Eine Richterin gewährt fragwürdige Bewährung

Mittwoch, 28. September 2011

Von Saul Landau

2001 verurteilte die Bundesrichterin von Miami, Joan Lenard, fünf kubanische Agenten wegen Verschwörung, Spionage begehen zu wollen, zu langen Gefängnisstrafen (obwohl während des Verfahrens keine Beweise für Spionage auftauchten). René González, 55 Jahre alt, leugnete wie die anderen Vier, sich je an Spionage noch an Verschwörung, sie begehen zu wollen, beteiligt zu haben.
René wird am 7. Oktober freigelassen. Lenards Auflagen erfordern, dass René drei Jahre lang in Miami bleiben soll (1), um dort von Bewährungshelfern überwacht zu werden sowie, dass er keinen Kontakt mit Terroristen aufnehmen solle.
Keine der Auflagen macht Sinn: Ein geständiger kubanischer Agent, der in Miami lebt, ein Mann, der die Anti-Castro- "Brothers to the Rescue" infiltrierte und der keine Versicherungsagentur finden würde, die ihm eine Lebensversicherungspolice ausstellen würde, Wettbüros würden Wetten annehmen, "wann", aber nicht "ob" er ermordet würde. Die Region ist voll von Berufskillern.
Das Justizministerium hat einer Menge stolzer (sich brüstender) Meuchelmörder erlaubt, durch Miami zu gehen und Spendendinners zu ihren Ehren abzuhalten. Der Bürgermeister und Ratsherr von Hialeah verlieh Luis Posada Carrilles (dem Osama Bin Laden der westlichen Hemisphäre) die Schlüssel zur Stadt, und der verstorbene Orlando Bosch erhielt Ehrenauszeichnungen der Universität von Miami. Freigegebene CIA- und FBI-Dokumente und Zeugenaussagen des Mannes, den sie zum Bombenlegen anheuerten, weisen eindeutig auf die Urheberschaft beider Männer für das Bombenattentat auf ein kubanisches Zivilflugzeug über Barbados am 6. Oktober 1976 hin.
Ironischerweise verbietet die Richterin René auch, Verbindungen zu Terroristen aufzunehmen - als ob er die Gesellschaft derer, die ihn meucheln wollen, suchte. Sie hätte eine Verordnung erlassen können, die es den Terroristen verbietet, in irgendeine Verbindung mit René zu treten. Zumindest hätte das gezeigt, dass sie einen Sinn für (skurrilen) Humor hat.
Ihre Verordnung, Renés Aufenthalt auf Miami einzuschränken oder ihm dies anzudrohen, bestätigt den Virus der Blutrünstigkeit, der im US-Justizsystem kursiert.
Im Februar ersuchte González das Gericht darum, ihm zu erlauben, nach Kuba zu seiner Familie zurückzukehren. Er führte die allen in Miami Aufgewachsenen bekannte Tatsache an, dass, wenn er die Straßen Miamis betrete, mit der Gefahr für sein Leben seitens der dortigen terroristischen Gruppen rechnen müsse.
In der vergangenen Woche lehnte Lenard Renés Ersuchen um Änderung ihrer absurden Bewährungsauflagen für ihn ab. Sie stimmte jedoch zu, diese Bedingungen zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen. - Nach seinem Tod?
Hat die Richterin das "Killer-Fieber" gepackt? Will sie beweisen, dass ihr Macho-Image überdauert? Oder wendet sie auf die Bewährung gerade Prinzipien der "tough love" an [Politik der Anregung zur Selbsthilfe durch Sozialkürzungen} - etwa so: "Lasst uns abwarten, ob er eine Reihe von Mordanschlägen überlebt, und dann können wir seinen Fall überprüfen."
Dicht auf den Fersen von Georgias Mord an Troy Davis bedeutet Richterin Lenards Anordnung das selbe, wie ein Todesurteil gegen René. Wie schon ein enthusiastischer Anhänger von Rick Perry sagte: "Es braucht Mut, einen unschuldigen Mann zu töten." [Rick Perry ist seit 2000 Gouverneur von Texas. Während seiner Amtszeit wurden 232 Todesurteile vollstreckt - Wikipedia.]
