CounterPunch, 26. Januar 2011
Verwirrende MedienberichteAssange und Posada im PropagandasystemVon Edward S. Herman und David Peterson
Durch eine historische Fügung wurden sowohl Julian Assange als auch Luis Posada Carriles Ende 2010 und Anfang 2011 ungefähr gleichzeitig vor die westliche Gerichtsbarkeit zitiert - Assange in Großbritannien und Posada in den Vereinigten Staaten. Der Unterschied zwischen ihrer jeweiligen Behandlung durch das angloamerikanische Justizsystem und durch die etablierten Medien ist aufschlussreich.
Posada, jetzt 82, ist bekennender Terrorist, Veteran der Schweinebucht-Invasion, Absolvent der "School of the Americas" und CIA-Funktionär, der glaubhaft dokumentiert bei zwei Treffen anwesend war, als der Plan für den Bombenanschlag 1976 auf ein kubanisches Zivilflugzeug ausgeheckt wurde, bei dem 73 Zivilisten an Bord umkamen. Er war auch an zahlreichen anderen Terroranschlägen beteiligt, bei denen Menschen getötet oder verletzt und Anwesen zerstört wurden, und spielte im Waffenschmuggelnetzwerk der Vereinigten Staaten in Mittelamerika eine Rolle, die im Zuge der Ermittlungen im Iran-Contra-Skandal zutage trat. "Die CIA lehrte mich alles," teilte Posada der New York Times 1998 mit. "Sie unterrichtete uns in Sprengstoff, wie man tötet, Bomben platziert und bildete uns für Sabotageakte aus." Posada war ein Star-Schüler. Doch als langjähriger CIA-Handlanger und, bis zum letzten Jahrzehnt, Mitglied des "berüchtigten Kommandos im Anti-Castro-Untergrund". Das US-Justizwesen hat Posada jedoch nie für ein Verbrechen in Verbindung mit Terrorismus oder den Tod von Zivilisten belangt, sogar obwohl ein ehemaliger FBI-Antiterrorismus-Experte, der den Sprengstoffanschlag auf das kubanische Flugzeug untersuchte, behauptet, dass Posada "bis über beide Ohren" in deren Planung verwickelt war. Das kommt sicher daher, dass sein Töten und seine Bombenattentate gegen Ziele der US-Politik begangen wurden und dass dies ganz sicher die CIA in Mitleidenschaft gezogen hätte. Tatsächlich konfrontierte die US-Justiz Posada nie mit irgend einer Klage bis Anfang 2007, als ein Bundesschwurgericht ihn lächerlicher, minderschwerer Vergehen beschuldigte, nämlich der Falschaussagen während der Befragung zu seinem Einbürgerungsantrag zwei Jahre zuvor. Nachdem Posada im März 2005 in Miamis Anti-Castro-exilkubanischer Gemeinde untergeschlüpft war, stellte er einen Antrag auf politisches Asyl, doch zog ihn dann schnell zurück, nachdem er erkannt hatte, dass seine vergangenen Aktivitäten ihn in den Nachwehen von "9/11" und während Bushs "Krieg gegen den Terror" zu einer "heißen Kartoffel" machten. Doch, bevor er wieder verschwinden konnte, hielt er in Miami eine Pressekonferenz ab, und da schnappten ihn die Agenten des Inlandgeheimdienstes und seitdem musste er sich einer Reihe von wiederholten Klagen wegen Meineids während der ursprünglichen Befragung stellen. Mit seinem jetzt laufenden Verfahren vor einem US-Bezirksgericht in El Paso wuchs die ursprüngliche Sache über sich hinaus, das führte den Beobachter, José Pertierra, einen in Washington D.C. ansässigen Anwalt, der die venezolanische Regierung vertritt, die seit 2005 um Posadas Auslieferung ersucht, um ihn wegen des Bombenattentats auf ein ziviles kubanisches Flugzeug vor Gericht zu stellen, zu dem Schluss, dass "alle Parteien auf eine biologische Lösung dieses Falles warten". Wie US-Staatsanwalt Timothy Reardon dem Gericht zu Beginn der Verhandlung mitteilte, Posada "kann alles, was er will gegen das kubanische Regime unternehmen". Doch er log während des Einbürgerungsinterviews und man "muss sich an die Regeln halten und die Wahrheit sagen, um ein [US-] Bürger zu werden". Im Unterschied dazu hat Julian Assange niemanden getötet oder bis jetzt sogar gegen überhaupt kein Gesetz verstoßen, und hauptverantwortliche US-Militärbeamte haben Behauptungen verneint, dass die Informationsweitergabe von WikiLeaks an die Öffentlichkeit den Tod irgend eines Menschen zur Folge hatte. Anfang August 2010 teilte ein Pentagonsprecher der Washington Post