US-Oberst Wilkerson urteilt über "amateurhafte Außenpolitik"

Deisy Francis Mexidor, 10. November 2010

Havanna, 10. November (Prensa Latina) Der von der US-Regierung geleistete Schutz für den bekennenden kubanisch-amerikanischen Terroristen, während sie Kuba gleichzeitig auf eine Liste für terroristische Staaten setzt, liefert Beispiele für Washingtons amateurhafte Außenpolitik, bekannte der pensionierte Armee-Oberst Lawrence Wilkerson, der frühere Stabschef des US-Verteidigungsministeriums unter Colin Powell von 2002 bis 2005.
Wilkerson gab Prensa Latina ein Exklusivinterview, indem er unter anderem über die seiner Meinung nach bestehenden Verbindungen zwischen den bezahlten in Kuba und Venezuela gefassten mittelamerikanischen Terroristen und Luis Posada Carriles und Orlando Bosch sprach, die ihrerseits die Protektion der US-Regierung genießen.
Es kommen neue Beweise bezüglich der kriminellen von Söldnern mittelamerikanischer Herkunft in den 1990ern gegen Kuba ausgeführten Angriffe ans Licht, die von Terroristen und anti-kubanischen Gruppen finanziert wurden, die in den Vereinigten Staaten geschützt werden.
Insbesondere die Verhaftung des salvadorianischen Bürgers Francisco Chávez Abarca im vergangenen Juli auf dem venezolanischen Flughafen Maiquetía und dessen dann folgende Überführung nach Havanna in Übereinstimmung mit einem roten Alarm von INTERPOL liefern Beweise für einen Anschlag, der Chaos verbreiten sollte, so wie für den von 1997, der den Tod des italienischen Touristen Fabio Di Celmo verursacht hatte.
Zu den von Chávez verpfiffenen Personen, die für diese Anschläge verantwortlich sind, gehörte Posada Carriles, ein Gesetzesflüchtiger der venezolanischen Justiz. Bosch und Posada Carriles leiteten die Operation, die in dem Anschlag auf ein Flugzeug der Cubana de Aviación mündete, bei der 73 Personen starben.
"Diese Männer, so scheint mir," sagte Wilkerson, "sind Terroristen genau so, wie es viele Leute sind, die wir offiziell rund um die Welt als Terroristen bezeichnen. Sie terrorisieren und töten unschuldige Zivilisten aus politischen Gründen."
Dennoch nahmen die Vereinigten Staaten als aggressivste Nation der Erde wieder Kuba, das bedrängteste Land, das keinen Beitrag zur angeblichen Förderung des internationalen Terrorismusses geleistet hat, in eine Liste auf.
Powells ehemaliger Stabschef bemerkte, dies sei "ein weiterer Hinweis auf die amateurhafte Außenpolitik, welche die US-Administrationen in wachsendem Maße zu produzieren scheinen."
Wilkerson wurde im Juni 1945 in South Carolina geboren. Er beschreibt sich selbst als "einen Soldaten und einen Staatsbürger - und der Staatsbürger kommt immer zuerst".
Er ist ein Vietnamkriegsveteran und republikanischer Herkunft.
