Zum Hochsicherheitsgefängnis: Nach dem "Hooters"-Plakat links abbiegen

Progreso Weekly, Mittwoch, 11. April 2012

von Danny Glover und Saul Landau

Der Highway 15 verbindet Kaliforniens Inland-Imperium mit Las Vegas - worauf das relativ hohe Verkehrsaufkommen an einem Samstagmorgen zurückzuführen ist. Daher starren wir nicht allzu lange auf die Reklamegroßwand für die Herren-Clubs - die keine Herren darstellen, sondern vielmehr attraktive junge Frauen. Ist klar - oder? Wenn nicht, wird's bald eindeutig. Wenige Meilen später steigt die Straße zur Hochebene der Wüste an. Eine Plakatwand weist hinab zu "Super Hooters" (entsprechend gekleidete Frauen locken mit ihren Reizen).
Wir fahren an mit Plastiktüten zugemüllten Kaktusfeldern und leeren Häuserruinen vorbei. Dann taucht ein weiterer Schandfleck auf: das US-Zuchthaus. Wir schätzen, dass dort so viel Stacheldraht verbaut wurde, wie auch für den Zaun an der US-mexikanischen Grenze gereicht hätte, mit drei düster drohenden Türmen zum Schutz der unsichtbaren Wachen mit ihren Gewehren. Wir parken außerhalb des Hochsicherheitstraktes.
Wir füllen Formulare aus und unterzeichnen sie, warten, werden aufgerufen, dann werden uns unsere Gürtel und Schuhe abgenommen und unsere Taschen in eine Schale entleert. Wir deponieren Münzen zum Kauf von im Besucherraum angebotenem Junk food aus Automaten, und wir werden geröntgt.
Saul fragt einen Wachhabenden, ob er sich nicht bei seinem "Turm-Dienst" einsam fühle. Er zuckt die Achseln. "Man lernt zurechtzukommen. Wir sind genau so im Gefängnis wie die Häftlinge hier", sagt er. "Der Unterschied ist, wir kommen abends nach Hause. Willkommen im Paradies." Ein Wächter stempelt unsere Handgelenke mit einem unsichtbaren Abdruck, und wir sitzen und warten, starren auf die Wandfotografien von Präsident Obama, Justizminister Holder, auf das des Leiters der Gefängnisse von Kalifornien und das des Oberaufsehers von Victorville - lauter farbige Männer. Unterhalb der Portraits sitzt ein handgemalter Osterhase, der das Gefängnispersonal zum Ostereiersuchen einlädt. Ein anderes Poster weist auf die "nationale Frauenwoche" hin.
Ein Wachhabender begleitet die Besucher in einen von Neonlicht erleuchteten Besucherraum, der mit grauen Miniatur-Plastikstühlen übersät ist. Wir warten dort auf Gerardo Hernández, der 2001 wegen Verschwörung zu Spionage und Mord zu zwei aufeinander folgende lebenslängliche Strafen verurteilt wurde.
Er war der Leiter der kubanischen Geheimdienstagenten, die in Miami ansässige Exilgruppen infiltrierten, die Anschläge auf kubanische Ziele ausheckten. 1997 legte diese Gruppe in hochfrequentierten touristischen Einrichtungen in Havanna Bomben. Ein Tourist starb bei einem Bombenanschlag.
Die Agenten infiltrierten auch die "Brothers to the Rescue", Anfang der 1990er hatte sich diese Gruppe ursprünglich zur Rettung von Bootsflüchtlingen aus Kuba gegründet. Nachdem Washington und Havanna ein Einwanderungsabkommen unterzeichnet hatten, endete die Ausreise-Epidemie per Floss. Die "Brüder" schufen sich eine neue Aufgabe: provokante Flugblätter über Havanna fallenzulassen. Die kubanischen Geheimagenten entdeckten, dass der Leiter der "Brüder" auch plante, auf zukünftigen Flügen schwere Waffen fallen zu lassen.
Am 24. Februar 1996, nachdem die Kubaner vergeblich etliche Warnungen wegen der erforderlichen Kontrolle dieser nicht genehmigten Flüge nach Washington geschickt hatten, schossen kubanische MiGs zwei der Flugzeuge ab. Die Piloten und Kopiloten kamen ums Leben. Kuba besteht darauf, dass dieser Zwischenfall in seinem eigenen Luft stattfand, was bedeutet, dass das angebliche Verbrechen, wofür Gerardo büßt, gar nicht stattfand.
