Telegraphischer Dienst CNN, 4. Juni 2012

Obama gewinnt Unterstützung von Raúl Castros Tochter

(CNN) Die Tochter von Kubas Präsident unterstützt das Wiederwahlaufgebot von US-Präsident Barack Obama, glaubt jedoch, dass er mehr tun könne, wenn er nicht dem entsprechenden Druck ausgesetzt wäre, wie sie in einem Interview sagte, das am Montag auf "CNN's Amanpour" gesendet wurde.
"Als Weltbürgerin, wünschte ich mir, er gewänne," sagte Mariela Castro Espin, die Tochter von Raúl Castro [und der verstorbenen Revolutionärin Vilma Espín, Anm. d. Ü.], in einem Exklusivinterview, das am Freitag in New York geführt wurde. "Angesichts des zur Wahl stehenden Angebots bevorzuge ich Obama."
Die 49-jährige Befürworterin der Rechte für Homosexuelle sagte, dass Obama in seiner Fähigkeit, einen Wandel zu bewirken, behindert worden sei. "Er möchte viel mehr tun, als wozu er in der Lage gewesen ist," sagte sie. "Das ist meine persönliche Interpretation. Ich weiß nicht, ob sie objektiv ist."
"Noch", sagte sie, "glaube ich, dass Obama eine weitere Möglichkeit braucht, und er braucht größere Unterstützung, um mit seinen Projekten und Ideen voranzukommen, von denen ich glaube, dass sie vom Grunde seines Herzens kommen."
Auf die Frage, ob Obama das ein halbes Jahrhundert alte Embargo gegenüber Kuba aufhöbe, wenn er könnte, sagte Castro: "Ich glaube, dass Obama ein fairer Mann ist. Und ich glaube, dass Obama mehr Unterstützung braucht, um diese Entscheidungen treffen zu können. Wenn Obama alle politische Unterstützung des amerikanischen Volkes hätte, dann würde er unsere Beziehungen normalisieren, so gut oder noch besser als sie unter Präsident Carter waren."
Während seiner einzigen Amtsperiode als Präsident von 1977 bis 1981, lockerte Jimmy Carter die US-Reisebeschränkungen nach Kuba. [Und er ließ die US-Interessenvertretung in Havanna einrichten, damaliger Leiter war Wayne S. Smith, Anm. d. Ü.]
Castro fügte hinzu, dass sie die Freilassung von Alan Gross, einem US-Bürger, der 2009 in Kuba verhaftet und wegen Subversion zu 15 Jahren verurteilt wurde, unterstütze. Doch sie fügte hinzu, dass sie auch die Freilassung der "Cuban Five" sehen wolle, die in den Vereinigten Staaten wegen Spionagevergehen inhaftiert gehalten werden.
Castro gab sich unbeeindruckt von Gross' kürzlich beantragter Erlaubnis, seine 90-jährige Mutter besuchen zu dürfen, bevor sie sterbe, wenn er verspreche, danach nach Kuba zurückzukehren.
"Alan Gross wurde alles gewährt, worum er gebeten hatte. Er konnte seine Ehefrau sehen, er konnte eheliche Besuche erhalten, und er wurde mit dem Respekt und der Würde behandelt, wie alle Gefangenen in Kuba," sagte Castro. "Wir haben nicht die gleiche Behandlung für unsere fünf Gefangenen erhalten, die sehr lange Gefängnisstrafen haben, die nicht gerecht sind. Ich denke, dass die sechs freigelassen werden müssen - sowohl die fünf Kubaner als auch Alan Gross."
"Wollen sie damit sagen, dass Alan Gross und die Cuban Five freigelassen werden sollten?" fragte die Moderatorin von Amanpour.
"Natürlich," antwortete Castro. "Ich beziehe mich auf die fünf Kubaner und Alan Gross. Ich glaube, dass das die glücklichste Lösung für alle Beteiligten wäre."
Die Aktivistin für die Rechte der Homosexuellen sagte, dass sexuelle Orientierung und Geschlechteridentifikation zu den Rechten gehörten, die Kuba noch berücksichtigen müsse. Ein Gesetzesentwurf der Bürgerrechtsvereinigung gegen das Verbot von gleichgeschlechtlicher Heirat sei schon vorgelegt worden, "aber noch nicht verwirklicht," sagte sie. "Und Leute, die in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft leben, haben in diesem Sinne noch keinen Schutz."
Sie kündigte an, dass sich die Legislative dieser Angelegenheit noch in diesem Jahr annehmen werde, dem ihr Vater nicht widersprochen habe.
Castro sagte, dass die Nation nach seiner aggressiven Quarantäne-Politik gegen HIV-positive Männer und Frauen während der Jahre der AIDS-Epidemie, die 1993 aufgeben worden sei, gelernt habe, die vergangenen Fehler anzuerkennen und zu korrigieren.
"Ich habe diesen Quarantänen nie zugestimmt," sagte sie. "Es hat etliche internationale Gesundheitsorganisationen gegeben, die diese Quarantänen untersucht und zu einer Zeit, als die Menschen noch nicht so viel darüber wussten, wie sich die Epidemie verbreitet, als positive Sache dargestellt haben."
Amanpour wies auf eine Beschreibung der "Human Rights Watch" hin, wonach Kuba als "das einzige Land in Lateinamerika, dass praktisch alle Formen des politischen Dissens unterdrücke" sei.
