Aus dem Gefängnis

Progreso Weekly, 6. Juni 2012

Von Danny Glover und Saul Landau

Wir haben Gerardo Hernández zum fünften Mal besucht, und wie gewöhnlich schien er, trotz der Tatsache, dass er in einem Hochsicherheitsgefängnis lebt, besser gelaunt zu sein als wir.
Gerardo und drei andere kubanische Geheimdienstagenten vollenden bald ihr 14. Jahr der Inhaftierung, jeder von ihnen in verschiedenen Bundesgefängnissen. René González, das fünfte Mitglied der Cuban Five, wurde nach 13 Jahren Haft auf Bewährung freigelassen, darf aber Südflorida noch 2 ˝ Jahre lang nicht ohne Erlaubnis verlassen.
Die Uniform, die Gerardo an diesem Tag zuvor verpasst wurde, sieht aus, als sei sie drei Nummern zu groß. Aber der schlechtsitzende ockerfarbene Overall vermag es nicht, Gerardos Lächeln oder seine warmherzige Umarmung bei unserer Begrüßung zu beeinträchtigen.
Er hatte einige der kürzlich ausgestrahlten CNN-"Situation Room"-Sendungen gesehen, in denen Wolf Blitzer verschiedene Akteure interviewt hatte wie Außenministerin Hillary Clinton, Victoria Nuland (Pressesprecherin des Außenministeriums), Alan Gross (verurteilt wegen Aktivitäten gegen das kubanische Regime) und Josefina Vidal (Leiterin im kubanischen Außenministerium für Nordamerikanische Angelegenheiten). Sie hatten die unterschiedlichen Sichtweisen zu dem den Fall von Gross und dem die Fünf umgebenden Recht oder Unrecht vorgeführt.
Kuba habe die Fünf in den 1990er Jahren nach Südflorida geschickt, um den Terrorismus in Kuba zu beenden, denn das sei der Ort [Südflorida] gewesen, wo die Bombenanschläge auf Hotels, Bars und Clubs geplant worden waren, erklärte er. 2009 "kam Gross als Teilhaber an einem US-Plan nach Kuba, um einen Regierungswechsel voranzutreiben," versicherte Gerardo. Gross klang verzweifelt, als er mit Wolf Blitzer in CNNs "Situation Room" sprach. Er beschrieb seine Inhaftierung in einem Militärhospital wie folgt: "Es ist genau wie in einem Gefängnis, mit Gittern vor den Fenstern." Hatte er vergessen, dass er zu 15-jähriger Haft verurteilt worden war?
Für Gerardo stellen Gitter, Stacheldraht, elektronisch gesteuerte schwere Metalltüren und Wachen, die regelmäßig ihre Kommandos schreien, die tägliche Routine seines Lebens im Bundesgefängnis in Victorville dar.
Gerardo isst ein rosa-schleimfarbenes Sandwich, das wir von einem der Automaten im Besucherraum gezogen und schnell in eine Mikrowelle gesteckt hatten. Wir mampfen Junk Food - alles aus dem selben sadistischen Angebot des Apparats, sich wahlweise zu vergiften.
Andere, meist wegen Drogenhandels verurteilte Gefangene sitzen mit ihren Ehefrauen oder Lebenspartnerinnen und Kindern unter den wachsamen Augen der drei, oberhalb auf einer Plattform sitzenden Wachhabenden. Die uniformierten Männer kichern und tauschen Gefängnisklatsch aus - wir sprechen über Gerardos Fall.
Die Bundesrichterin von Miami verurteilte ihn zu zwei aufeinander folgenden Strafen, plus 15 Jahren wegen Verschwörung, Mord begehen zu wollen und Verschwörung, Spionage begehen zu wollen. Gerardo wurde das Opfer einer merkwürdigen Vorstellung von US-Recht in Miami, wo der US-Staatsanwalt keinen Fetzen von Beweis dafür lieferte, dass Gerardo weder Havannas Pläne für den Abschuss zweier Flugzeuge, die im kubanischen Luftraum ("Mord") flogen, kannte, noch dass er irgendeine Kontrolle darüber hatte oder eine Rolle dabei spielte, was am 24. Februar 1996 geschah, als zwei kubanische Kampfflugzeuge zwei Flugzeuge der "Brothers to the Rescue" mit Raketen abschossen und sowohl deren Piloten als auch Kopiloten töteten - so, wie Kuba der US-Regierung gedroht hatte, dass sie es täte, wenn die illegalen Flüge fortgesetzt würden.
