CounterPunch, 17. - 19. September 2010

Diplomatischer Kraftakt oder Gesetzesbruch?

Die Bekenntnisse des Roger Noriega

Von Saul Landau und Nelson Valdés

Im Mai gab Roger Noriega, der frühere Ministerialrat der Abteilung des US-Außenministeriums für Angelegenheiten der Westlichen Hemisphäre (2003-2005) zu, er habe mit James Cason, dem Leiter der US-Interessenvertretung in Kuba (2002-2005), gegen die erklärte Politik der US-Regierung konspiriert, in Kuba "einen friedlichen Übergang in ein demokratisches, auf der Basis des Gesetzes, der individuellen Menschenrechte und eines offenen Handelsaustausches und offener Kommunikation" zu fördern. Noriega und Cason trachteten danach, auf der Insel Chaos anzurichten.
Noriega habe sich damit nicht auf einen Chaos-Plan aufgrund eines geheimen Beschlusses von Präsident Bush bezogen. Vielmehr hätten Noriega und sein Mitverschwörer zur Eigeninitiative gegriffen, um Instabilität zu schaffen. Die Bemühung führte zur Inhaftierung von 75 kubanischen Bürgern, die den Anweisungen zu dieser Chaosförderung gefolgt waren.
Am 20. Mai rühmte sich Noriega beim Fernsehsender WQBY (Miami Univison station), mit Cason Pläne geschmiedet zu haben, die kubanische Regierung dazu zu zwingen, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten abzubrechen. (Cason bewirbt sich zurzeit um das Bürgermeisteramt von Coral Gables, Florida.)
[Im Shatten des Irak-Krieges wurden die Cuban Five in ihren jeweiligen Gefängnissen in verschärfte Isolationshaft genommen. Anm. d.Ü.]
Im September 2002 wurde Cason Leiter der Interessenvertretung in Havanna. Das mexikanische Magazin "Proceso" beschrieb sein Verhalten als "den diplomatischen Regeln entgegengesetzt". Tatsächlich, "nur einen Monat, nachdem er dem kubanischen Außenministerium seine Beglaubigungsschreiben übergeben hatte, begann Cason damit, die Vertreter der internen illegalen, aber geduldeten Opposition der Castro-Regierung zu empfangen." Cason reiste über die ganze Insel und traf sich mit Dissidenten, um sie zu bitten, sich zu einem Programm, das er ihnen liefere, zu vereinigen. "Er versprach ihnen dazu auch moralische und materielle Hilfe." (La guerra en Irak hace maniobrar a la Habana," 4. April 2003)
Cason brach auch mit diplomatischen Gepflogenheiten, indem er "eine von Dissidenten organisierte politische Veranstaltung zur Beendigung des Castro-Regimes besuchte." (AFP, 24. Februar 2003)
Ein paar Tage später erklärte Cason auf einer Pressekonferenz, "er habe keine Angst" vor der kubanischen Regierung. Am 6. März 2003 nannte Fidel Castro Cason "einen Gangster mit diplomatischer Immunität", aber Kuba hätte ohne die Interessenvertretung leben können - wenn das das Ziel der US-Regierung gewesen wäre. Laut AP "könnte" Cason "auf seine Ausweisung aus sein oder auf die Schließung der Interessenvertretung, was den Trend im Kongress aufhalten würde, die Reise- und Handelsbeschränkungen hinsichtlich der Insel aufzuheben."
Der frühere Leiter der Interessenvertretung Wayne Smith (1978-1982) beschrieb Casons Verhalten als "die Taktik eines Elefanten im Porzellanladen." Smith hege "keine Zweifel, dass die Bush-Administration die Interessenvertretung schließen will, weil sie weder an Reisemöglichkeiten, Nahrungs- und Medikamentenverkauf noch an normalem Austausch interessiert ist." Er habe gehofft, dass Havanna nicht in diese Falle tappe. (Zeugenaussage vor der Finanzkommission des Senats, 4. September 2003)
