Anträge an den Supreme Court behaupten, kubanische Spione hätten ein unfaires Verfahren in Miami bekommen.John Pacenti, 20. März 2009
Nobelpreisträger, Wissenschaftler und internationale Organisationen haben den Supreme Court mit Anträgen zugunsten von fünf verurteilten kubanischen Spionen überschwemmt und behaupten, die Angeklagten wären von Anfang an behindert worden, weil das Verfahren von Miami in einer Stadt stattgefunden habe, die sich seit Jahrzehnten durch Anti-Castro-Eifer auszeichnete.
Ein Dutzend "Amicus Briefs" [Schriftstücke von Freunden des Gerichts] konzentrieren sich hauptsächlich auf die Weigerung von Richterin Joan Lenard, einem Antrag der Verteidigung stattzugeben, das Verfahren 25 Meilen weiter nördlich nach Fort Lauderdale zu verlegen. Ihre Ablehnung "führte dazu, dass Geschworene aus einem Querschnitt einer in Leidenschaft entflammten, von Vorurteilen durchsetzten, von Gewalt eingeschüchterten und von der Bosheit der öffentlichen Meinung bedrohten Gemeinde ausgesucht wurden," lautet es im Antrag der Civil Rights Clinic at Howard University School of Law in Washington, D.C. Der Antrag aus Howard habe die kubanisch-amerikanische Gemeinde besonders beleidigt, sagte Roland Sanchez-Medina, der Präsident der Cuban American Bar Association. Sollte der Supreme Court entscheiden, den Fall anzuhören, sagte er, werde seine Organisation mit einem eigenen "Amicus Brief" reagieren. "Offensichtlich haben sie keinerlei aktuelle Nachforschungen über die kubanisch-amerikanische Gemeinde angestellt," sagte er. "Das ist unglaublich aufrührerisch, ignorant und völlig ohne Grundlage." Ed Guedes, ein Mitglied der CABA und Partner von Greenberg Traurig in Miami, sagte, der Howard-Antrag sei hochgradig bedauerlich, zutiefst demoralisierend und überraschend, da er von Anderson Bellegarde Francois, Professor an der Civil Rights Clinic, und Kurt L. Schmoke, Dekan und Professor der Jurafakultät, verfasst worden sei. "Man hätte weniger Übertreibung, weniger Klischees und wesentlich mehr ethische Sensibilität besonders von diesen Autoren erwartet," sagte Guedes. Der 11th U.S. Circuit Court of Appeals bestätigte die Entscheidung des Gerichts über den Gerichtsort, aber er benötigte ein "En-Banc-Gremium" [aller zwölf Richter], um eine Entscheidung, die ein neues Verfahren für alle Angeklagten forderte, zu revidieren. Tom Goldstein von der Akin Gump Strauss Hauer & Feld in Washington, der die Berufung für die verurteilten Spione beim Supreme Court übernommen hat, betonte, die Angeklagten hätten Unterstützung "von Menschen aus aller Welt" erhalten. Richterin Lenard entschied, Anti-Castro-Feindseligkeiten bezüglich "von Ereignissen außerhalb der Aktivitäten der Angeklagten, in die diese angeblich verwickelt waren," und irgendwelche Parteilichkeiten hätten während der Auswahl der Geschworenen ausgeschlossen werden können. "Das war eine ernsthafte Ungerechtigkeit, und es sandte alle falschen Signale über unsere Auffassung von einem fairen und unparteiischen Verfahren an die Welt," sagte Goldstein. Der Howard-Antrag besagt zwar, er behaupte nicht Miami "ist die heutige Wiederholung einer Jim-Crow-Gesellschaft oder gleichwertig mit ihr", vergleicht aber wiederholt die "Jim-Crow-Gesetze", die die Rassentrennung vorschreiben, mit der Situation in Miami während des Spionageverfahrens. (1) "Agenten der Regierung (Fidel) Castro erzeugen in den Köpfen von Geschworenen aus Miami die gleichen Ängste und die gleiche Abscheu wie schwarze Angeklagte in der Vorstellung weißer ‚Jim-Crow-Geschworener'," schlussfolgert der Antrag. Sanchez Medina beteuert: "Solche Anschuldigungen gegen eine ethnische Gruppe, wenn es um irgend eine andere als die kubano-amerikanische ginge, würden von jeder Presseveröffentlichung und jeder Organisation gegen Rassenvorurteile geschmäht werden." Die verurteilten Geheimagenten - Gerardo Hernández, Fernando González, René González, Antonio Guerrero und Ramón Labañino - befinden sich in Bundesgefängnissen verteilt auf das gesamte Land. Sie wurden 2001 als Mitglieder des so genannten "Wespen-Netzwerks", das es auf US-Militärbasen von Key West bis Tampa abgesehen hatte, verurteilt. Die Männer sagten, sie hätten Gruppen exilkubanischer Aktivisten beobachtet, um den Terrorismus in Havanna, das Ende der 1990er einer Reihe von Bombenattentaten ausgesetzt war, zu vereiteln, und sie hätten sich nur auf öffentlich zugängliche Information auf U.S.