Burson Marsteller, Alan Gross und das Licht am Ende des Tunnels

Burson Marsteller, Alan Gross und das Licht am Ende des Tunnels

Veröffentlicht bei "Machetera" am 28. März 2012

PR als Valium, übersetzt aus dem Spanischen ins Englische von Manuel Talens, von Tiaxcala

Machetera

  Brouillet=
 

Saltpêtrière ist ein legendäres Pariser Krankenhaus. Das Gebäude aus dem 17. Jahrhundert galt als Wiege der neurologischen Wissenschaft, weil in ihm große Ärzte wie Charcot, Babinski und Freud gelehrt hatten. Das Bild oben ist ein berühmtes Gemälde von Pierre-André Brouillet, es stellt den französischen Arzt Jean-Martin Charcot dar, der gerade erklärt, wie man bei seiner Patientin Hysterie diagnostiziert. Ihr Name ging in die Annalen der Medizingeschichte ein: Blanche Wittman.
Die Szene ist unmissverständlich sexistisch: ein Raum voller Männer, die darüber urteilen, wie man eine Frau wegen eines Zustandes behandelt, dessen Etymologie deren Sexismus bloßstellt. Einfach aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau ist, ist sie der Gnade ihres Urteils ausgeliefert. Ein Opfer. Die beiden Nonnen, die darauf warten, Blanche aufzufangen, wenn sie kollabiert, sind nur stimmlose Beobachterinnen. Die Männer auf diesem Bild wissen alles, die Frauen nichts.
Eineinviertel Jahrhundert später, erinnert dieses Gemälde nur zu fatal an den Fall von Judy Gross, die Ehefrau des in Kuba inhaftierten USAID-Subunternehmers. Der Paternalismus ist sehr lebendig geblieben, und sowohl die New York Times als auch die Washington Post bestätigen es durch ihre Beteiligung an der albernen Medienkampagne, mit der sie Papst Benedikt XVI. unter Druck setzen wollen, Kuba zu raten, René González gegen Alan Gross auszutauschen. Kuba beraten zu wollen, als ob es ein unmündiges Kind wäre und kein souveränes Land, ist beleidigend genug, aber nichts Neues. Doch die Beratung, die Judy Gross erhält, ist eine andere Sache. Statt als aktives Subjekt behandelt zu werden, das in der Lage ist, seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, wird Judy's Kampagne, ihren Ehemann heimzuholen, von Leuten gemanagt und darüber berichtet, die ihre eigenen, sich sehr davon unterscheidenden Prioritäten haben.
Paul Bergers Enthüllung in The Jewish Daily Forward, dass die Werbefirma von Burson-Marsteller hinter dieser dummen PR-Kampagne stecke, war eine nicht vorhersehbare Entwicklung. Ich möchte nur eines wissen, wenn nicht Berger diese Geschichte zuerst gebracht hätte, hätte The Washington Post sie je akzeptiert?
Ein Leitartikel in der New York Times, dem ein längerer Beitrag von Washington Post folgte, womit eine päpstliche Lösung propagiert wurde, ist nichts, was zufällig auftaucht. Zunächst erschien es mir als eine Handlung des State Department, aber diese Art von Lobbyismus wäre natürlich ungewöhnlich gewesen. Daher verlief es in Wirklichkeit so: Hillary Clinton übergab die Gesprächseckpunkte ihrem guten Freund Don Baer, der nicht nur Vize-Vorsitzender von Burson-Marsteller ist, sondern auch Bill Clintons Redenschreiber. Baer erhielt das Freizeichen von Mark Penn (Burson-Marsteller's CEO und Chefstratege von Hillarry's ungeschickter Wahlkampagne 2008) und voilá, die Propagandamaschinerie beider Zeitungen (und noch einiger anderer) zur Anregung eines González-Gross-Handels und dessen Umsetzung durch den Papst sprang an.
González ist der erste aus dem Gefängnis freigelassene der Cuban Five, nachdem er eine Höchststrafe für das Vergehen, sich nicht als ausländischer Agent registrieren zu lassen haben, verbüßt hat - und nicht, wie die "Post" irrtümlich berichtete, wegen "Spionage". Darin liegt ein Unterschied. Doch wir können das "Post"-Produkt ein andermal auseinandernehmen.
González ist zurzeit auf Bewährung in Florida, während zehn Russen, die vor zwei Jahren als nichtregistrierte Agenten gefasst wurden, schon zu Hause in Russland sind, nachdem sie ohne Gerichtsverhandlung schnell abgeschoben worden waren. Die gleiche Sache kostet González über 13 Jahre seines Lebens. Wenn man als nichtregistrierter Agent in Miami gefasst wird, bedeutet das offensichtlich etwas ganz anderes, als wenn man wegen der gleichen Sache in New Jersey gefasst wird, insbesondere, wenn man Kubaner ist.
Andererseits ist Alan Gross ein US-Bürger, der erst knapp zwei Jahre seiner fünfzehnjährigen Strafe wegen der Arbeit für ein geheimes Internet-Netzwerk in Kuba, ein Verstoß gegen kubanisches Gesetz, in einem dortigen Gefängnis verbüßt hat. Es war kein "humanitäres" Projekt, wie eisern auch immer Burson-Marsteller darauf bestehen mag. Das war nur die Tarnung. Die kubanischen Juden hatten bereits Internetzugang.