In Bezug auf Abarcas Erklärungen sagte er, dass "wenn es einen Weg gibt zu bestätigen, was Abarca behauptet, dann sollte Posada Carriles ausgeliefert oder wegen all seiner Verbrechen in den USA vor Gericht gestellt werden."
Tatsächlich soll Posada jedoch nur wegen geringerer Einwanderungsvergehen vor Gericht gestellt werden, und er führt sein Leben in Miami weiter, wo er nicht aufgehört hat, Terroraktionen gegen Kuba anzustiften.
Mittlerweile liegt der Antrag Venezuelas auf seine Auslieferung seit über fünf Jahren vor.
Tatsächlich hätte Kuba auch das Recht, seine Auslieferung zu fordern. Vielleicht wissen viele es nicht, dass es zwei Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Kuba gibt, das eine wurde 1904 und das andere 1925 unterzeichnet. Doch bei dieser Gelegenheit lehnte Kuba es öffentlich ab, sich auf diese Abkommen zu berufen, um das Recht an Venezuela abzutreten.
Es sollte auch daran erinnert werden, dass kubanische Behörden schon am 7. Januar 1959, wenige Tage nach dem Sieg der Revolution, von den Vereinigten Staaten die Auslieferung bekannter Mörder und Folterer der besiegten Diktatur von Fulgencio Batista, die auf US-Boden geflohen waren, beantragt hatten, was ihnen aber verwehrt wurde.
Der Süden Floridas wurde von da an bis heute der bevorzugte Schlupfwinkel für Kriminelle, weil ihnen dort Straflosigkeit zugesichert wurde. Das Weiße Haus hielt sich nie an die Vereinbarungen in den Abkommen. Und in diesem Miami finden Posada Carriles und Bosch weiterhin Schutz.
Wilkerson sagt: "Als ich von 2002 - 2005 Stabschef im Verteidigungsministerium war, nahm ich etliche Berichte zur Kenntnis - über Menschenrechte, über Korruption, über staatlich geförderten Terrorismus - die genau so oft aus politischen Gründen wie aus vorgeschobenen Gründen in den Erklärungen der Vorworte zu den Berichten vervollständigt und herausgegeben worden waren."
Er fügt hinzu: "Diese politischen Gründe, hatten fast regelmäßig nichts mit aufrichtiger Kritik zu tun, aber alles mit den besonderen Interessengruppen, denen die Politiker verpflichtet waren. Ich glaube, dass Kubas Aufnahme in die Liste für Terrorismus ein leuchtendes Beispiel für solch einen Bericht ist."
Des weiteren gesteht er: "Ich fühlte mich manchmal zu einem beträchtlichen Grad beschämt hinsichtlich der Herausgabe meines Landes von bestimmten Berichten, ohne sich selbst als Gewalttäter aufzulisten. Es erschien mir sowohl arrogant als auch scheinheilig."
In Zusammenhang damit lieferte der Forscher José Luis Méndez Daten, die anzeigen, dass über 40 Jahre lang, zwischen 1960 und 2000, 49 Flugzeuge in die USA entführt wurden und 37 davon gehörten zur zivilen Luftfahrt.
Insgesamt gab es 54 Piraterien, von 49 gestohlenen Flugzeugen wurden nur 16 oder 34 Prozent wieder nach Kuba zurück geführt.

