Kubanische Kunst: durchschlagender Erfolg in Übersee

Zwei Kubaner stellen ihre Kunst in Britannien aus - trotz ihrer Inhaftierung in den USA - eine bahnbrechende neue Ausstellung

The Guardian, 18 April 2012

Zwei der Künstler einer neuen Ausstellung werden bei dem Eröffnungsabend bestimmt nicht anwesend sein: Statt sich unter die Künstlerkollegen von Londons West End mischen zu können, werden sie die Zeit in einer Hochsicherheitszelle in einem US-Zuchthaus verbringen.
[Nur einer von beiden, Gerardo Hernández, ist noch in einem Hochsicherheitsgefängnis in Victorville, Kalifornien, während Antonio Guerrero im Zuge der Strafreduzierung von 2009 in ein "normales" Bundesgefängnis überführt wurde, zurzeit ist er in Marianna, Florida, Anm. d. Ü.]

Die beiden, Antonio Guerrero und Gerardo Hernández, gehören zu den so genannten Miami Five, die seit 2001, nach einem umstrittenen Verfahren in den USA eine Gefängnisstrafe verbüßen. [Sie sind aber seit dem 12.09. 1998 inhaftiert, davon 17 Monate in Isolationshaft, gewesen, Anm. d. Ü.]
Die Fünf waren Kubaner, die militante Anti-Castro-Gruppen in Florida infiltriert hatten, die verdächtigt wurden, Sabotageakte in Kuba zu dessen Destabilisierung zu verüben. Die Männer wurden, weil sie in den USA als Agenten einer ausländischen Macht gehandelt hatten, zu Strafen von 15 Jahren bis zu "zwei Mal lebenslänglich" verurteilt. Ihre Verteidigung bestand darin, dass sie, wie die kubanische Regierung angibt, die terroristischen Anschläge aufhalten wollten, die Hunderte von Toten gekostet hatten, vor allem in einer Bombenattentatskampagne auf Hotels und Klubs in Havanna in den '90er Jahren, die darauf ausgerichtet waren, die boomende Ferienindustrie zu zerstören.
Die Anwälte der Fünf argumentierten erfolglos damit, dass in der vergifteten Anti-Castro-Atmosphäre von Miami ein faires Verfahren unmöglich sei. 2011 wurde einer der Fünf, René González, freigelassen, er verbleibt aber auf Bewährung in Florida.
Die Kunstausstellung unter dem Titel "Außerhalb des Rahmens". Die im Mai nach Glasgow gehen soll, wird Werke der 26 bekanntesten kubanischen Künstler und 20 anderer internationaler Künstler zeigen, die ihr Werk zur Verfügung stellten, um die Aufmerksamkeit auf den Fall zu lenken. Es ist die größte Sammlung kubanischer Künstler, die je in dem Vereinigten Königreich gezeigt wurde.
"Die Kunst ist als solche sehr überraschend," sagt Dodie Weppler, die Koordinatorin der Ausstellung und Expertin für kubanische Kunst. "Es gibt darin keinen sozialistischen Realismus, sondern alles andere, als man erwarten würde. Kultur ist immer ein wesentliches Element von Kubas radikaler Tradition gewesen, doch die Revolution machte erst ein kulturelles Experiment in einem Ausmaß möglich, das es nie zuvor auf dem amerikanischen Kontinent gegeben hat." Eine Reihe der ausgestellten Künstler wie "Kcho", Manuel Mendive, "Choco", José Fuster, Juan Roberto Diago genießen bereits internationale Anerkennung.
Antonio Guerrero lernte als Schüler eines Mitgefangenen, eines afroamerikanischen Künstlers, im Gefängnis von Florence, Colorado, zu zeichnen und zu malen. Er arbeitet mit Aquarellfarben, Kohle, Öl- und Pastellfarben, zu seinen jüngsten Objekten - exotische Vögel und Schmetterlinge - schreibt er, durch die Kunst "habe ich meine Gefangenschaft ausgehalten". Hernández war vor seiner Inhaftierung Amateur-Cartoonist; Cartoons sind daher nach wie vor seine Spezialität.