Tatsächlich zeichnen die Beweise ein ganz anderes Bild von dem, was Gerardo Hernández wirklich wusste. Die kubanische Staatssicherheit wird kaum einen Agenten der mittleren Laufbahn über die Entscheidung kubanischer Führungspersönlichkeiten informieren, eindringende Flugzeuge abzuschießen, nachdem sie Washington mehrfach gewarnt hatte.
Tatsächlich, wie ein neues Buch von Stephen Kimber zeigt, "machen die hin und her geschickten Memos zwischen Havanna und seinen Stabsoffizieren im Vorfeld des Raketenbeschusses der MIGs auf die Flugzeuge der ‚Brüder' klar, dass alles auf der Basis ‚wer muss was wissen' geschah - und Gerardo Hernández musste nicht wissen, was das kubanische Militär erwog." (Shootdown: The Real Story of the Brothers to the Rescue and the Cuban Five - Abschuss: Die wahre Geschichte der "Brüder zur Rettung" und der Cuban Five. Liegt als E-Book vor).
Gerardo besteht, wie die kubanische Regierung, darauf, dass der Abschuss der Flugzeuge der "Brüder" in kubanischem Luftraum stattfand, nicht über internationalen Gewässern, wie Washington behauptet. Aber die Nationale Sicherheitsagentur, die Satellitenaufnahmen des fatalen Ereignisses besaß, lehnt es ab, diese herauszugeben.
Die Flugzeuge der "Brüder" hatten über ein halbes Jahr lang kubanischen Luftraum überflogen (1995 - 1996), bevor sie vom Himmel geholt wurden. Kuba hatte das Weiße Haus mehrfach gewarnt, und ein offizieller Berater der Nationalen Sicherheitsagentur hatte der Bundesluftfahrtsaufsicht geschrieben, sie solle den "Brüdern" ihre Fluglizenzen entziehen - vergeblich.
Die kubanischen Geheimagenten, die die "Brothers to the Rescue" infiltriert hatten, informierten Havanna davon, dass der Chef der "Brüder" José Basulto erfolgreich Luft-Boden-Waffen getestet hatte, die er gegen Kuba einsetzen könnte. Für Kuba wurden die "Brüder" zu einem Sicherheitsrisiko.
Die Dokumente der NSA erreichten jedoch weder das Gericht noch bekamen sie die Anwälte für Gerardos Berufungen.
Für Gerardos Entlastung von der Anklage "Verschwörung, Mord begehen zu wollen" bleibt eine einfache Tatsache: Wenn die Abschüsse in kubanischem Luftraum stattfanden, gab es kein Verbrechen.
Für den Vorwurf der Spionageverschwörung ist die Regierung auf Gerardos Eingeständnis, kubanischer Geheimagent zu sein, angewiesen, statt nachzuweisen, dass er versucht habe, geheime Regierungsdokumente oder irgend welches anderes geheimes Material zu bekommen. Gerardos Job war es, Terroranschläge von Exilkubanern in Miami gegen Kuba zu verhindern, nicht die Infiltration geheimer US-Regierungsagenturen.
Die Gerichtsbarkeit der autonomen Republik Miami steckte fünf Antiterroristen ins Gefängnis. Gerardo lächelt, vielleicht seine Art, uns zu sagen, dass er immer noch überzeugt ist, das Richtige getan zu haben, soll heißen, er ist seiner Überzeugung treu geblieben. Wir fragen uns, ob wir 14 Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis ertragen könnten.

Deutsch: ˇBasta Ya! (jmb, db)

(Quelle: Progreso Weekly vom 6. Juni 2012

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