Kuba wies Cason weder aus noch schloss es die US-Interessenvertretung. Stattdessen verhaftete die Polizei am 18. März 2003 die Kerngruppe von Casons kubanischen Kollaborateuren. Indem sie ein bisher nicht angewandtes Gesetz von 1999 nutzte, verhaftete sie 75 "Dissidenten".
APs Anita Snow bemerkte: "Die Razzia markierte das Ende der vergleichsweisen Nachsicht, die die kubanischen Behörden in den vorherigen Jahren übten, als unabhängige Journalisten ohne Intervention der Regierung Berichte nach Miami schickten, Dissidenten Konferenzen abhielten und Aktivisten Tausende von Unterschriften für demokratische Reformen sammelten." (22. März 2003, Reuters 6. April 2003).
Kubas Außenminister beschrieb die Verhaftungen der 75 als unvermeidlich. Cason wurde mit der bitteren Tatsache konfrontiert, dass seine Bodentruppen, denen er die Unterstützung der USA versprochen hatte, ins Gefängnis wanderten. Ohne "Dissidenten", die das Feuer der Unzufriedenheit legen konnten, fiel Noriegas Plan, Chaos zu produzieren, flach.
2010 entließ Kuba die meisten der 75. Aber hatten nicht hohe Beamte des State-Departments mit ihren Untergebenen in der Interessenvertretung konspiriert, um in Kuba Chaos zu erzeugen, weit entfernt von der "Unterstützung eines friedlichen Übergangs", wie es in der Satzung der Interessenvertretung heißt?
Noriega erzählte Roberto Rodríguez, dem Radiomoderator von "Was andere nicht aussprechen", er sei 2003 "einer der Architekten" eines Planes zur Destabilisierung Kubas gewesen. Noriega gab den Dollars, die Venezuela Havanna zur Verfügung gestellt hatte, die Schuld am Scheitern des Regierungswechsels in Kuba, "ein Lebensretter für Kuba. Ich glaube es war eine große Schande, dass das passierte."
Noriega beschrieb es so: "Wir entschieden uns für einen Wechsel, auch wenn das Chaos bedeutete. Die Kubaner hatten über Jahrzehnte zu viel Stabilität, und es ist wahr, dass die US-Bürokratie und das Militär Stabilität bevorzugten. Aber die Mitglieder meines Teams sagten, Stabilität sei der Feind und Chaos der Freund, wenn man das Regime grundlegend ändern will... Offensichtlich war Chaos nötig, um die Realität zu verändern."
Ob Bush wirklich einen Wechsel in der kubanischen Regierung gewollt habe, wollte Rodríguez wissen, oder ob er nicht gefürchtet habe, dass der Wechsel einen Massenexodus ausgelöst hätte. "Die einzige Option, die nicht auf dem Tisch lag, war eine militärische Invasion," sagte Noriega.
Er erzählte den Radiohörern: "Wir sagten unserem Freund James Cason, wenn er nur das kubanische Regime so reizen könnte, dass es ihn ausweist, und dann könnten wir damit antworten, die kubanische Interessenvertretung in Washington zu schließen." [Womit die Cuban Five ihren diplomatischen Schutz verloren hätten. Anm. d.Ü.]
Noriega verhöhnte auch noch den kubanischen Geheimdienst ... "Wir sprachen offen am Telefon und haben unsere Absichten nicht verborgen, und das ist etwas, was die US-Administration hier zur Kenntnis nehmen sollte." Aber Noriegas persönliche Wünsche wurden nicht formal anerkannt, weil sie im Gegensatz zu den Worten der Satzung der Interessenvertretung standen: friedliches und nicht feindseliges Benehmen.
Verstoßen Regierungsbeamte, die ohne verfassungsgemäße Basis konspirieren, um einen Politikwechsel zu erreichen, gegen US-Gesetz?
Können die Opfer von Noriegas Stümperei - die 75 und ihre Familien - auf Entschädigung klagen?
Sollten Roger und James juristischen Rat einholen?

Saul Landau ist Wissenschaftler am "Institut für politische Studien".

Nelson Valdes ist Professor Emeritus der Universität von Neu-Mexiko

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

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