch einen Fernsehspot zu machen.
Der Anwalt aus Miami Alfredo Duran, Schweinebuchtveteran und Leiter des Cuban Committee for Democracy, erklärt die Strategie der Republikaner so: "Sie denken, dass die Arocena-Kampagne eine bestimmte Gruppe der ultrakonservativen Exilgemeinde aktiviert, was McCain und der republikanischen Partei dann nützen wird."
Arocena ist nicht der einzige Streiter, der Hilfe aus McCains Team erhält. Im September verkündete McCain, dass er gerade Lincoln Diaz-Balart, ein republikanisches Kongressmitglied aus Miami, zu seinem obersten Berater und Sprecher in Sachen Lateinamerika gewählt habe. Der Republikaner Diaz-Balart ist ein scharfer Hardliner in Sachen Kuba, der verschiedentlich eine Blockade der Insel befürwortete, sogar Militäreinsätze wenn nötig, um Fidel Castro (seinen früheren Onkel, der einst Diaz-Balarts Tante heiratete) zu stürzen. Auch er ist ein Unterstützer einer gewissen Sorte von Terroristen, die auf amerikanischem Boden zugeschlagen haben. Seit 2000 haben er und seine Kollegin, die Republikanerin Ileana Roslehtinen dafür geworben und dabei geholfen, etliche verurteilte Terroristen aus U.S.-Gefängnissen zu befreien. Unter den berüchtigtesten waren die Omega-7-Mitglieder José Dionisio Suarez Esquivel und Virgilio Paz Romero, beide wegen ihrer Rolle bei der 1976 mit einer Autobombe in Washington D.C. begangenen Ermordung des chilenischen Diplomaten Orlando Letelier und seiner amerikanischen Kollegin Ronni Moffitt. Nach Aussage von vier Agenten, die ich interviewte, verdächtigt das FBI das Paar auch anderer Bombenattentate und Anschläge. (Suarez ist unter seinem Spitznamen "Charco de Sangre" - Blutlache - bekannt.)
Diaz-Balart drängte auch auf die Freilassung von Valentin Hernández, der im Februar 1975 einen Einwohner Miamis und kubanischen Emigranten Luciano Nieves niederschoss, weil er sich für die Unterstützung eines Dialoges mit Kuba ausgesprochen hatte. Hernández hatte Nieves auf dem Parkplatz eines Krankenhauses in Miami aufgelauert, nachdem dieser dort seinen elfjährigen Sohn besucht hatte. Hernández tötete bei einer internen Fehde des weiteren auch den früheren Präsidenten der "Schweinebucht-Gesellschaft". Hernández wurde 1977 auf Puerto Rico gefasst und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Heute lebt Hernández frei in Florida.