-Militärgelände konzentriert. Gerardo Hernández war auch wegen der Informationsweitergabe über die Anti-Castro-Gruppe, der Brothers to the Rescue [Brüder zur Rettung], bevor 1996 zwei von deren Kleinflugzeugen von einer kubanischen MiG über internationalem Gewässer abgeschossen worden und dabei die vier Männer an Bord getötet worden waren, wegen Mordverschwörung verurteilt worden. Die Gerichtsverhandlung fand während einer wieder aufflammenden Anti-Castro-Kampagne statt. Denn die U.S.-Regierung hatte den sechsjährigen Elian González seinen Verwandten in Miami mit Gewalt genommen und ihn seinem Vater in seinem Herkunftsland Kuba zurückgegeben. Es gelangte letztlich kein Cubano-Amerikaner in die Jury, die Verteidiger sagen jedoch, die Gemeinde habe deren Anwesenheit bekannt gegeben. "Jeder in dieser Gemeinde arbeitet mit jemandem, der ein Cubano-Amerikaner ist oder für jemanden arbeitet, der Cubano-Amerikaner ist. Deine Kinder gehen mit ihnen zur Schule," sagte der Anwalt von Hernández, Paul McKenna von McKenna and Obront in Miami. "Sie können nicht von einem Urteilsspruch zugunsten von Castros Spionen zurückkehren und mit heiler Haut davonkommen." Abgesehen von der Angelegenheit des Gerichtsorts, bittet die Goldstein-Petition das Gericht, die Entscheidung von Richterin Lenard über den Einfluss der Staatsanwaltschaft durch "peremptory strikes" [das Recht, Geschworene ohne Angabe von Gründen abzulehnen, Anm. d. Ü.] auf die Zusammensetzung der Jury nach Rassenherkunft zu überprüfen und die Voraussetzung für die Mordverschwörungsanklage gegen Hernández. Außerdem sagte Goldstein, man hätte bei der Regierung beantragen sollen zu überprüfen, ob der Abschuss der Flugzeuge seitens der Luftwaffe des kubanischen Regimes geschah, nachdem diese nicht in den kubanischen Luftraum eingedrungen seien. Der im Namen von 10 Nobelpreisträgern, einschließlich des deutschen Schriftstellers Günter Grass und des Präsidenten von Ost-Timor José Ramos-Horta, eingereichte Amicus Brief teilt dem Gericht mit, dass die Verurteilungen ein schlechtes Beispiel für Länder darstellten, in denen die Gesetzesregeln noch nicht fest etabliert seien. "Die Geschworenen konnten diesen Fall nicht frei von Furcht und Einschüchterung beurteilen," besagt das 27-seitige Schriftstück. "Eine Forderung nach strikter Befolgung der Anti-Castro-Einstellung hat die Gemeinde von Miami ganz und gar für sich eingenommen." Die Bundesstaatsanwälte hätten diesen Eifer ausgebeutet, indem sie den Geschworenen mitgeteilt hätten, die kubanische Regierung habe ein starkes Interesse am Ausgang dieses Falles und die Geschworenen würden ihre Gemeinde dem unterwerfen, wenn sie die Angeklagten nicht verurteilten, so hieß es im Schriftstück der Nobelpreisträger. Um diesen Punkt zu bestätigen, zitieren die Nobelpreisträger die Zeugenaussage eines Jury-Kandidaten David Cuevas, der sagte: "Ich hätte mich ein wenig eingeschüchtert und vielleicht auch ängstlich um meine eigene Sicherheit besorgt gefühlt, wenn ich nicht mit einem Urteil nach Hause gekommen wäre, das in Übereinstimmung mit den Gefühlen der kubanischen Gemeinde gestanden hätte." Amicus Briefs Unter den Antragsstellern der Amicus Briefs an den U.S. Supreme Court zur Unterstützung von fünf kubanischen in Miami verurteilten Spionen sind Nobelpreisträger, Strafverteidiger und lateinamerikanische Gruppen. Die Schriftstücke wurden eingereicht von:
- 10 Nobelpreisträgern
Deutsch: ˇBasta Ya! (jmb, db) Fußnote: (1) Als Jim Crow Laws (dt.: Jim-Crow-Gesetze) werden in den USA Gesetze bezeichnet, die von 1876 bis 1964 Rassentrennung (vor allem zwischen Afroamerikanern und Weißen) vorschrieben. Die Zeit, in der die Gesetze bestanden, heißt auch Jim Crow period oder Jim Crow era (dt.: Jim-Crow-Ära), Wikipedia
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