mit: "Wir müssen noch irgend einen Schaden für irgend jemanden In Afghanistan ausfindig machen, damit wir eine direkte Verbindung zu der Offenbarung dieser Dokumente herstellen können." Und erst am 28. November sagte ein anderer Pentagonbeamter gegenüber der "McClatchy-Zeitung", der "wegen der Empfindlichkeit dieser Angelegenheit nicht genannt werden wollte," dass das "Militär noch keinen Beweis dafür habe, dass die Lecks zu irgend jemandes Tod führten." Sogar der Verteidigungsminister Robert Gates gab zu, dass, obwohl WikiLeaks sich als "beschämend" und "peinlich" erwiesen habe, seien "die Folgen für die US-Außenpolitik ziemlich geringfügig." Assange steht in Britannien nominell wegen aus Schweden kommender Beschuldigungen unter Beschuss, die zu einem europäischen Haftbefehl führten. Er wurde in London gegen ihn zwecks Befragung im Zusammenhang mit "Vergewaltigung, sexueller Belästigung und starker Nötigung" vollzogen, und darum muss er sich jetzt, am 7. Februar, einer Auslieferungsanhörung stellen. Doch diese Verklagungen erscheinen zunehmend als Vorwand für einen politischen Anschlag auf WikiLeaks unterstützt durch den jetzt willfährigen rechten Flügel des schwedischen politischen Establishments, und sie haben sich überzeugend als solcher dargestellt (Siehe, e.g.. Al Burke, "Sweden, Assange and the USA," Nordic News Network, December 28, 2010) Assanges eigentliches Verbrechen ist die "Bloßstellung und Beschämung der politischen Klasse," wie John Pilger es darstellt, dies und die Drohung, dass WikiLeaks damit weiter fortfährt. Natürlich wird geheimgehaltene Information oft von US-Beamten freigegeben, um einen politischen Konsens zu erzielen. Aber WikiLeaks hatte die Öffentlichkeit und ausländische Ministerien und Nachrichtenagenturen mit Information versorgt, die die US-Regierung außer Sichtwete halten möchte, weil es ihr Politik-Management erschweren könnte. Das ist es aber, was von Journalisten und unabhängigen Medien ohnehin erwartet wird. Daher hat WikiLeaks innerhalb seiner kurzen vierjährigen Existenz die internationale Öffentlichkeit mit einem der wichtigsten Güter bedient und damit die Demokratie gefördert. Außerdem, da die US-Politik aggressive Kriegsführung und illegale Aktionen nach sich zog und von institutionalisierten Lügen abhing, die fast keinen aufregten, besonders nicht die US-Medien, könnten WikiLeaks und Assange dazu beitragen die Kriegsführung zu reduzieren und unschuldige Leben zu schützen. Vor einem Jahr schwärmte Außenministerin Hillary Clinton von Internetfreiheit, es gebe "mehr Wege, mehr Ideen unter mehr Menschen zu verbreiten als jemals in der Geschichte", und "sogar in autoritären Ländern, helfen Informationsnetzwerke den Menschen, mehr Fakten zu entdecken, und ziehen Regierungen stärker zur Verantwortung." Damals trat Clinton für mehr Transparenz in Ländern wie China und Iran ein. Aber als WikiLeaks Ende November 2010 damit begann, einige ihres mehr als 250.000 umfassenden Bestandes an diplomatischen Dokumenten der USA zu veröffentlichen, machte Clinten eine 180°-Drehung und fand Worte, die aus dem Mund eines chinesischen Beamten hätten kommen können, und sagte: "Das ist ein Angriff auf die internationale Gemeinschaft, die Allianzen und Partnerschaften, die Gespräche und Verhandlungen, die die globale Sicherheit und den Fortschritt der wirtschaftlichen Prosperität gewährleisten." So wurde Assange in den Worten von Vizepräsident Joe Biden ganz schnell zu einem "High-Tech-Terroristen", und die US-Regierung wurde von Politikern aufgefordert, ihn auszuschalten. Wie die einstige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin sagte, die Regierung solle Jagd auf ihn machen mit "der selben Entschlossenheit, mit der wir die Führer von Al Kaida und der Taliban verfolgen." Wir müssen "die Lebensfähigkeit von Assanges Organisation abwürgen," schrieb der Kongressabgeordnete Peter King, der neue Vorsitzende des Komitees für Heimatschutz des Hauses, am 12. Januar an das Schatzministerium und "Menschen und Unternehmen daran hindern, Geschäfte mit