Noch hat McCains oberster Berater Diaz-Balart je gezögert, um die Anwendung von "Rechtsstaatlichkeit" auf die legendären Bombenleger und Möchte-gern-Castro-Mörder Luis Posada Carriles und Orlando Bosch zu ersuchen. Beide waren des Bombenattentates von 1976 auf die kubanische Fluglinie angeklagt, das 73 zivile Passagiere tötete - der erste Terroranschlag auf den Flugverkehr in Nord-, Süd- und Mittelamerika. Als ich ihn 2005 nach denen fragte, die dabei umkamen - viele von ihnen waren Sportler im Teenageralter - antwortete Bosch: "Wir waren im Krieg gegen Castro, und im Krieg ist alles erlaubt."
Nach Verbüßung von neun Jahren "entkam" Posada dank einer Bestechung des Aufsehers aus dem Gefängnis in Caracas, Venezuela. In seinen Memoiren, Los Caminos del Guerrero [Die Wege des Kriegers], bedankt sich Posada überschwänglich bei mindestens zwei Mitgliedern des Cuban Liberty Council für deren Hilfe bei der Wiedereingliederung während seiner einstigen Tage auf der Flucht. Bosch erlangte, nachdem er 11 Jahre verbüßt hatte, einen Freispruch (diesem waren Morddrohungen an verschiedene Richter vorausgegangen, die den Fall angehört hatten). Hunderte von Seiten eines Memorandums des FBI, der CIA und des State Department, die von den National Security Archives freigegeben wurden, lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass die U.S.-Behörden vollkommen mit denen von Venezuela, Trinidad und dem kubanischen Geheimdienst darin übereinstimmen, dass die beiden Männer das Flugzeugbombenattentat federführend geplant hätten.
Der ehemalige U.S.-Justizminister Richard Thornburgh beschreibt Bosch, der vier Jahre in einem Bundesgefängnis verbrachte, weil er 1988 eine Panzerfaust in einen polnischen Frachter im Hafen von Miami geworfen hatte, der auf dem Weg nach Havanna war, als einen "unverbesserlichen Terroristen" und befürwortete, als dieser 1988 in Miami auftauchte, dessen sofortige Ausweisung. Aber es gab politische Erwägungen in Miami. Ros-Lehtinen, die damalige Kongressmitgliedsanwärterin und jetzige republikanische Leiterin des Ausschusses für ausländische Angelegenheiten, pries Bosch als einen Helden und Patrioten. Nachdem sie dann persönlich für den damaligen Präsidenten George Bush geworben hatte (auf einer Versammlung mit ihrem Kampagnenmanager Jeb Bush, die von den Medien Miamis erwähnt wurde), überstimmte Bush das FBI und das Justiz- und Außenministerium und gewährte Bosch das U.S.-Aufenthaltsrecht.
1998 interviewte ich Luis Posada in Aruba für eine investigative Serie in der New York Times, in dem er behauptete, während seines 50-jährigen Krieges zum Sturz Castros zahlreiche Anschläge sowohl auf Zivilisten als auch auf militärische Ziele begangen zu haben. Vor allem nahm Posada das Verdienst für sich in Anspruch, die Bombenanschläge von 1997 auf kubanische Hotels, die einen italienischen Feriengast töteten und elf weitere Menschen verwundeten, maßgeblich organisiert zu haben.
Posada unternahm im November 2000 seinen letzten gescheiterten Versuch, Fidel Castro zu eliminieren, nämlich auf dem Ibero-Amerikanischen Gipfel in Panama. 2004, nach seinem Prozess und seiner Verurteilung, schrieb Diaz-Balart (gemeinsam mit seinem Bruder, dem Republikaner Mario Diaz-Balart und Roslehtinen) mindestens zwei offizielle Briefe vonseiten der Behörden des U.S.-Kongresses an die panamaische Präsidentin Mireya Moscoso, die um die Freilassung Posadas und seiner Mitarbeiter ersuchten. "Wir bitten respektvoll um Ihre Begnadigung von Luis Posada Carriles, Guillermo Novo Sampol, Pedro Crispin Remon und Gaspar Jimenez Escobedo," hieß es in einem Schreiben. Am 24. August 2004 erhielten Posada und seine Komplizen - alle mit anschaulichen Strafregistern - von der scheidenden Moscoso in letzter Minute eine Begnadigung.
Posadas Unterstützer sagen mir, dass ihm von etlichen Exilführern Miamis heimlich versichert wurde, dass ihm wie Bosch ein Leben in Freiheit in den Vereinigten Staaten gewährt würde. Noch als Flüchtiger schlich er sich 2005 in Miami ein. Aber nach der internationalen Empörung über seine Freilassung, wurde im Januar 2006 eine Grand Jury in Newark, New Jersey, eingesetzt, um die Beweislage gegen Posada wegen der Bombenanschläge auf Hotels in Havanna anzuhören. FBI-Ermittler bezeugten, dass Posada ein paar Wochen vor den Bombenanschlägen Plastiksprengstoff in Shampoo-Flaschen und Schuhen nach Kuba einschmuggelte. Für Millionen von Dollars haben Dutzende Zeugen über zweieinhalb Jahre lang vor der Grand Jury ausgesagt. Am 19. und 20. September 2007 boten zwei zur Aussage genötigte Zeugen vernichtende Beweise, die Posada und seine Komplizen belasteten.
Aber die Politik des Wahljahres scheint diesen Fall überlagert zu haben. Einer der Anwälte von Posadas Kameraden in diesem Fall, teilte mir mit, dass die Angeklagten im vorigen Jahr Empfehlungsschreiben erhielten und dass sie vom FBI davor gewarnt worden seien, dass sie Ende 2007 angeklagt würden. Jetzt sagt er, es sei sicher, dass wegen der Wahlen 2008 und wegen des Schadens, der McCains Erfolgsaussichten, den Diaz-Balarts und Ros-Lethinen zugefügt würde, nichts passiere. Ein anderer Anwalt von Posada sagte mir, dass ihm versichert worden sei, dass Posadas Fall auf der "höchsten Ebene" des Justizministeriums gehandelt würde.

In der Zwischenzeit hat sich Posada wieder in Miami angesiedelt. Im November 2007 richtete der "Big Five Club", eine erlesene Gaststätte für Miamis Strippenzieher, zu Posadas Ehren und der seiner Waffenbrüder wie der Letelier-Mörder José Dionisio Suárez eine Kunstausstellung und Spendensammlung aus. Am 2. Mai 2008 gab es eine weitere Gala für Spender zu Ehren von Luis Posada im "Big Five Club". Lincoln Diaz-Balart und Ros-Lehtinen waren beide eingeladen.
Einen Monat danach besuchte ein entspannter und großspurig auftretender Posada eine Veranstaltung zu Ehren eines kubanischen Dissidenten. Nur wenige Plätze von ihm entfernt, mitten im Kreis des Gläserklangs, waren die Republikanischen Vertreter Lincoln Diaz-Balart und Ros-Lehtinen. Sollte sich das Gespann McCain-Palin im November durchsetzen, werden sich diese nervtötenden anhängenden Anklagen gegen Posada sehr wahrscheinlich erledigen.

Ann Louise Bardach hat die "interrogations" [Verhöre] Kolumne von Slate und ist Autorin von "Without Fidel" A Death Foretold in Miami, Havana, and Washington ["Ohne Fidel - Eine Todesvohersage aus Miami, Havanna und Washington], zur Veröffentlichung im April und "Cuba Confidential: Love and Vengeance in Miami and Havana" [Kuba vertraulich: Liebe und Rache in Miami und Havanna].
Article URL: http://www.slate.com/id/2202183/

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb)

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