Die Kunst spielte von Anfang an eine Schlüsselrolle in der Kubanischen Revolution. Es gibt noch 14 Kunstschulen auf der Insel und eine Universität für Bildende Kunst in Havanna. Laut René Duquesne vom Kubanischen Nationalen Rat für Bildende Künste gibt es dort 13.000 registrierte Künstler. "Für diese große Anzahl gibt es einfach nicht genug Galerien und Materialien - die meisten Materialien müssen importiert werden," sagt er. "Die Blockade verursacht enorme Schwierigkeiten. Künstler, die kein Einkommen haben - die weder Buchgestalter noch Kunstlehrer oder ähnliches sind - sind vom Verkauf ihrer Arbeiten abhängig. Das zwingt kubanische Künstler, sich an das Ausland zu wenden."
Weppler sagt, das Ansehen der kubanischen Kunst steige ständig, wie es ein Artikel vor vier Jahren im Wall Street Journal gezeigt habe - kein großer Bewunderer der Castro-Brüder. - worin Kuba als "nächste heiße Drehscheibe der Kunst" für Investoren bezeichnet werde. Die USA betreiben immer noch eine Blockade Kubas und ein nahezu totales Verbot für [US-] Amerikaner, die Insel zu besuchen, obwohl es unter Barack Obama geringe Erleichterungen der Restriktionen gegeben hat. Kubanische Kunst dagegen kann von [US-] Amerikanern erworben werden, vorausgesetzt sie wurde nicht in Auftrag gegeben; Afrokubanische Produkte wie Trommeln oder Teller geraten in Konflikt mit dem Embargo, da sie einen praktischen Nutzen besitzen und deswegen nicht als "Kunstwerk" anerkannt werden.
Unter den anderen Künstlern, hauptsächlich aus dem UK, die ihre Werke in die Ausstellung gegeben haben, sind John Keane, Mona Hatoum, Alasdair Gray, Derek Boshier, John Byrne, David Harding, das Kennardphillips-Kollektiv und Cartoonist Steve Bell vom Guardian.
"Wir nennen die Ausstellung 'Beyond the Frame' [Außerhalb des Rahmens], weil sie die traditionelle Rolle eines Rahmens als Begrenzung durchbricht und darauf hinweist, dass die Fünf von der US-Regierung ‚geframed' [hereingelegt] wurden.," sagt Weppler, die die Ausstellung gemeinsam mit der Cuba Solidarity Campaign veranstaltet, in der Hoffnung, dass sie sowohl den Fall der Miami Five - einem Fall von zentraler Bedeutung auf der Insel - als auch die Bandbreite kubanischer Kunst hervorhebt.
"Ich wusste vorher nicht viel über die Miami Five," sagt Keane, ein offizieller Kriegskünstler im Golfkrieg von 1991. "Aber ich glaube daran, dass Kunst als Hilfe auf dem Weg nach Gerechtigkeit genutzt werden kann. Wenn Kunst eine Art von Gewissen vermitteln kann, ist es besser, als wenn sie nur eine Währung für Superreiche darstellt." Boshier, der britische Künstler, der jetzt in Los Angeles lebt, sagte, er habe sein erstes Kunstwerk, das in Verbindung zur Insel steht, schon 1961 unter dem Namen "Die Lage in Kuba" angefertigt: "Es war eine Reaktion auf die (fehlgeschlagene) Invasion (von Exilkubanern mit Rückendeckung der US-Regierung) in der Schweinebucht." Sein Beitrag zu der Ausstellung ist eine 2011 erstellte Rekonstruktion dieses Werkes.

Deutsch: ˇBasta Ya! (jmb, db)

Zurück