Erneuter Besuch bei Gerardo im GefängnisDanny Glover und Saul Landau, 03. 02. 2011Er sagt, die Behauptungen von Miami Herald seien "lächerlich"
Bei unserem dritten Besuch ist die neofaschistische Architektur des US-Bundeszuchthauses in Victorville, Kalifornien (gebaut 2006 unter W. Bush), zum vertrauten Anblick geworden. Wir denken, die amerikanische Stacheldrahtindustrie muss schwer darum gekämpft haben, dass der Gefängnisgebäudebeauftragte Geld für etliche Fußballfeld-große Umzäunungen der Vorbauten bereitgestellt hat, die aus der sehr nachbarschaftsfeindlichen Absperrung aus Metallgewebe herausragen. Was an diesem Bild aus meilenlang-gekräuseltem Draht zu beiden Seiten der Mauern des monströsen in die Mojave-Wüste gesetzten Gebäudes noch fehlt? - Ein Schild: "Nur in Amerika." Wo sonst würde ein solches "Monument" mit der Bestimmung zur "Rehabilitierung" gebaut werden können?
Gerardo springt von seinem Plastikstuhl auf, und wir umarmen uns. Voller Energie, lächelnd und in guter physischer Verfassung erzählt er uns, dass er 25 Minuten am Zellenblocktor warten musste, bevor ihm ein entgegenkommenderer Wachmann schließlich erlaubte, den Besucherraum zu betreten, obwohl schon andere Wachmänner gekommen und wieder gegangen waren und seine Bitte, seine Besucher sehen zu dürfen, ignoriert hatten. Ein für die tägliche Drangsal eines politischen Gefangenen in einem Bundeshochsicherheitsgefängnis typischer Vorfall! Wir fragen ihn, wie er auf die Miami-Herald-Geschichte von Jay Weaver vom 26. Dezember 2010 reagiert habe. Deren Überschrift: "Kubanischer Spion behauptet nun, der Abschuss der ‚Brothers to the Rescue' sei außerhalb des kubanischen Luftraums gewesen". Die Geschichte gab vor, dass Gerardo der kubanischen Version seines Abschusses von zwei Flugzeugen der "Brothers to the Rescue" seitens kubanischer MiGs am 24. Februar 1996 nicht zustimme. "Das ist lächerlich", sagte Gerardo. Sein Berufungsantrag stelle die Kompetenz seines Pflichtverteidigers für seine angemessene Verteidigung in Frage, aber er habe sich nie über Differenzen mit der kubanischen Position geäußert oder diese stillschweigend angedeutet. Die Berufung konzentriere sich auf von seinem Pflichtverteidiger und dem Staatsanwalt begangene Fehler, die ihm ein ordentliches Rechtsverfahren vorenthielten. Die Regierung habe auch unangemessenerweise Beweise (Telegramme) unter Verschluss gehalten, die zeigten, dass Gerardo keine Information über Kubas Absicht, die Flugzeuge der "Brothers" abzuschießen, gehabt habe. Die Staatsanwaltschaft habe es nie bewiesen, dass Kuba geplant habe, die Flugzeuge im internationalen Luftraum abzuschießen, noch viel weniger habe Gerardo etwas davon gewusst. Doch die Atmosphäre, in der die Verhandlung stattfand, war von der Medienberichterstattung kontaminiert. Gerardos Berufungsantrag zeigt, dass "Journalisten" auf der Gehaltsliste der US-Regierung Zeitungs- und Fernsehgeschichten produzierten, die die Angeklagten und Kuba in einem schlechten Licht erscheinen ließen. Alle fünf kubanischen Agenten wurden in einem von der Staatsanwaltschaft belasteten Klima behandelt und verurteilt. "Das ist ein Witz", lachte er, als er sich auf den Artikel im Herald und seinen Prozess bezog. "Ich bin sicher, dass jeder Kubaner weiß, dass ich keine Meinungsverschiedenheiten mit meiner Regierung über den Abschuss der Flugzeuge habe. Ich wusste an dem Tag nichts von den Flügen und konnte daher auch nicht wissen, dass sie sie abschießen würden. Ich glaube, dass es in kubanischem Luftraum geschah, was nach internationalem Gesetz kein Verbrechen ist." [...] Als wir vorschlugen, den Reporter, der behauptet hatte, Gerardo hätte Meinungsverschiedenheiten mit seiner Regierung, ihn aber nicht interviewt hatte, für den Mussolini-Preis für Journalisten zu nominieren, stimmte Gerardo zu. "Ja, Mussolini war Journalist, bevor er in die Politik ging." Gegen die kubanischen Agenten wurde 2001 in Miami - genau wie gegen die Juden 1938 in Berlin - verhandelt! Gerardo erzählte uns gut gelaunt, er sei in Mantilla, einem Vorort von Havanna aufgewachsen, wo auch der kubanische Romancier Leonardo Padura (El Conde mysteries) lebte. Er lernte die Möglichkeiten und Tiefen einer Freundschaft im Sozialismus kennen, wo Männer aus ehrlicher Seele miteinander sprechen und nicht um Geld konkurrieren müssen, "wie die Jungs in Abel Prietos Roman ‚Der Flug der Katze'". "Verbitterung ist wenig hilfreich für den Geist," sagte er. "Guillermo Cabrera Infantes ‚Drei traurige Tiger' ist brillant und einfühlsam. Vergleicht es mit seinen schrillen Hetzreden gegen die Revolution, aus denen man gar nichts lernt." Der Gefängnisfotograf - ein anderer Insasse - machte Fotos von uns. Dann aßen wir Fertigkost aus dem Automaten - so was gibt es hier - und diskutierten über die Reformen in Kuba. "Ich glaube Raúls Rede (Präsident Raúl Castro am 18. Dezember 2010) war notwendig. Wir brauchen einen Wandel, um zu überleben. Wir müssen produktiv und effizient werden." "Der Besuch ist zu Ende," kündigte ein Wächter an. Gerardo stellte sich mit anderen Gefangenen an der Wand auf. Wir drängelten uns mit anderen Besuchern zur Tür. Er hebt die Faust. "Bewahrt euer Vertrauen." Er lächelt zuversichtlich. "Er hat die Qualitäten eines Mandela," sagt Danny. Saul stimmt zu. Saul Landaus neuer Film über den Fall der Cuban Five und seine Geschichte "WILL THE REAL TERRORIST PLEASE STAND UP" [Würde der wahre Terrorist bitte aufstehen] wird bald verfügbar sein. - Danny Glover ist Aktivist und Schauspieler. Er produzierte "THE BLACK POWER MIXTAPE" - erstaufgeführt bei Sundance. Deutsch: ˇBasta Ya! (jmb, db) (Quelle: antiterroristas.cu, vom 3. Februar 2011)
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