Das Angebot, einen quasi freien Mann gegen einen inhaftierten auszutauschen, eignet sich augenscheinlich als gutes taktisches Manöver, aber nicht als Verhandlungsstrategie. Wie der langjährige Kuba-Beobachter Walter Lippmann richtig hervorhebt, "Israel tauschte Tausend Palästinenser für einen israelischen Soldaten aus. Washington tauschte zehn hier gefasster Russen gegen vier Russen, die wegen Spionage für die Vereinigten Staaten gefasst worden waren, aus. Warum kann Washington nicht fünf Kubaner für einen US-Bürger austauschen?" Aus keinem anderen Grund, habe ich den Eindruck, als wegen des Umstandes, dass Hillary Clinton den Schießbefehl dazu gegeben hat.
Berger berichtete, dass Judy Gross' Kritik an Obama und der US-Politik gegenüber Kuba Teil einer neuen Herangehensweise sei, die "zeitlich" mit Burson-Marstellers Mitwirkung zusammenfalle. Vielleicht nur in der Zeitwahl. Ich bin ziemlich sicher, dass die Argumente, die Don Baer ihr übergab, das nicht enthielten. Selbst wenn es Teil einer bizarren, verqueren Strategie wäre, wie weit könnte eine solche Kritik gehen, wenn Baer Clinton den Weg bahnt, die immer noch für Obama arbeitet, bis sie zurücktritt, um 2016 gegen Jeb [gemeint ist Jeb Bush, der jüngere Bruder von George W. Anm. d. Ü.] antritt?
Ich habe keine Insider-Informationen, aber ich wette, dass Judys gut begründete Kritik an Obama ein Anliegen war, um der Gefangenschaft durch Burson-Marsteller zu entgehen und ihren Verstand sprechen zu lassen. Gut, es ist passiert.
Seltsam genug, aber ich glaube, es offenbart ein kleines Licht am Ende des Tunnels. Clinton, Penn, Baer und Burson-Marsteller schreiben ein miserables Drehbuch für die Familie Gross, als tragische Opfer und zu Unrecht verurteilte jüdische Gutmenschen abhängig vom Wunder eines katholischen Papstes. Diese Kampagne ist nichts anderes, als der Versuch auf Zeit zu spielen, und Gross' Hintergründe zu vernebeln, bis Obamas Wahl gelaufen ist. Solange bis Judy Gross über das offizielle Drehbuch ungeduldig wird und ihre wahre Frustration herauslässt. Dann ist sie einen Schritt näher am Ausgang. Der Papst als ihre letzte Hoffnung? Wirklich? Ich hoffe nicht. Es gibt andere Optionen.
Mitzuspielen und auf Obama und Clinton zu warten, wie sie für ihre eigenen Wahlwünsche auf Zeit spielen, sollte allerdings keine sein. Druck der Medien auf die US-Regierung einerseits und mit sozialer Medienarbeit einiger Eingeweihter und geschickter Allianzen andererseits könnten tatsächlich etwas bewerkstelligen, aber keine PR-Agentur, die im Auftrag von Hillary Clinton arbeitet,interessiert sich dafür.
Tatsächlich, solange Burson-Marsteller die Schau abzieht, werden beide Seiten weiter aneinander vorbei reden. Die Kluft zwischen Alan Gross' Freunden und Familie und den Freunden und Familien der Millionen der internationalen Gemeinschaft, die das selbe für die Cuban Five wollen, ist in der Tat ein Weg - vielleicht der einzige - um einer Lösung näher zu kommen. Und wenn das passiert, ergibt sich eine Gelegenheit.
In einem wunderbaren Timing hat das "Intentionale Komitee für die Freiheit der Cuban 5" in einigen Wochen (17. bis 21. April) fünf Tage mit Aktivitäten in Washington mit einer Starbesetzung an Gästen geplant. Es wäre tragisch, wenn nicht wenigstens ein paar Leute aus dem Gross-Lager ihren Aufpassern von Burson-Marsteller entkämen, um zu schauen, was da los ist.
Stephen Kimber ist einer der Stars auf der Tagesordnung. Kimber hat mir freundlicherweise einen Vorabdruck seines bald erscheinenden Buches "What Lies Across the Water?" [Was liegt jenseits des Wassers?] überlassen, und es ist großartig - akribisch recherchiert, ehrlich und objektiv. Für jeden, der genau verstehen will, was die Cuban Five in Miami getan haben, und wie es zu der darauf folgenden Tragödie ihrer ungerechten Verurteilung und Inhaftierung kam, ist es die ultimative Quelle. Wenn es ein Buch gibt, das die Gross-Anhänger und diejenigen, die ernsthaft nach einer Lösung ihres Dilemmas suchen, lesen sollten, dann dieses.
Und ... Cindy Sheehan kommt! Was für ein Geschenk! Ehrlich, wenn Judy Gross nicht kommt, um wenigstens mit Cindy zu sprechen, die ein Buch darüber geschrieben hat, wie man einen Präsidenten unter Druck setzen kann, dann gehe ich davon aus, dass Burson-Marsteller sie gefangen hält, um das zu verhindern.
Schließlich wird es eine Mahnwache und Kundgebung vor dem Weißen Haus geben. Ich möchte behaupten, dass wenn das Gross-Lager die Gelegenheit ergreift, sich mit dem Lager der Cuban Five zu vereinen, wäre das die Erfüllung eines PR-Traums. Die Presse fände das unwiderstehlich. Es wäre das Zeichen einer echten Bewegung, die zum Selbstläufer wird. Natürlich wird der Clinton-Baer-Penn-Burson-Marsteller-Verein aus all' diesen Gründen nein dazu sagen.
Ein Grund mehr für Judy Gross, aus der Blanche-Wittman-Rolle zu schlüpfen, sie auf den Müllhaufen zu werfen und hinzugehen.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db), Aus der englischen Fassung von Machetera und Manuel Talens von Tlaxcala, dem internationalen Netzwerk für Übersetzer und linguistische Vielfalt.

(Quelle: Machetera vom 28. März 2012)

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