WikiLeaks und Assange zu machen." King kam zu spät. Zu der Zeit, als er sprach, hatten Visa Inc. und PayPal Inc. auf Druck der US-Regierung bereits zugestimmt, WikiLeaks' Finanzreserven einzufrieren, während Amazon.com zugestimmt hatte, WikiLeaks nicht mehr seinen Cloud-Computing-Service [Verfahren zur Speicherung großer Datenmengen] zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis war ein konzertierter Angriff des Staates und der Konzerne auf Assange und WikiLeaks - und darüber hinaus auf die globale Internetneutralität, die Freiheit der Rede und die Demokratie. Zu den bemerkenswerten Besonderheiten in der Behandlung von Assange gehören auch die Geschwindigkeit und Dringlichkeit, mit der US-amerikanische, britische und schwedische Beamte gegen ihn vorgingen, die Schwierigkeiten, die er hatte, um seine Freiheit vor dem Verfahren zu erlangen, und die Eile, ihn nach Schweden auszuliefern, einem Land, von dem man glaubt, dass es eher bereit sei, ihn in die USA auszuliefern als das UK. Der Gegensatz zur Behandlung von Posada ist dramatisch. Der Fall des bekennenden Terroristen Posada hat sich bis zu sechs Jahren hingeschleppt, er war für volle vier Jahre auf Kaution frei, und die Vereinigten Staaten weigern sich immer noch, ihn für irgendein Verbrechen, dass mit dem Tod von Zivilisten zusammenhängt, anzuklagen, sondern nur wegen Falschaussage, und es seit langem ablehnt, ihn nach Venezuela auszuliefern, trotz eines lange Zeit bestehenden Auslieferungsabkommens, nachdem die USA dazu verpflichtet sind. Der Unterschied in der Behandlung von Assange und dem wirklichen Terroristen Posada durch die Medien ist ebenfalls dramatisch. Ein Unterschied besteht in der Höhe der Aufmerksamkeit. Wenn man US-Zeitungen liest oder US-Fernsehen sieht, erfährt kaum, dass Posada in El Paso vor Gericht steht. Folglich tauchte Assanges Name in den englischsprachigen Zeitungen Mitte Januar 2011, beginnend mit der Auswahl der Geschworenen für Posadas Verfahren (10. - 19. Januar) 22 Mal häufiger auf als der Posadas. Der gleiche Kontrast gilt, wenn es an die Substanz geht. Während die Berichterstattung über den wahren Terroristen abwehrend, ohne Empörung und entlastend ist, malt die Berichterstattung über Assange ausführlich die Beschuldigung sexuellem Fehlverhaltens aus, oft unter Verwendung des emotional geladenen Ausdrucks "Vergewaltigung", was nicht einmal einer der Anklagepunkte, die in Schweden untersucht werden, ist, immer in die Richtung "was erdreistet der sich". Posada hat in seiner Terroristen-Karriere viele Menschen getötet, aber die Medien berichten das nicht. Noch suchen sie nach den Verwandten von Posadas Opfern, um deren Leiden ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Sie gehen nicht darauf ein, dass er von der CIA bezahlt wurde. Sie berichten nicht vom Widerspruch zwischen dem angeblichen "Krieg gegen den Terror" der US-Regierung und ihres Sponsorings und dann Beschützens eines authentischen Terroristen. Kurz, Posadas Fall ist eine dramatische Illustration des Betrugs des so genannten "Kriegs gegen den Terror" und beleuchtet die Ablehnung der USA, an den Regeln des Gesetzes festzuhalten. Assanges Fall zeigt gut die Angst des US-Establishments vor dem freien Fluss der Informationen, der die Außenpolitik stören könnte, und offen legt, dass es noch viel mehr Posadas gibt, deren Dienst für das Imperium entdeckt werden könnte. Und die Zusammenarbeit der Medien bei dieser Protektion Posadas und der Jagd auf Assange wird klar. Edward S. Herman ist emeritierter Professor für Finanzwissenschaft an der Wharton School der Universität von Pennsylvanien und hat umfangreich über Wirtschaft, politische Ökonomie und die Medien geschrieben. David Peterson ist unabhängiger Journalist und Forscher in Chicago. Gemeinsam sind sie Koautoren von "The Politics of Genocide" [Die Politik des Völkermords], erschienen bei Monthly Review Press 2010. Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db) (Quelle: CounterPunch, vom 26. Januar 2011)
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