Es ist möglich, dass die Richterin Ambitionen hat, den ersten Platz in der Rangliste der schlimmsten und grausamsten Bundesrichter der Vereinigten Staaten zu erreichen. Ihre Darbietung während des Verfahrens vor einem Jahrzehnt hätte ihr Preise für Befangenheit einbringen können - bei nahezu jedem Antrag war sie auf der Seite der Staatsanwaltschaft und lehnte einen Wechsel des Gerichtsortes für die fünf Agenten des kubanischen Staates ab, die nach Florida gekommen waren, um Exilgruppen zu infiltrieren und zu beobachten, die beabsichtigten, Gewalttaten und Terrorakte in Kuba zu begehen.
Lenard wusste, dass die Chancen darauf, dass eine Jury in Miami kubanische Agenten freispricht geringer sind, als dass ein Jude in Berlin unter den Nazis einen fairen Prozess bekommt. Lenard lehnte wiederholt Anträge der Verteidigung auf Verlegung des Gerichtsortes ab, und nachdem drei Richter des Berufungsgerichts einen solchen Ortswechsel angeordnet hatten, hielt das gesamte (von den Republikanern eingesetzte) Berufungsgericht ihre [Lenards] Entscheidung aufrecht.
Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit. Vor dem ursprünglichen Verfahren könnte sich ein Mann, der so aussieht wie ein Schauspieler aus "The Sopranos" der Richterin in einem Supermarkt genähert und ihr erzählt haben, wie hübsch ihre Kinder seien und dass sie zu großen Erfolgen heran wachsen würden. [Die Sopranos ist eine US-amerikanische Fernsehserie, die vom Leben einer fiktiven italo-amerikanischen Mafiafamilie in New Jersey handelt. - Wikipedia] Und er sei sich sicher, dass sie im Verfahren richtig handeln würde. Gewiss hatten die Geschworenen begriffen, dass ein Freispruch für die Fünf mit Sicherheit Konsequenzen für sie nach sich ziehen würde, wovon die beste noch wäre, wenn man ihnen ihr Haus niederbrennt. So sind die Regeln in der "Autonomen Republik Miami".
Vor einem Jahrzehnt [am 4. Juni 2008 - Anm. d. Ü.] zwang ein Berufungsgericht Richterin Lenard, ihre harschen Strafmaße gegen die unter der Bezeichnung "Cuban Five" bekannten Männer abzumildern. Man könnte meinen, dass sich ihr Groll gegen René inzwischen abgekühlt hat. Oder hat der Sopranos-Schauspieler sie wieder in einem Supermarkt getroffen, um sie an die möglichen Konsequenzen zu erinnern, falls sie wie ein Mensch handeln würde?
Die UN-Arbeitsgruppe für Willkürliche Inhaftierungen und zahllose Juristen- und Menschenrechts-Gruppen gemeinsam mit parlamentarischen Abordnungen und Nobelpreisträgern haben sich Amnesty International bei der Anfechtung der Verhaftung der Fünf und die Vorgehensweise von Richterin Lenards Gerichtshof angeschlossen. In der Tat halten viele die Bezeichnung "Vorurteile auf dem Richterstuhl" für viel zu milde, um ihr Verhalten als vorsitzende Richterin zu beschreiben. Aber ihr Name könnte in die Rechtsgeschichte eingehen - als schlimmster Richter ihrer Epoche.

Saul Landaus Dokumentarfilm "Will the Real Terrorist Please Stand up" [Möge der wahre Terrorist bitte aufstehen] kann bei Cinemalibrestore@gamail.com bestellt werden.

1) Sein Anwalt merkte jedoch in einem Interview am 23.09. an: "Aber er wird während dieser Zeit nicht in Miami bleiben müssen.", s. u. 25. September 2011: Deisy Francis Mexidor hat für Prensa Latina mit Rechtsanwalt Philip Horowitz über das weitere Vorgehen im Fall von René González, dem die Richterin Joan Lenard die Ausreise nach Kuba untersagt hat, gesprochen.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db),

(Quelle: Progreso Weekly) vom 28. September 2011

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