Aber Castro sagte, die Menschenrechtsgruppen "repräsentieren nicht die Meinung des kubanischen Volkes. Und ihre Informanten sind Söldner. Das sind Leute, die von einer fremden Regierung für Medienshows, die nicht die kubanischen Positionen wiedergeben, bezahlt werden."
Sie verteidigt ihr Land als eines, das abweichende Meinungen erlaubt. "Leute, die abweichender Meinung sind, kommen nicht ins Gefängnis," sagte sie.
"Jeder in Kuba sagt seine Meinung, und es gibt eine politische Beteiligung, sodass wir uns ausdrücken und jede Frage stellen können."
Eine Meinung zu vertreten, die von der der Regierung abweicht "bereichert die Debatte," sagte sie. "Niemand kommt für seine Ansichten ins Gefängnis, höchstens wenn er ausländischen Interessen dient und dafür bezahlt wird. Derjenige wird als Söldner bezeichnet, und das wird überall in der Welt nach dem Gesetz bestraft, auch nach dem Gesetz dieses Landes."
Sie sagte, das Einparteiensystem der Insel würde verschwinden, wenn andere Länder damit aufhörten, Kuba ihren Willen aufzwingen zu wollen.
"Wenn Kubas Souveränität nicht bedroht wäre, wenn die internen Angelegenheiten Kubas nicht in Medienkampagnen manipuliert würden, wenn Kuba nicht Opfer eines Wirtschafts- und Handelsembargos wäre, das uns so viele Probleme bereitet, machte es keinen Sinn, nur eine einzige Partei zu haben," sagte sie.
Obwohl einige Kritiker gesagt haben, die Nation sei vom Embargo abhängig, um die interne Dissens niederzuschlagen, und dass das sozialistische System des Landes kollabierte, wenn die Vereinigten Staaten das Embargo aufhöben, vertritt Castro eine andere Meinung darüber, was dann mit ihrem Land geschähe.
"Ich glaube, es würde stärker werden," sagte sie. "Das ist der Grund, aus dem sie das Embargo nicht aufheben."
Castro hegt keine Sympathie für Yoani Sanchez, die dissidente Bloggerin in Kuba, die zahlreiche Preise für ihre Arbeit, die kritisch gegenüber der Castro-Regierung ist, bekommen hat.
"Sie dient ausländischen Mächten, die die kubanische Praxis beseitigen wollen," sagte Castro. "Sie ist eine offizielle Stimme der global dominierenden Mächte."
Castro bestreitet Sanchez' Behauptung, ihr würde nicht erlaubt zu arbeiten. "Ihr wird erlaubt, in Kuba zu arbeiten," sagte Castro. "Aber sie macht mit ihren Preisen, die ihr aus dem Ausland zugeschickt werden, viel mehr Geld, als sie bei den sehr niedrigen Löhnen, die wir in Kuba haben, verdienen würde."
Castro vermutet, dass die Leser von Sanchez irgendwann "von all' den Lügen gelangweilt werden," und ihr Einfluss schwinden werde. "Sie kämpft nicht wirklich für authentische Rechte, sie steht nicht hinter der Menschenrechtsbewegung in Kuba, weil sie an den Debatten für mehr Rechte nicht einmal teilnimmt."
Castro macht das Embargo dafür verantwortlich, dass viele Kubaner das Internet nicht nutzen können. "Wir bezahlen für das Satelliten-Internet, was sehr teuer ist," sagte sie. "Wir haben keinen Zugriff auf die Glasfaserkabel, die an Kuba vorbeiführen. Wir verhandeln mit Venezuela, damit es uns hilft, den Internetzugang zu maximieren."
Aber, sagt sie, Kuba habe immer noch Zugang zu "einem sehr großen sozialen Netzwerk."
"Es gibt mehr Zugang zum Internet in Kuba, legal und illegal, als Sie sich vorstellen können, weil die Kubaner sehr neugierige Leute sind. Und man kann uns nicht den Zugang zu Informationen verweigern."
Gefragt nach Senator Robert Menendez' Beschreibung von ihr als "lautstarken Anwalt eines Regimes, eines Gegners der Demokratie, der die brutale Unterdrückung von Demokratieaktivisten verteidigt," nannte Castro den Republikaner aus New Jersey "eine Person, die wirklich nicht mehr mit beiden Füßen auf dem Boden steht."
Danach gefragt, weshalb die Vereinigten Staaten Castro ein Visum ausgestellt hätten, antwortete ein Sprecher des Außenministeriums, sie habe die Vereinigten Staaten während der Bush-Administration zwei Mal besucht. "Allerdings sollte man die Tatsache, dass dieser Person ein Visum ausgestellt wurde, nicht mit unserer generellen Politik Kuba gegenüber verwechseln," sagte der stellvertretende Außenminister für Öffentliche Angelegenheiten Michael A. Hammer zu Reportern in Washington. "Tatsächlich wollen wir in unserem Land die freie Rede erlauben, etwas, das es in Wirklichkeit in Kuba nicht gibt."

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: CNN vom 4. Juni 2012, dort gibt es auch das gesammte Interview auf Video)

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