Progreso Weekly, 21. Dezember 2011

Besuch bei Gerardo und ein Vergleich von Gross mit den Cuban Five

Von Danny Glover und Saul Landau

14:30 Uhr - Zeit, Abschied zu nehmen, die entsetzlichste Zeit des Besuchs bei Gerardo Hernández. Ein Gefängniswärter verkündete: "Die Besuchszeit ist vorbei." Gerardo stellte sich mit den anderen Insassen an der Wand auf. Wir standen gemeinsam mit Ehefrauen, Kindern und Müttern. Schließlich öffnete sich die elektronisch gesteuerte schwere Metalltür. Gerardo erhob triumphierend die Faust. Wir taten dasselbe. Er blieb in der Hölle (seit nunmehr 13 Jahren). Wir gingen.
Wir fuhren vom Zuchthaus Victorville zum Flughafen Ontario California und diskutierten über die Absurdität, dass fünf Kubaner (einer davon in überwachter Bewährung), die den Vereinigten Staaten geholfen hatten, den Terrorismus zu bekämpfen, in Bundeszuchthäusern eingesperrt bleiben, während Posada Carriles, der 1976 den Bombenanschlag auf ein kubanisches Passagierflugzeug organisiert hatte (73 Menschen starben), in den besten Restaurants Miamis speist. Während er zwischendurch seinen Proktologen besucht, planen er und die anderen alten Knacker Gewaltakte gegen Kuba.
Richter des Bundesgerichts in Miami werden über Gerardos Berufung entscheiden, in der neue Tatsachen und Beweise vorgelegt werden: Gerardos damaliger Anwalt gibt inzwischen zu, dass er ihn unangemessen vertreten habe, neue Dokumente belegen Zahlungen der US-Regierung an "Journalisten" aus Miami, die dafür negative Artikel über die angeklagten Kubaner lieferten, um die Atmosphäre im Verfahren zu vergiften. Schließlich weigert sich die US-Regierung nach wie vor, ihre "Geheimunterlagen" freizugeben, die den genauen Ort zeigen, an dem kubanische MiGs am 24. Februar 1996 zwei Flugzeuge der "Brothers to the Rescue" abschossen. Die Kubaner behaupten, der Zwischenfall passierte in kubanischem Luftraum, d.h. es fand kein Verbrechen statt. Washington insistiert, die Flugzeuge seien in internationalem Luftraum getroffen worden, aber die NSA [National Security Agency] sagt, sie könne die entscheidenden Aufzeichnungen nicht freigeben: "Nationale Sicherheit." Gerardo hatte mit dem Drama nichts zu tun - egal wo der Abschuss stattfand.
Wir stimmten darin überein, dass die Kubapolitik der USA ans Absurde grenzt. Zum Beispiel hat das State Department Kuba auf seine Terrorliste gesetzt, obwohl die USA Kuba zu einem Opfer von Terroranschlägen gemacht haben. Kuba hat nie zurückgeschlagen. Aber Ileana Ros-Lehtinen, die Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses, wendet ein: "Die Vereinigten Staaten sollten nicht mit einem Staat verhandeln, der den Terrorismus fördert."
Das bezieht sich auf ihre Ablehnung jedweden humanitären Fortschritts beim Versuch, Alan Gross freizubekommen. Nachdem er in Kuba wegen seiner Aktivitäten für die Politik des Regimewechsels der USAID verurteilt wurde, muss Gross entweder seine Strafe von 15 Jahren Gefängnis absitzen oder warten bis das US-Militär die Insel "befreit". Ros-Lehtinen ruft die Menschen dazu auf, Fidel Castro zu ermorden (s. Landaus Film "Will the real Terrorist please stand up").
Diese Rhetorik dient kaum Gross' Interessen. Dank Ileana könnte er bis zu einem Alter von 75 Jahren im Gefängnis bleiben. Er vermisst seine Familie, genau wie die Kubaner in US-Gefängnissen. Wie Alan haben sie nahe Verwandte mit ernsten Krankheiten. "Als meine Mutter 2009 starb, war ich nicht in Kuba, um sie zu beerdigen," sagte Gerardo.
Gerardo erzählte uns, dass er und Adriana, die inzwischen 42 Jahre alt ist, sich Kinder wünschten. So geht es auch einem anderen der Fünf, Fernando González und seiner Frau. Die USA verweigern ihren Frauen Visa. Die Zeit verstreicht. Über Gerardos Gesicht huscht ein Hauch von Angst.