"Sehr hässliche Präzedenzfälle"

Nach der Situation von Gerardo Hernández, Ramón Labañino, Antonio Guerrero, Fernando González und René González, den politischen Gefangenen in US-Bundesgefängnissen, befragt, drückte Lawrence Wilkerson seine Unterstützung für den Kampf aus, sie zu befreien.
Er erklärte, dass er "zum ersten Mal von der Art ihrer Anklagen, ihrem Gerichtsverfahren, den drakonischen Strafurteilen für sie und den Aktionen des Appellationsgerichts in Atlanta" durch eine Belehrung an der Howard Universität in Washington, DC., "gehört" habe.
Seitdem, sagt er, "bin ich weiter an dem Fall interessiert, von dem ich glaube, dass jeder US-Bürger, der um Gerechtigkeit besorgt ist, daran interessiert sein sollte. Letzten Endes könnte einer von uns das nächste Opfer solch einer Ungerechtigkeit sein."
Der Fall der Fünf, als die diese anti-terroristischen Kämpfer international bekannt sind, hat "sehr hässliche Präzedenzfälle" geschaffen, sagte der ehemalige Beamte des Pentagons.
"Die Geschichte der US-Rechtsprechung ist durch mehrere Tiefpunkte befleckt, bei denen alles andere als Recht vollzogen wurde - das Urteil des U.S. Supreme Courts im Fall Scott * zum Beispiel, das die Sklaverei behandelte.
Allein das Versagen bei der Gewährung des Gerichtsortswechsels im Fall der Cuban Five, macht den Fall zu einem eklatanten Unrecht," betonte er.
Außerdem erklärte er, die geheimen Zahlungen "an Journalisten und andere Agenten" zur Schaffung eines gegen die Fünf voreingenommenen Klimas "stellen ein kriminelles Verhalten seitens gewisser US-Regierungsbeamter dar." Auf eine weitere Frage antwortete er: "Als Staatsbürger und Soldat habe ich 35 Jahre damit verbracht, für die US-Regierung zu arbeiten. Ich kenne die Tiefpunkte, deretwegen sie bei Gelegenheit fallen könnten, zu denen gehören unfaire Gerichtsverhandlungen.
Ich weiß, dass, wenn besorgte, informierte und intelligente Bürger nicht gegen die Ungerechtigkeit protestieren, diese aufrechterhalten und wiederkehren wird. Ich bin nicht naiv genug, um zu glauben, dass sie vollständig ausgemerzt werden könnte," merkte Wilkerson an.
Er erklärte weiter, dass er sich immer an die Worte des Obersten Richters Oliver Wendell Holmes Jr. erinnere, wonach "der Vollzug des Gesetzes, das ist, was im Gerichtssaal erreicht werden kann - Gerechtigkeit überlassen wir einer höheren Autorität."
"Doch im Fall der Cuban Five hatten wir den Vollzug spezieller Interessen und die der ihnen verpflichteten Politiker, nicht den Vollzug des Gesetzes," versicherte er.
Hinsichtlich Präsident Barack Obamas sagte er, er fühle sich "zunehmend enttäuscht, obwohl ich für ihn geworben und für ihn gestimmt habe." Laut Wilkerson "zeigt" das Oberhaupt des Weißen Hauses "einen entschiedenen Mangel an politischer und moralischer Courage bei seiner Entscheidungsfällung in diesem Punkt.
Angefangen bei seinem Versagen gegenüber der Regierung in Tel Aviv, energischer auf die Aufhaltung des Siedlungsbaus zu drängen, bis zu seinem Versagen, mit iranischen Führern zu sprechen, und bis dahin, dass er seinen Generälen hinsichtlich des Kriegs in Afghanistan in die Falle gegangen ist.
Und so hat er es nicht einmal geschafft, zu der Politik der Clinton-Administration hinsichtlich der US-Kuba-Beziehungen zurückzukehren, eine weitere traurige Entwicklung," meinte er.
Wilkerson glaubt, dass "ein US-Präsident mit der Absicht, das Rechte zu tun und nicht auf seine oder ihre Wiederwahl fixiert zu sein, könnte die Cuban Five tatsächlich befreien, letztendlich haben sie mehr als genug Zeit für den einen begangenen Rechtsverstoß verbüßt, d.h. dafür, als ausländische Agenten auf US-Boden agiert zu haben."
Bei der Reflexion aller Lösungsmöglichkeiten für den Fall, meint er: "Ich glaube nicht, dass es den politischen Mut in Washington gibt, noch je geben wird, die Entscheidung der Gerichte umzukehren oder eine erneute Verhandlung zu fordern, dadurch dass sie dem Supreme Court erlauben, den Fall anzuhören und über die wirklich schlechten Entscheidungen der niederen Gerichte zu richten.
Daher ist nur ein politisches "quid pro quo" ["was für wen oder was", Anm.d.Ü.] für alles, was ich glaube, das erreichbar ist. In dieser Hinsicht würde ich gerne einen Austausch der Cuban Five sehen ... oder zumindest eine wesentliche Kürzung ihrer Strafurteile für einen solchen Austausch."

* Wilkerson führte aus, dass die Geschichte der amerikanischen Rechtsprechung ähnliche Fälle aufweise, bei denen der Gerechtigkeit nicht genüge getan wurde. Als Beispiel nannte er die Entscheidung des US-Supreme-Courts im Fall von Dred Scott, der 1857 sein Recht auf Freiheit vor Gericht erstreiten wollte. In dem Fall lehnte das Gericht den Antrag im Interesse der Sklaverei ab.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb)

(Quelle: Prensa Latina vom 10. November 2010)

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