CounterPunch, 16. Dezember 2011

Wo ist Captain Hook in dem "NPR"-Märchen?

Die CIA, Kuba und die Operation Peter Pan

Von Saul Landau und Nelson P.Valdes

"Kinder werden geboren, um glücklich zu sein," José Martí

Am 19. November 2011 machte der Reporter Greg Allen in der [US-]Radiosendung von NPR, "Kinder aus Kuba erinnern sich: Ihr Flug nach Amerika", darauf aufmerksam, dass die Reise von über 14.000 kubanischen Kindern von 1960-62 "durch einen Deal des Priesters in der Diözese von Miami [Pater Bryan Walsh] ermöglicht wurde... ausgearbeitet mit dem US-Außenministerium. Die Vereinbarung erlaubte ihm, Visumsformulare für Kinder von 16 Jahren oder darunter zu unterzeichnen." Dann interviewte er etliche Cubano-Amerikaner rechts von der Mitte, um "objektive" Ansichten über die Fakten rund um die Operation Peter Pan darzubieten.
Merkwürdigerweise ließ Allen die CIA in seiner Reportage außen vor, obwohl reichhaltiges Beweismaterial zeigt, dass die Agentur in den frühen 1960ern mit der Kirche konspirierte, um die Kinder aus Kuba zu lotsen.
Wenn sie einmal innerhalb der sie nährenden Grenzen des größten Landes der Welt waren, "entwickelten sich die Peter-Pan-Kinder gut," schloss Allen, ohne zu erklären, was mit "gut" gemeint war. Jetzt blieben die erwachsenen Peter-Pan-Kids "in ihrer Haltung gegen jede Normalisierung der Beziehungen zu dem Castro-Regime fest, dem Regime, das ja für den Bruch mit ihren Familien verantwortlich war und sie aus ihrem Heimatland zwang."
Die NPR-Redaktion hätte eine komplexere und unheimlichere Geschichte aufdecken können - hätte sie nachgesehen. Die CIA weigert sich, Peter-Pan-Dokumente freizugeben, reichhaltige Zeugenaussagen zeigen jedoch, dass die Agentur Urkunden fälscht und Lügen über Pater Walsh und die regionale katholische Hierarchie verbreitet. Deren Zweck: Kinder der Elite von ihren Eltern zu trennen (Brain Drain aus Kuba) zur Destabilisierung des politischen Systems.
Einer der Mitverschwörer der Peter-Pan-Operation, Antonio Veciana, der jetzt in Miami lebt, erzählte uns, wie Maurice Bishop (alias CIA-Beamter David Atlee Philipps) ihn 1960 "für den psychologischen Krieg rekrutierte, um die Regierung zu destabilisieren." Veciana beschrieb, wie die Agentur ein Gesetz erfand, um wohlhabende Kubaner glauben zu machen, die revolutionäre Regierung plane, sich der elterlichen Kontrolle zu bemächtigen. Bishops Agenten streuten das Gerücht innerhalb der beruflich qualifizierten und besitzenden Klasse mit Hilfe einer gefälschten Ausgabe des angeblichen Gesetzes. Die Fälschung "erklärte, dass Eltern die Kontrolle über ihre Kinder an den Staat verlören."
Veciana erinnerte sich, "dass CIA-Agenten behaupteten, sie hätten das Dokument von der kubanischen Regierung gestohlen." Dieses falsche Dokument "erzeugte eine enorme Panik." Am 26. Oktober 1960 hatte die CIA den Radio-Sender "Swan", südlich von Kuba, unter ihrer Kontrolle und sendete "Breaking News". Radio Swan brachte damals eine weitere Lüge: Der kubanische Untergrund habe eine Kopie eines kommenden "Gesetzes" erlangt.
Nur minimale Recherche hätte enthüllt, dass Leopoldina und Ramón Grau Alsina, Nichte und Neffe des früheren kubanischen Präsidenten Ramón Grau San Martín, nachdem sie 1965 verhaftet worden waren, gegenüber kubanischen Sicherheitsbeamten, gestanden, dass sie das gefälschte Gesetz in Havanna gedruckt, heimlich verbreitet und ihre Eltern belogen hatten.
Artikel 3 des apokryphen Dokuments erklärte: "Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, wird die Fürsorge für Personen unter 20 Jahren über dazu delegierte Personen oder Organisationen vom Staat ausgeübt werden."
Sowohl Priester als auch CIA-Beamte rekrutierten Kinder und überzeugten deren Eltern, "uns zu vertrauen: Die US-Regierung wird für sie sorgen."