Die Sache der Fünf genießt wenig Öffentlichkeit. Anders im Fall von Alan Gross, einem amerikanischen Unternehmer, der in Kuba wegen seiner Aktivitäten zur Unterwanderung der kubanischen Regierung zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Fälle von Gross und den Cuban Five sind trotzdem verschieden. Gerardo erhielt zwei aufeinander folgende lebenslange Strafen plus 15 Jahre für Verschwörung, Spionage begehen zu wollen, und wegen Hilfe und Anstiftung zu Mord - angeblich hatte er den kubanischen Behörden Informationen zu den fatalen Flügen der "Brothers to the Rescue" am 24. Februar 1996 geliefert. Da der Prozess in Miami stattfand, brauchte die Staatsanwaltschaft keine Beweise für beide Anklagen vorzulegen. Stellen Sie sich fünf Juden vor Gericht im Berlin von 1938 vor!
Vielleicht hatte Gross die Natur seiner Mission missverstanden, nämlich Dissidenten den Umgang mit verdeckten Satelliten-Netzwerken zu erklären, um dabei zu helfen, die kubanische Regierung zu stürzen. "Die Fünf kamen nach Florida, um den Terrorismus zu beenden, nicht die US-Regierung zu destabilisieren," sagte Gerardo.
Wahr sei, erklärte Gerardo, Gross und die Kubaner seien Gefangene, die nach Hause wollen. Aber, sagt er: "Die Medien berichten regelmäßig über den in Havanna eingesperrten amerikanischen Juden, der angeblich versucht hat, der jüdischen Gemeinde beim Zugang zum Internet zu helfen. Die Leitung der kubanischen Juden bestreitet, dass Gross gekommen sei, um ihnen zu helfen. Die Synagogen in Kuba hatten lange vor Gross' Besuch Zugang zum Internet," stellt er klar.
"Noch", Gerardo lächelt, "haben wir die USA mit Touristenvisa wie Gross betreten. Während seiner Besuche in Kuba hat Gross nie seinen kubanischen Kontaktpersonen erzählt, dass er im Auftrag der Regierung arbeitet. Die US-Politik sagt, sie wolle einen Regimewechsel. Stell die vor, Kuba schickt Agenten um den Kapitalismus zu stürzen und eine sozialistische Regierung zu installieren. Wau! Freie Gesundheitsvorsorge - nur weil jeder Mensch sie verdient."
Gerardo spielte auch auf Gross' Gesundheitsprobleme an. Alan genießt besondere medizinische Versorgung und lebt nicht mit verurteilten Kriminellen zusammen. Die Cuban Five haben in den US-Gefängnissen nicht die notwendige medizinische Versorgung bekommen. Kuba hat Judy Gross erlaubt, ihren Ehemann zu besuchen.
Kürzlich hielten jüdische Gruppen vor der kubanischen Interessenvertretung in Washington eine Mahnwache. Auf ihren Plakaten stand "Ungerechtigkeit Kubas an Gross" ohne Erwähnung der Cuban Five. Sie fordern wie die US-Regierung, dass Kuba Gross freilässt. Sie verlangen nicht umgekehrt von Obama, dass er die Kubaner freilässt, die schon 13 Jahre abgesessen haben.
Obama könnte die Cuban Five in einer humanitären Geste freilassen. Kuba hat der US-Regierung bereits "seinen Willen signalisiert, eine humanitäre Lösung für den Fall von Gross auf einer gegenseitigen Basis, zu finden." (Presseerklärung der kubanischen Regierung vom Dezember 2011)
Die US-Medien ignorieren die Erklärung von zehn Nobelpreisträgern, Amnesty International und der Arbeitsgruppe für Willkürliche Inhaftierungen der UNO. Alle sind der gleichen Meinung: Die Cuban Five haben kein faires Verfahren bekommen und verdienen die Begnadigung oder ein neues Verfahren - aber nicht in Miami.
Obama weiß, wie er Alan Gross nach Hause bekommen kann. Immerhin hat Israel 1000 palästinensische Gefangene gegen einen gefangenen Israeli ausgetauscht.

Saul Landau ist Mitarbeiter am Institut für Politische Studien. Sein Film "Will the real Terrorist please stand up" (mit Danny Glover) gibt es bei cinemalibrestore.com auf DVD. Glover ist Aktivist und Schauspieler.

Deutsch: ¡Basta Ya! (db)

Zurück