Im September 1998 ignorierte der Chef des FBIs die Aktivitäten gewisser Saudis, die für ihre Mission im Gebiet von Miami trainierten, die sie an "9/11" in die Tat umsetzten. Stattdessen verhaftete der mit dem rechten Flügel der kubanischen Exilanten eng liierte Hector Pesquera die als die Cuban 5 bekannten Männer. Havanna hatte deren Information an das FBI übergeben, das daraufhin illegale Waffen und illegalen Sprengstoff in Beschlag nahm.
Während Gerardos Verhandlung 2001 berief der Bundesstaatsanwalt General James R. Clapper, Jr. (jetzt Direktor des Nationalen Geheimdienstes) als sachkundigen Zeugen. Clapper hatte das Material gelesen, das die Regierung bei Hernández beschlagnahmt hatte. Während des Kreuzverhörs fragte Gerardos Anwalt Paul McKenna, ob Clapper "auf irgend welche geheimen Informationen über die nationale Verteidigung gestoßen ist, die (nach Kuba) übermittelt worden sind".
"Nein, soweit ich erkennen kann, nicht."
Übereinstimmend mit anderen sachkundigen Zeugen wie Konteradmiral Eugene Carroll und Armeemajor General Edwards Breed Atkinson konnte Clapper kein einziges beschlagnahmtes Material benennen, das auf Spionage hinwies.
McKenna: "Würden Sie zustimmen, wenn ich sage, dass der Zugriff auf öffentlich bekannte Informationen kein Akt der Spionage sei?"
Clapper: "Ja."
McKenna: "Würden Sie, mit Ihrer Erfahrung in Angelegenheiten des Geheimdienstes, Kuba als militärische Bedrohung der Vereinigten Staaten bezeichnen?"
Clapper: "Absolut nicht. Kuba stellt keine Bedrohung dar."
McKenna: "Haben Sie irgend welche Hinweise darauf gefunden, dass Gerardo Hernández versucht hat, an geheime Informationen zu kommen?"
Clapper: "Soweit ich mich erinnere, nein."
Ohne Beweise verurteilte eine eingeschüchterte Jury die Cuban Five.
Fast elf Jahre später sehen wir Gerardo durch den Raum hüpfen, um uns zu umarmen. Sein Lächeln strahlte geistige Energie aus, was im "Paradies" von Victorville schwer vorstellbar ist.
"Ich leiste zwei aufeinander folgende lebenslange Strafen wegen Verschwörung, Spionage und Mord begehen zu wollen, ab, eine längere Strafe als die wirklichen Spione bekamen, die streng geheime Informationen an fremde Mächte weiter gegeben hatten. Wir hatten nichts zu tun mit irgend etwas, das auch nur entfernt mit geheimem Material zusammenhing," erklärte er.
Gerardo sprach von dem kürzlichen Gefangenenaustausch in Israel - ein Stabsoffizier gegen 1027 palästinensische Gefangene - und wie die israelische Bevölkerung diesen Tausch befürwortete. Vor über zwei Jahren verhaftete und verurteilte Kuba Alan Gross wegen der illegalen Einfuhr verbotener Technologie, um ein undurchdringliches, Satelliten gestütztes Kommunikationssystem zu installieren. Gross bekam als Unterhändler von USAID fast 600.000 $ dafür, dass er ein geheimes Kommunikationsnetzwerk als Bestandteil eines Plans zu einem Regimewechsel einrichtet. (Desmond Butler AP, 13. Februar 2012)
Gross hat über zwei Jahre einer 15jährigen Strafe in Kuba abgesessen, Gerardo über dreizehn. Diplomatische Quellen haben angedeutet - unbestätigt - dass Kuba angeboten habe, Gross freizulassen, wenn Präsident Obama die Cuban Five freilasse. Mit Druck von Gross' Familie und der jüdischen Gemeinde könnte diese gegenseitige humanitäre Geste Wirklichkeit werden - natürlich erst nach November [den Präsidentschaftswahlen in den USA, Anm. d. Ü.].
Wir umarmten uns zum Abschied, Gerardo lächelte und erhob die Faust zum Gruß. Nachdem wir eine weitere Dosis der amerikanischen Erfahrung in uns aufgesogen hatten, fuhren wir zurück, ohne uns noch einmal zum Hooters-Plakat umzudrehen.

Danny Glover ist Aktivist und Schauspieler. Saul Landaus Film "Will the real Terrorist please stand up" wird am 19. April in der Howard University gezeigt.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

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