Die Geistlichen streuten das unechte Dokument unter ihrer Herde der gehobenen kubanischen Mittelklasse. Katholische Schulbeamte fürchteten die rasche Ausbreitung von Castros Instruktionsprogramm, das ihr eigentliches Erziehungsmonopol unter den Vermögenden untergraben könnte.
Im März 1960 befahl Präsident Eisenhower der CIA, die kubanische Regierung zu stürzen. Die Anstifter der Agentur entwarfen "Peter Pan" als Bestandteil der politischen Propaganda und wirtschaftlichen Strangulierung. Diese gleichzeitig verfolgte Fährte würde Castros Regierung schwächen, während US-Ausbilder eine Invasionsmacht aus Exilkubanern vorbereiteten, die wiederum mit den von der CIA gestützten kommunalen Terroristen und Guerillas kooperierten.
Operation Peter Pan (erinnern Sie sich an den Disney-Film?) benutzte kubanische Kinder und Eltern für ihre Zwecke: dem Sturz der revolutionären Regierung. NPR's Beanstandung, es gäbe "keine Beweise" für die Beteiligung der CIA, hätte entkräftet werden können, hätten sie Veciana gefragt oder nachgefragt, warum sich die CIA [bis heute] weigert, ihre über 1.500 Dokumente über diese Operation freizugeben, während sie doch die Archive zur Freigabe über die Schweinebuchtinvasion und die Cruise Missiles-Krise von 1962 geöffnet hat.
Der Vater des Schriftstellers Alvaro Fernandez, Angel Fernandez Varela, war von der CIA in Havanna rekrutiert worden und lehrte an dem Jesuiten-Kolleg, Colegio Belen. Bevor er in Miami starb, schrieb Alvaro, habe Angel seiner Familie erzählt, "er sei einer der Verantwortlichen für den Entwurf des falschen Gesetzes gewesen, das zur Auslösung der Hysterie verantwortlich gewesen sei."
NPR's Reportage fragt nicht: Wer gelangte an die Visa, Flugtickets der Kids und die Kontakte in Übersee und warum vergaben KLM und die Pan American Airlines an die Peter-Pan-Kinder kostenlose Flugtickets?
Auch die folgende Sache verfolgt Allen bei NPR nicht: Die US-Regierung hatte weder den Kontakt zwischen Eltern und Kindern aufrechterhalten, noch hatte sie den meisten der Eltern, die in Kuba blieben, Einreisevisa gewährt. Der UN-Hochkommissar hatte versucht, Eltern und Kinder wiederzuvereinen, aber Washington unterstützte ihn dabei nicht.
Veciana half dabei, diesen schmutzigen Trick umzusetzen, später sann er jedoch darüber nach: "Im Nachhinein fragte ich mich: War das richtig? Denn wir erzeugten hinsichtlich der Regierung wirklich Panik, aber wir trennten auch eine Menge Kinder von ihren Eltern."
Tatsächlich hat Kuba aber Auszeichnungen für seine Behandlung von Kindern gewonnen. "In Kuba gibt es weder Straßenkinder noch Kinder ohne Schulbildung, es gibt keine Kinder ohne Zugang zur Gesundheitsvorsorge oder Kultur, und es gibt dort keine verwahrlosten Kinder ohne Gelegenheit zur Weiterentwicklung," sagte Jose Juan Ortiz, der UNICEF-Vertreter in Kuba.
Paradoxerweise unterstellte die CIA der kubanischen Regierung ihre eigenen Absichten: die Kinder von ihren Eltern zu trennen. Kann sein, wenn die NPR-Redaktion ausnahmsweise nachgedacht hätte, dass sie dann einen treffenderen Report über die Operation Peter Pan gesendet hätte.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb)

(Quelle: CounterPunch vom 16. Dezember 2011)

Anmerkung d. Ü.: am gleichen Tag wie "CounterPunch" veröffentlichte COHA [Council for Hemispheric Affairs] einen ähnlichen Artikel: "Saving" Children from Leftist Agendas: The Susurrant Role of the Catholic Church ["Rettung" von Kindern vor linksradikalen Ansichten: Die Flüsterrolle der katholischen Kirche].
Darin geht es nicht nur um die Rolle der katholischen Kirche bei der "Peter-Pan-Operation" in Kuba, sondern um ihre Rolle in ganz Lateinamerika, beispielsweise auch während der Militärdiktatur in Argentinien, und in diesem Artikel wird auch die von Landau und Valdes in der NPR-Sendung vermisste Rolle der CIA in dem "schmutzigen Krieg" erwähnt, s.:

(Quelle: COHA vom 16. Dezember 2011)

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